Verteilnetze am Limit: Warum hier die Energiewende entschieden wird

Elektrische Ingenieure verwenden Tablet-Computer, um die Unterwerke der elektrischen Hochspannungsmasten für die regelmäßige Wartung zu untersuchen.

(Bild: Attasit saentep / Shutterstock.com)

Photovoltaik und E-Autos bringen Verteilnetze an ihre Grenzen. Gewaltige Investitionen sind nötig, damit die Energiewende gelingt.

Viele PV-Anlagen speisen ihren Strom auf der Niederspannungsebene ein und sorgen damit für einen hohen Ausbaubedarf in den Verteilnetzen. Die dena-Verteilnetzstudie II möchte Lösungen aufzeigen, wie die Energiewende in den Verteilnetzen gelingen könnte.

Auch wenn der größte deutsche Verteilnetzbetreiber E.on mit seinen Verteilnetzgesellschaften, welchen 32 Prozent des deutschen Verteilnetzes gehören, gut verdient hat, sieht die Situation nicht bei allen Verteilnetzbetreibern, die sich zumeist in kommunaler Hand befinden, so gut aus und könnte die Netzbetreiber in den kommenden Jahren finanziell überfordern, wie die Deutsche Energie-Agentur (dena) in ihrer aktuellen Studie feststellte.

Die stellt fest, dass die Energiewende zu großen Teilen in den Verteilnetzen und nicht in den Übertragungsnetzen stattfindet. Sie stellt die Verteilnetzbetreiber (VNB) vor große Herausforderungen, die dafür notwendigen Investitionen aus eigener Kraft zu stemmen. Die aktuellen Steuerermäßigungen der Bundesregierung reduzieren die Finanzkraft der Kommunen beachtlich. Daher müssen sie nach anderen Finanzquellen suchen, um den geforderten Ausbau ihrer Niederspannungsnetze zu stemmen.

Die dena-Studie zeigt anhand der Modellierung eines Musterenergieversorgers in einer Kommune mit 100.000 Einwohnern, wie sich der Umbau von Strom-, Gas- und Wärmenetzen hin zur Klimaneutralität betriebswirtschaftlich auswirkt. Darauf aufbauend benennt die Studie Lösungsansätze in den Handlungsfeldern Finanzierung, spartenübergreifende Planung, Digitalisierung und Kooperation.

Die Studie hat aus Sicht der dena gezeigt, dass die Bereitstellung der Infrastruktur für die Energiewende nur im Zusammenwirken unternehmensinterner Maßnahmen, unter Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und der Rahmensetzung auf Bundes- und Länderebene erfolgen kann.

Hintergrund der dena-Studie

Ziel war es, Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, die nicht nur die Klimaneutralität ermöglichen, sondern auch die Bezahlbarkeit für Netzkunden und die wirtschaftliche Tragfähigkeit der lokalen Energieinfrastrukturunternehmen sicherstellen. Sie untersucht daher die notwendigen Weichenstellungen und bietet Lösungsansätze für eine nachhaltige und wirtschaftlich tragfähige Transformation des Verteilnetzes.

Um in Deutschland bis 2045 die gewünschte Klimaneutralität zu erreichen, ist schon 2035 ein weitestgehend auf erneuerbaren Energiequellen beruhendes Stromsystem erforderlich. Dies ist das anerkannte Ergebnis der großen Energiesystemstudien der letzten Jahre. ″Klimaneutrales Deutschland 2045″ von Prognos, ″Klimapfade 2.0″ vom BDI, die ″Leitstudie: Aufbruch Klimaneutralität″, ″Langfristszenarien 3″ vom BMWK, sowie ″Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045″ vom BMBF geben hierbei die Richtung vor.

Im deutschen Stromnetz nimmt die Anzahl der Netznutzer auf allen Netzebenen rasant zu. Neben dem Zubau von auf erneuerbaren Energien basierenden Stromerzeugungsanlagen und einer großen Anzahl neuer Verbraucher wie E-Fahrzeuge und Wärmepumpen kommen immer mehr große Punktlasten wie Rechenzentren, Batteriespeicher und Großwärmepumpen hinzu.

Da der Großteil dieser Anlagen im Verteilnetz angeschlossen wird, führt dies dort zu erheblichem Zuwachs der Erzeugungsleistung. Die Energiewende findet also hauptsächlich in den Verteilnetzen statt, die somit das Rückgrat der Transformation hin zur dekarbonisierten Energieversorgung bilden.

Die VNB müssen nicht nur die Finanzierung des Netzausbaus sicherstellen

Als natürliches Monopol sind die VNB von der Bundesnetzagentur reguliert und müssen ihre Investitionen dort zur Genehmigung vorlegen, damit sie diese an ihre Kunden weiterreichen dürfen.

Sie stehen jedoch miteinander und mit anderen Sektoren in einem zunehmenden Wettbewerb um Fachkräfte, um Dienstleister, Materialien und Ressourcen. Globale Lieferketten und nur langsam anwachsende Produktionskapazitäten prägen die Beschaffung. Ebenso sind Ressourcen wie Mitarbeiter und Dienstleistungen langfristig zu sichern. Insbesondere der demografische Wandel und der dadurch verstärkte Fachkräftemangel stellen auch die VNB bei der Umsetzung der geplanten Maßnahmen vor Herausforderungen.

Die Folge sind aktuelle und zukünftig zu erwartende Engpässe in zahlreichen Fachberufen der Energiewende. Das reicht von Technikern und IT-Experten für die Digitalisierung der Netze bis zu Fachkräften in den Bereichen Planung und Umsetzung. Damit besteht die permanente Gefahr, dass sich konkrete Umsetzungen von Maßnahmen möglicherweise nicht im notwendigen Tempo oder zu den geplanten Kosten ausführen lassen.

Diese Herausforderungen sind in der aktuellen Anreizregulierung der Bundesnetzagentur (BNetzA) offensichtlich bislang nicht ausreichend abgebildet. Dazu kommen Anforderungen durch sich verändernde gesetzliche Vorgaben, die sowohl auf der Seite der Netzbetreiber als auch der Genehmigungsbehörden zu zusätzlichem Arbeitsaufwand führen.

Zu diesen Mehraufwendungen gehören der Umbau/Einbau von SF6-freien Anlagenkomponenten, das anstehende Verbot von PFAS. Dazu kommen neue statt anpassbare Genehmigungsprozesse, wie sie bei der Umstellung von normalen Ortsnetzstationen auf digitale Ortsnetzstationen mit höherem Flächenbedarf benötigt werden.

Die Energiewendevorgaben werden von vielen Akteuren wie BMWK, BNetzA, BSI, BDEW und FNN gestaltet. Hier fehlt es bislang an vielen Stellen an übergreifender Koordination und klaren Verantwortlichkeiten, was zu Hindernissen und Widersprüchen führt. Die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert eine stärkere Zusammenarbeit, insbesondere auf regionaler Ebene.