Trump ruft zu Terrorakten gegen US-Regierung und Behörden auf

Donald Trump bei einer Rede in Phoenix, Arizona. Wenige hatten ihm einen Wahlsieg 2016 zugetraut. Er könnte bei der nächsten Präsidentschaftswahl wieder antreten. Bild: Gage Skidmore / CC BY-SA 2.0

In Reaktion auf Bidens Rede erklärt Trump den US-Präsidenten und "die Gruppe, die ihn kontrolliert" zu Staatsfeinden. Er droht: Die FBI-Untersuchungen werden eine beispiellose Gegenreaktion erzeugen. In den USA wächst die Sorge vor Chaos.

Dass der ehemalige US-Präsident Donald Trump reagieren würde, war zu erwarten. Auch ist man von ihm einiges gewohnt in Hinsicht Hetze, Lügen und Angriffe gegen alle, die nicht seine Meinung teilen oder ihn kritisieren. Doch die Antwort auf US-Präsident Joe Bidens Rede Ende letzter Woche, in der er den Extremismus der Trump-Radikalen als Gefahr für die Demokratie bezeichnete, hat einige alarmiert.

Trump sagte in einer Rede in Pennsylvania, wo er für den "Große-Wahllüge"-Unterstützer und Gouveneurs-Kandidat Doug Mastriano Wahlkampf betrieb, in Richtung auf den US-Präsidenten:

Er ist ein Staatsfeind, wenn ihr die Wahrheit wissen wollt. Der Feind des Staates ist er und die Gruppe, die ihn kontrolliert und um ihn herum kreist. Tu dies, tu das, Joe.

Daraufhin buhte die Menge Biden aus. Trump nahm auch die Bundesbehörden ins Visier, die seine Mitnahme geheimer Dokumente aus dem Weißen Haus untersuchen, und erklärte seinen Zuhörern,

dass das FBI und das Justizministerium zu bösartigen Monstern geworden sind, die von linksradikalen Schurken, Anwälten und den Medien kontrolliert werden, die ihnen sagen, was sie zu tun haben.

Trump kündigte aufgrund der Ermittlungen gegen ihn eine "Gegenreaktion, wie sie noch niemand erlebt hat" an. Eine Ankündigung, die von verschiedenen Seiten als Aufruf zu inländischem Terrorismus eingestuft wird.

Trump nannte Bidens Rede zudem "die bösartigste, hasserfüllteste und spaltendste Rede, die je ein Präsident gehalten hat". Er hätte damit 75 Millionen Bürger:innen "plus weitere 75 bis 150 [Millionen] – wenn wir es genau nehmen wollen – als Bedrohung für die Demokratie und als Staatsfeinde" dämonisiert.

Der Rechtsanwalt und Autor Seth Abramson bezeichnete Trumps Rede als "völlig aus den Fugen geraten".

Es ist schlicht eine Rede, die darauf abzielt, inländische Terroristen dazu anzustiften, FBI-Agenten und Mitglieder der Biden-Regierung zu töten. Es ist schockierend, dass es keine rechtlichen Konsequenzen für Aufwiegelung mehr gibt.

David Badash, Gründer und Herausgeber von The New Civil Rights Movement, twitterte:

Gegen Trump laufen buchstäblich vier unterschiedliche strafrechtliche Ermittlungen, gegen ihn fanden zwei Amtsenthebungsverfahren statt und von der Bundesregierung wurde er wegen Rassismus verklagt, aber der Präsident der Vereinigten Staaten, Joe Biden, der sein Leben dem öffentlichen Dienst und seiner Familie gewidmet hat, ist ein "Staatsfeind"?

Die USA sind keine gesunde Demokratie mehr - auch in Kanada steigt politische Aggressivität

Die Sorge in den USA wächst angesichts der Trump-Rede weiter, dass vor den Midterm-Wahlen im November und im Vorlauf zu den Präsidentschaftswahlen zwei Jahre später politisch motivierte Gewalt das Land in chaotische Verhältnisse versetzen könnte.

