Plagiatsforscher Weber rechnet ab: "'Spiegel'-Journalisten sind Polit-Aktivisten"

Stefan Weber. Bild: Joachim Bergauer
Der Österreicher sieht sich als Opfer journalistischer Aktivisten. Doch was treibt ihn im Fall Brosius-Gersdorf wirklich an? Telepolis hat nachgefragt.
▶ Herr Weber, das deutsche Nachrichtenmagazin Spiegel bezeichnet Sie in der Berichterstattung über Frau Brosius-Gersdorf als "äußerst umstritten". Wie erleben Sie das? Wie oft und wie werden Sie als Kritiker ins Zentrum der Berichterstattung gerückt? Inwiefern schont das die Kritisierten?
Stefan Weber: Ich habe mich jahrelang in der Journalismusforschung mit der Konstruktion von Wirklichkeit beschäftigt und dazu mehrere Bücher geschrieben. Das Framing als „äußerst umstritten“ ist eine bewusste Konstruktion des linksgrünen Spiegel. Ich werde deshalb für eine gewisse, hoffentlich kleine Zielgruppe „äußerst umstritten“, weil der Spiegel es so geschrieben hat.
Er hat es nicht geschrieben, weil ich äußerst umstritten wäre. Der Spiegel-Journalist schreibt sich seine Wirklichkeit herbei. Das können Sie bei Humberto Maturana und anderen Konstruktivisten nachlesen.
Der Spiegel-Artikel verlinkt auf eine Meuchelstory über mich eines Alexander Kühn vom Spiegel, die mit Unwahrheiten nur so gespickt ist. Ich muss mit solchen Journalisten, die eigentlich Polit-Aktivisten sind, nicht reden. Florian Klenk aus Österreich ist genau derselbe Typ Journalist.
Lustig nur, dass das Medium Spiegel heißt, denn es hat damit nichts zu tun. Wie die angehängte Grafik deutlich zeigt, wurde ich zum Klassenfeind der Linken, als ich begann, Plagiatsvorwürfe nicht mehr nur gegen konservative Politiker zu erheben.
Vorher wurde ich von der Linkspresse geliebt, übrigens auch vom Spiegel, der mich vor langer Zeit als Kämpfer gegen Copy & Paste interviewt hatte.
Und ja, natürlich geht es bei alldem nur darum, vom Plagiatsvorwurf abzulenken, wenn er nicht ins politische Weltbild der Journalisten passt. Wie schaffe ich es am besten, den wahren Plagiatsvorwurf gegenüber Alexandra Föderl-Schmid aus den Schlagzeilen zu bringen? Na, indem ich den Aufdecker der Plagiate als sinistre Figur frame.
▶Beim Passus im Spiegel fällt auf, dass die Autoren von einem „fragwürdigen Plagiatsvorwurf“ schreiben, aber nur kurz darauf hinweisen, dass Sie keinen Plagiatsvorwurf erhoben, sondern von „gemeinsamen Textpassagen“ gesprochen haben. Wieso fallen solche Widersprüche nicht auf?
Stefan Weber: Der Plagiatsverdacht gegen Frauke Brosius-Gersdorf ist eine von drei – oder gar vier – Verdachtsmöglichkeiten. Die zweite, aber unwahrscheinlichere Möglichkeit ist, dass Herr Gersdorf von seiner Frau abgeschrieben hat.
Das wäre schon einigermaßen ungewöhnlich, dass ein Habilitand, der schon seit Jahren rechtswissenschaftlich arbeitet und publiziert, sich an der gerade im Entstehen befindlichen Dissertation seiner Ehefrau „vergreift“.
Die dritte Möglichkeit ist gemeinsame Quellenarbeit und gemeinsames Texten, dann hätten das beide aber in ihren jeweiligen Vorwörtern erklären müssen, da hier von eigenständiger Bearbeitung ausgegangen werden muss.
Die vierte Verdachtsmöglichkeit ist, dass Herr Gersdorf die Dissertation seiner Frau verfasst hat. Die will ich nur der Vollständigkeit halber auch erwähnt haben.
▶ Dennoch, Herr Weber, stellt sich hier auch die Frage, warum Sie die Vorwürfe einen Tag vor einer wichtigen Abstimmung im Bundestag publik machen. Werden Sie damit zum politischen Akteur? Ist das Ihr Ansinnen?
Stefan Weber: Natürlich bin ich jetzt ein politischer Akteur, aber im Sinne eines politisch denkenden Menschen. Ich habe im Zweitfach Politikwissenschaft studiert, ich war als Student bei einer roten und einer schwarzen Studentenvertretung.
Schon zu Studienzeiten fand ich beide absolut grauenhaft. Ich erinnere mich noch, wie hier Parteigelder verprasst und nicht benötigte Wahlkampf-Drucksorten wieder eingestampft wurden.
Das politische Tagesgeschäft hat mich dann über viele Jahre überhaupt nicht mehr interessiert, weder in Österreich noch in Deutschland. Das änderte der Plagiatsfall Annalena Baerbock im Jahr 2021 radikal.
Da sah ich plötzlich, dass Medien wie der Spiegel oder der Stern jemanden zur bestens geeigneten neuen Kanzlerin hochjazzen wollten, der sein Buch plagiiert hat, der jahrelang zuvor schon immer wieder Texte plagiiert und seinen Lebenslauf beschönigt hatte. Seitdem denke ich (wieder) politisch.
Und natürlich überprüfen mein Team und ich Personen, die aktuell im Fokus der Öffentlichkeit stehen, vorWahlentscheidungen. Wahlkundgebungen gibt es ja auch zur Entscheidungsfindung vor Wahlen und nicht danach.
Mit der Überprüfung der Dissertation von Frauke Brosius-Gersdorf haben wir erst am Mittwoch begonnen, daher der Schnellschuss am Donnerstag abends. Die Untersuchung hat also erst begonnen und wird in ungefähr zwei Wochen abgeschlossen sein. Wir finden ständig neue Stellen.