Wehrpflicht-Comeback: Müssen bald wieder alle jungen Deutschen zur Armee?

Die Bundeswehr gedenkt der im Einsatz getöteten Soldaten mit einem Gedenkmarsch. Ankunft der Prozession am Bendlerblock.
(Bild: Mo Photography Berlin / Shutterstock.com)
Verteidigungsminister Pistorius will die Bundeswehr auf 260.000 Soldaten aufstocken. Doch der Fachkräftemangel könnte das Vorhaben gefährden.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat ehrgeizige Pläne für die Bundeswehr. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll die Truppenstärke von derzeit 180.000 auf bis zu 260.000 Soldaten aufgestockt werden. Doch der Fachkräftemangel in Deutschland könnte diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung machen.
Bundeswehr im Wettbewerb um Arbeitskräfte
Die Aufstockung der Streitkräfte findet vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft und eines zunehmenden Rückgangs der Erwerbsbevölkerung statt. Diese demografischen Trends haben bereits zu einem Mangel an Fachkräften in den Unternehmen geführt. Nun bringen sie auch die Bundeswehr, die dringend neue Rekruten benötigt, in eine Zwickmühle.
Zwar ist das Problem des Arbeitskräftemangels kein rein deutsches Phänomen, doch das Ausmaß der Herausforderung ist hierzulande besonders groß, berichtet Bloomberg. Denn neben der Bundeswehr plant auch die Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz, die Infrastruktur des Landes in großem Stil zu sanieren. Dafür werden ebenfalls zahlreiche Arbeitskräfte benötigt, die dann für den Dienst an der Waffe fehlen.
Bundeswehr setzt auf Freiwilligkeit – noch
Um neue Rekruten zu gewinnen, setzt die Bundeswehr bislang auf ein freiwilliges Modell. Anfang 2026 soll der freiwillige Militärdienst eingeführt werden, so die bisherigen Pläne. Pistorius’ Ziel ist es, bis 2029 mehr als 110.000 Wehrpflichtige auf diesem Weg zu gewinnen.
Die Bundeswehr wirbt offensiv um Freiwillige, hauptsächlich in den sozialen Medien. Mit Slogans wie "Du willst immer nur mehr" und "Mach, was wirklich zählt" sollen junge Menschen zwischen 17 und 35 Jahren angesprochen werden. Auf Plakaten und in Videos verspricht die Armee eine "herausragende Karriere" und die Chance, "über sich hinauszuwachsen".
Doch Experten bezweifeln, dass diese Werbekampagne ausreicht, um genügend Freiwillige zu gewinnen. Enzo Weber, Ökonom am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, warnt laut Bloomberg: "Wenn wir die Qualitäten unserer Arbeitskräfte nicht gut nutzen, werden wir erhebliche Verluste erleiden."
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Wehrpflicht als letztes Mittel?
Hinter den Kulissen wird daher bereits über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert. Laut Medienberichten drängen konservative Abgeordnete ihre Koalitionspartner, den Gesetzentwurf zum freiwilligen Wehrdienst um einen Mechanismus zu ergänzen, der im Notfall die Wehrpflicht reaktivieren würde.
Auch Pistorius selbst schließt eine Rückkehr zur Wehrpflicht nicht aus, sollte sich das freiwillige Modell als unzureichend erweisen. Doch eine solche Maßnahme hätte gravierende wirtschaftliche Folgen.
Laut einer Studie des Ifo-Instituts, so berichtet Bloomberg, würde eine neue Wehrpflicht zu einem Rückgang des Konsums und "drastischen Folgen für die gesamte Wirtschaft" führen, da Wehrpflichtige dem Arbeitsmarkt entzogen würden. Angesichts der aktuellen Konjunkturflaute wäre dies ein riskantes Unterfangen.
Migranten als Soldaten?
Als möglichen Ausweg aus dem Dilemma brachte Pistorius im vergangenen Jahr die Idee ins Spiel, verstärkt Migranten für die Bundeswehr zu rekrutieren. Bislang stößt dieser Vorschlag jedoch auf wenig Gegenliebe.
Experten wie der Ökonom Panu Poutvaara sehen darin aber durchaus Potenzial, so Bloomberg. Ein schnellerer Weg zur Staatsbürgerschaft für Migranten, die sich für den Militärdienst entscheiden, könnte die Attraktivität des Soldatenberufs für diese Gruppe erhöhen.
Letztlich steht die Bundeswehr vor einer gewaltigen Herausforderung. Um die ambitionierten Ausbaupläne zu realisieren, muss sie in einem hart umkämpften Arbeitsmarkt genügend Rekruten finden. Ob freiwilliges Modell, Wehrpflicht oder die Anwerbung von Migranten – eine Patentlösung ist bislang nicht in Sicht. Die Zeit drängt, denn laut Militärexperten könnte Russland in weniger als fünf Jahren zu einem Angriff auf Europa bereit sein.