Karlsruhe legitimiert US-Drohnenkrieg über deutschen Boden​

Drohne über den Wolken

Drohne über den Wolken. Bild: Naeblys/ Shutterstock.com

Gericht erlaubt US-Drohneneinsätze über Ramstein. Geklagt hatten zwei Jemeniten, deren Angehörige getötet wurden. Die Begründung dürfte für Debatten sorgen.

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Deutschland keine Schutzpflicht gegenüber jemenitischen Staatsangehörigen verletzt hat, deren Angehörige bei US-Drohnenangriffen im Jemen getötet wurden. Für eine solche Schutzpflicht fehlt es laut Gericht an Anhaltspunkten für eine systematische Verletzung des Völkerrechts durch die USA.

Mit Urteil vom 15. Juli 2025 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde zweier jemenitischer Staatsangehöriger zurückgewiesen.

Die Kläger hatten geltend gemacht, die Bundesrepublik Deutschland habe eine Schutzpflicht aus dem Grundrecht auf Leben verletzt, indem sie die Nutzung der Air Base Ramstein für US-Drohneneinsätze im Jemen nicht unterbunden habe. Bei einem dieser Einsätze im August 2012 waren nahe Verwandte der Beschwerdeführer getötet worden.

Der Senat führte aus, "dass der Bundesrepublik Deutschland zwar ein allgemeiner Schutzauftrag dahingehend obliegt, dass der Schutz grundlegender Menschenrechte und der Kernnormen des humanitären Völkerrechts auch bei Sachverhalten mit Auslandsberührung gewahrt bleibt.

BVerfG sieht Schutzauftrag nicht als nachgewiesen an

Dieser Schutzauftrag kann sich unter bestimmten Bedingungen zu einer konkreten grundrechtlichen Schutzpflicht verdichten. Allerdings müssen für das Entstehen einer solchen Schutzpflicht zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

Erforderlich sind erstens ein hinreichender Bezug zur Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland, der den notwendigen Verantwortungszusammenhang begründet, und zweitens das Vorliegen einer ernsthaften Gefahr der systematischen Verletzung des anwendbaren Völkerrechts."

Vorhang zu und alle Fragen offen

Ob der notwendige Verantwortungszusammenhang zur Begründung einer Schutzpflicht im konkreten Fall gegeben war, ließ der Senat offen. "Ob sich im Rahmen der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung eine grundrechtliche Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die hier streitgegenständlichen Drohneneinsätze der Vereinigten Staaten von Amerika im Jemen ergibt, konnte dabei offenbleiben", so das Gericht.

Keine gewichtigen Anhaltspunkte für Völkerrechtsverstöße

Jedenfalls habe es an gewichtigen Anhaltspunkten für eine ernsthafte Gefahr systematischer Völkerrechtsverletzungen durch die USA gefehlt. Laut Gericht ist "die Rechtsauffassung der USA, die den Einsätzen bewaffneter Drohnen im Jemen zugrunde liegt, für sich genommen nicht geeignet, gewichtige Anhaltspunkte für eine ernsthafte Gefahr systematischer Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu begründen."

Die Rechtsauffassung der USA

Die den Drohneneinsätzen zugrunde liegende Rechtsauffassung der USA zur Bestimmung legitimer militärischer Ziele im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt bewege sich im Rahmen des völkerrechtlich Vertretbaren, auch wenn sie nicht in allen Punkten mit der deutschen Auffassung übereinstimme.

"Somit erweist sich die Auffassung der Bundesregierung, dass die US-amerikanische Auslegung des einschlägigen Völkerrechts – auch wenn sie sich nicht in allen Punkten mit derjenigen der Bundesrepublik Deutschland decke – grundsätzlich als völkerrechtlich vertretbar einzuordnen sei und folglich die Beachtung des humanitären Völkerrechts als solches durch die USA nicht infrage stelle, ihrerseits als völkerrechtlich vertretbar", urteilte der Senat.

USA erkennen Vereinbarung nicht an

Dass die USA die extraterritoriale Geltung des UN-Zivilpakts nicht anerkennen, habe sich erkennbar nicht auf die Einsatzpraxis ausgewirkt. Auch aus den von den Beschwerdeführern angeführten kritischen Berichten und Resolutionen internationaler Gremien ergebe sich nicht hinreichend deutlich eine systematische Verletzung des humanitären Völkerrechts und des Rechts auf Leben.

"Die (hohe) Zahl ziviler Opfer kann für sich genommen – ohne Hinzutreten weiterer Elemente – die ernsthafte Gefahr systematischer Verstöße gegen das hier einschlägige Völkerrecht nicht begründen.

Es geht um die Systematik

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass im Jemen systematisch gegen das Verbot exzessiver Kollateralschäden verstoßen worden ist, sind den angeführten Berichten und Resolutionen nicht zu entnehmen", so das Gericht.

In der Gesamtschau rechtfertigten die vorgebrachten Kritikpunkte an der US-Einsatzpraxis nicht die Prognose systematischer Verstöße. "Selbst wenn die zuvor aufgeführten Kritikpunkte das Risiko des Auftretens von Verletzungen der völkerrechtlichen Regeln zum Schutz des Lebens erhöhen sollten, rechtfertigt dies nicht die Prognose, dass derartige Verletzungen systematisch vorgenommen werden", urteilte der Senat.

Man redet, das ist genug

Das grundsätzliche Vertrauen zwischen Bündnispartnern in die Rechtmäßigkeit des Handelns des anderen werde dadurch nicht erschüttert, solange sich dessen Rechtsauffassung im völkerrechtlich vertretbaren Rahmen bewege. Dies sei hier der Fall.

Da somit bereits keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Grundrechtsverletzung vorlägen, kam es laut Gericht nicht mehr darauf an, ob Deutschland einer etwaigen Schutzpflicht durch diplomatische Bemühungen um Zusicherungen der USA genügt hätte.

"Da bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für das Bestehen einer extraterritorialen Schutzpflicht nicht erfüllt sind, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Bundesregierung einer ihr etwaig obliegenden Schutzpflicht gegenüber den Beschwerdeführern durch die Einholung einer Zusicherung der USA, dass Aktivitäten in US-Militärliegenschaften in Deutschland im Einklang mit dem geltenden Recht erfolgen, sowie durch den Austausch mit US-amerikanischen Stellen auf diplomatischer Ebene gerecht geworden wäre", so das Fazit.