Warum sich immer weniger Urlaub leisten können – und wo noch günstig zu reisen ist

Strand und Sandbucht

Ein Strand in Südalbanien.

(Bild: Andrew Angelov/Shutterstock.com )

Fast ein Viertel der Deutschen kann sich keinen einwöchigen Urlaub leisten. Warum ist das so? Und wo warten noch echte Budget-Reisen? Eine kritische Empfehlung.

Sommerzeit ist Ferien- und Reisezeit. Mit dem Ende des Schuljahres, das in einigen Bundesländern am vergangenen Freitag mit den Zeugnissen eingeläutet wurde, starten viele deutsche Familien in das wohlverdiente Reisevergnügen. Doch wer kann sich Urlaub überhaupt noch leisten?

Ein Viertel der Deutschen muss diese Frage laut neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamts negativ beantworten.

Dabei sind Pausen, Entspannung und Erholung im Hamsterrad der Lohnarbeit wichtig.

Leben wir, um zu arbeiten, oder arbeiten wir, um zu leben? Für viele ist die Antwort klar. 67 Prozent der Berufstätigen sind im Urlaub beruflich erreichbar, bei den Selbstständigen sind es sogar 87 Prozent, in der Jugend-Kohorte (16–29 Jahre) hingegen nur 57 Prozent. Die Gründe mögen vielfältig sein – Vorgesetztenerwartung oder Kundendruck – und die Folgen sind gravierend.

Wirtschaftswunderland abgebrannt

Wie der Podcaster und Autor Ole Nyomen feststellt, ist die Tatsache, dass vielen Menschen aufgrund von Geldmangel ein Urlaub nicht möglich ist, ein "Armutszeugnis" für den deutschen Sozialstaat.

21 Prozent der Bundesbürger, das sind 17,4 Millionen Menschen, können sich nicht einmal einen einwöchigen Urlaub leisten. Für diese Masse gilt das einstige Erfolgsversprechen der deutschen Marktwirtschaft nicht mehr: Auf harte Arbeit folgt nicht "Ab in den Süden" – Balkonien statt Balearen.

Ganz zu schweigen davon, dass auch unterjährig Geld knapp ist. Ein Beispiel: Beim Bundestafeltreffen 2025 in Hannover wurde kürzlich öffentlich, dass die Tafeln in den vergangenen fünf Jahren rund 50 Prozent mehr "Kunden" mit geretteten, preiswerten Lebensmitteln versorgen mussten. Sie schlagen Alarm: Mehr hungrige Mäuler können kaum gestopft werden.

Wenig überraschend ist, dass insbesondere Alleinerziehende mit über 40 Prozent ihre Ferien zu Hause verbringen müssen. Die taz empfiehlt den Abgehängten unserer Zeit "solidarisches Besuchen" als "kapitalismusunabhängigen Tapetenwechsel".

Urlaubsfrage ist eine Lohnfrage

Zwar nahmen deutsche Arbeitnehmer im Schnitt 31 Tage frei, jedoch ist deren Geldbeutel oftmals zu leer, um diese auswärtig zu verbringen. Dies hat gute Gründe, Urlaube sind teuer. Der Deutsche gibt im Schnitt 1538 Euro für den Haupturlaub aus, eine vierköpfige Familie mehr als 6000 Euro. Teilzeitquoten und atypische Beschäftigungsverhältnisse bei niedrigen Löhnen prägen zunehmend die untere Struktur des deutschen Kapitalismus.

Die Löhne sind in Deutschland (gemessen an der Produktivität) generell niedrig. Zwischen 1991 und 2019 stiegen sie nur um 12,9 Prozent.

Insgesamt hinkt das Lohnniveau trotz eines leichten Anstiegs gewerkschaftlicher Streikbewegungen und Arbeitskampfmaßnahmen weit hinter Gewinn- und Kapitaleinkommen hinterher. Laut einer Analyse der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung nehmen Einkommensungleichheit und Armut stark zu. Die Sorgen um den Lebensstandard strahlen sogar bis in den Mittelstand aus.