Die Historikerin der Duke University und Buchautorin Nancy MacLean bezeichnete die Situation als außergewöhnlich in der Geschichte der USA. Die Vereinigten Staaten seien keine gesunde Demokratie mehr. In Ratings erhalte das Land nur noch fünf von zehn Punkten und befinde sich auf einer Stufe mit Polen, Slowenien oder Ungarn.

Ungarn ist interessant, weil die MAGA-Republikaner ("Make America Great Again", Telepolis) und Figuren wie Tucker Carlson (Moderator Fox News, Telepolis) den ungarischen Staatschef Viktor Orbán als Vorbild betrachten. Und er ist für sie ein Modell dafür, wie man die Demokratie nutzen kann, um die Demokratie vollständig zu untergraben und es unmöglich zu machen, einen autoritären Führer zu entfernen.

Daher sei die Rede von Präsident Biden so wichtig gewesen, der vor einem Verfall der Demokratie gewarnt hat. Aber im Mainstream und den Hauptmedien werde weiter so getan, als ob es um Wahlkampf und das übliche Gerangel Demokraten vs. Republikaner gehe, sagt McLean.

Ich war schockiert, als ich erfuhr, dass drei große Nachrichtensender nicht über die Biden-Rede berichtet haben. Sogar National Public Radio (NPR) ging nur nebenbei darauf ein und stellte sie in den Kontext der Zwischenwahlen und des üblichen Politikbetriebs. Die Botschaft ist genau das Gegenteil. Wir stehen vor existenziellen Bedrohungen für die Demokratie in Amerika, und sie kommen von einem Ort: von Donald Trump und denjenigen, die er mit der großen Lüge und einem kalkulierten System der Desinformation in den Medien dazu gebracht hat, ihm zu folgen. … Wir befinden uns in Alarmstufe Rot. Militärisch ausgedrückt, ist es DEFCON 1 für die Demokratie in Amerika. Und es ist an der Zeit, dass die Mainstream-Medien dies zu erkennen beginnen.

Aber die USA sind nicht das einzige Land, in dem die politische Auseinandersetzung zunehmend aggressiver wird und zum Teil außer Kontrolle gerät, bzw. außer Kontrolle geraten könnte. Im Nachbarstaat Kanada warnen Behörden schon seit einiger Zeit vor dem Anstieg von Online-Drohungen, rassistischen oder frauenfeindlichen Beleidigungen, öffentlichen Belästigungen und offenen körperlichen Einschüchterungen, die den Charakter der kanadischen Politik verändern könnten.

Vergangenes Wochenende brüllte ein Mann die stellvertretende Premierministerin Chrystia Freeland mit Schimpfworten wie "Verräterin" bei einer Veranstaltung an. Kein Einzelfall. Premierminister Justin Trudeau wurde schon bei der letzten Wahl von Impfgegner:innen mit Schotter beworfen.

Politiker:innen aus allen Parteien zeigen sich besorgt über die Stimmung im Land und sagen, dass sie sich nicht mehr sicher fühlen und mit täglicher Angst vor möglichen Übergriffen leben. Kanadische Sicherheitsbehörden gehen angesichts der jüngsten Vorfälle von noch schlimmeren – vielleicht sogar gefährlichen – Angriffen aus und fordern bessere Sicherheitsvorkehrungen für Politiker:innen.

Noch ist unklar, was die Massentötung am gestrigen Sonntag in Kanada, bei der zwei Verdächtige mit Messern auf Menschen einstachen und zehn dabei töten, auslöste. Auch wenn keine direkte politische Motivation vorliegen sollte, wird in Kanada die Frage in Zukunft intensiver diskutiert werden, ob eine Gesellschaft, in der politische Hetze zunimmt, insgesamt ein Klima von Gewalt erzeugt, in der blutige Frust-Taten zunehmen könnten.