Insbesondere angesichts der bevorstehenden Umstrukturierungsmaßnahmen in der deutschen Leitindustrie Automobil sowie der sich abzeichnenden krisenbedingten Entlassungen dürften sich die Urlaubsbuchungen weiterhin im freien Fall befinden. Sitzen alle im selben Boot? Nein: Jeder vierte Deutsche verreist mehr als zweimal im Jahr, zehn Prozent sogar mehr als viermal.

Urlaub als Stressreaktionszeit

Doch selbst wer es in die Ferne schafft, klagt: 24 Prozent fühlen sich nach dem Urlaub nur "wenig ausgeruht".

Die Zeiten vor und nach einem Urlaub erleben die Beschäftigten als besonders anstrengend. Sie nehmen die Arbeit in Form von körperlichen Symptomen mit in den Urlaub. Zwar sind Arbeitnehmer im Urlaub nicht verpflichtet, ihr E-Mail-Postfach zu überprüfen – tun es jedoch häufig.

Gründe dafür können die telefonische Erreichbarkeit, zu kurze zusammenhängende Urlaubszeiten, Stress im Urlaub – viele können nicht abschalten – oder die verhältnismäßig unbekannte "leisure sickness" sein.

Rund 72 Prozent der deutschen Arbeitnehmer kennen es: Kaum im Urlaub, schon krank. Stefanie Andre, Professorin für Gesundheitsmanagement, erklärt, dass es sich dabei um ein "Stressreaktionsmuster" handele.

Es wird vermutet, dass nach den Stresszeiten die Hormone Adrenalin und Cortisol abfallen. Dieser Abfall könnte die Ursache für Erkältungssymptome und das Krankheitsgefühl sein. Spannend ist, dass die Krankheit seit 2002 stark zugenommen hat – ein exponentieller Anstieg um 65 Prozent. Dies fällt zeitlich wie politisch-ökonomisch mit der Flexibilisierung des deutschen Arbeitsmarktes durch die Hartz-Reformen zusammen.

Mit Tipps um die Welt

Das deutsche Arbeitsrecht sieht klare Regelungen zu Gunsten der Arbeitnehmer vor. Weitgehend unbekannt ist beispielsweise, dass ärztlich attestierte kranke Urlaubstage nachgeholt werden dürfen, da sie nicht zur Erholung genutzt werden konnten.

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Im Urlaub gilt rechtlich, dass niemand erreichbar sein muss. Für Gestresste können entschleunigte Tätigkeiten hilfreich sein. Den Einstieg nach dem Urlaub sollte man planen und im Kopf verankern. In den ersten Tagen nach dem Wiedereinstieg sollte man wenige und entspannte Termine legen sowie ein klares Zeitfenster für Gedanken an Beruf und Karriere im Urlaub setzen.

Günstig in die Ferne schweifen

Wer günstig verreisen mag oder muss, dem sei innerhalb von Europa der Südosten empfohlen. Albanien, Bulgarien, Bosnien, Kroatien oder Tschechien bestechen durch vergleichsweise preisgünstige Angebote, tolle Sehenswürdigkeiten in den Städten und eine sommerliche Landschaft inklusive Stranderlebnis.

Während in der Schweiz im Durchschnitt 227 Euro pro Tag Urlaub fällig werden, gibt der Durchschnittsreisende im Kosovo nur 42 Euro aus. In der Verschmelzung aus günstigen Lebenshaltungskosten, guter Infrastruktur und einer reichhaltigen Kultur liegt der Spartipp.

Laut Business Insider kommt man in den vormals sowjetischen "Stan-Republiken" mit seinem Geld am weitesten. Im Kaukasus besticht Georgien mit einem Tagesbudget von 25–40 Euro, Wanderrouten, Wein und Bäderlandschaften. Armenien hingegen steht für kulturelle Diversität und Low-Cost-Reisen.

Wer sich einen vergleichsweise teuren Langstreckenflug leisten kann und will, findet in Südostasien das Paradies. Laos, Vietnam, Thailand und Kambodscha bestechen durch günstige Preise, eine atemberaubende Kultur, exotische Kulinarik und traumhafte Natur.