Geht es bei ARD und ZDF nur noch um Selbstdarstellung?

ARD-Logo-Zeichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der deutsche Fernsehsender "Das Erste". Bürogebäude außen in Bayern.

(Bild: Felix Geringswald / Shutterstock.com)

Junge Formate zeigen mehr Ich als Inhalt. Doch eine Studie warnt: Zu viel Selbst-Show kann echte Recherche und Infos verdrängen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist im Umbruch. Um auch in Zukunft für junge Menschen relevant zu bleiben, setzen ARD und ZDF vermehrt auf neue Reportage-Formate, die sich durch einen persönlichen, emotionalen Erzählstil auszeichnen.

Doch wie wirken sich diese subjektiven "Ich-Erzähler"-Formate auf die Qualität der Berichterstattung aus? Und erreichen sie wirklich die junge Zielgruppe? Eine aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung liefert Antworten.

Fünf Presenter-Reportagen unter der Lupe

Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen fünf Reportage-Formate des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die sich speziell an 14- bis 29-Jährige richten: VOLLBILD, exactly, Ultraviolett stories, Crisis – Hinter der Front und PULS Reportage. Sie alle eint der Ansatz, Themen aus einer sehr persönlichen Perspektive der Reporter zu erzählen.

Die Studie knüpft an eine frühere Analyse von funk-Formaten wie Y-Kollektiv und STRG_F an. Im Vergleich zu diesen "Vorgängern" gehen die neuen Reportagen noch einen Schritt weiter: Die Reporter stehen nicht nur als Erzähler im Mittelpunkt, sondern werden oft selbst zur Hauptquelle und zum zentralen Akteur der Geschichten.

Bruch mit klassischen Journalismus-Standards

Dieser radikal subjektive Ansatz bedeutet einen klaren Bruch mit traditionellen Prinzipien des Journalismus wie Objektivität, Neutralität und Distanz. Stattdessen stehen authentische Erlebnisse, persönliche Meinungen und emotionale Erfahrungsberichte im Vordergrund.

Für die junge Zielgruppe scheint genau das attraktiv zu sein. Die Formate wirken nahbar, glaubwürdig und schaffen Identifikationspotenzial. Gerade in Zeiten, in denen jeder seine Sicht auf die Dinge in sozialen Medien teilen kann, entsprechen klassische "Nachrichten von oben" nicht mehr den Erwartungen vieler junger Menschen.

Allerdings zeigt die Studie auch Grenzen dieses Ansatzes auf. Wenn die Perspektive des Reporters zu sehr in den Vordergrund rückt, kann der eigentliche Inhalt in den Hintergrund geraten. Manchmal entsteht der Eindruck eines "Selfie-Journalismus", bei dem es mehr um Selbstdarstellung als um Informationsvermittlung geht.

Auch inhaltlich gibt es Kritikpunkte: Investigative Recherchen oder das Einordnen von Ereignissen in größere Zusammenhänge kommen in den Ich-Reportagen oft zu kurz. Einige Formate wiederholen zudem Themen und Blickwinkel, sodass sie kein eigenständiges Profil entwickeln.

Anzeichen für Übersättigung

Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass die junge Zielgruppe langsam übersättigt sein könnte von den vielen ähnlichen "Ich-Formaten". Die Klickzahlen erreichen jedenfalls nicht die Dimensionen älterer funk-Reportagen.

Dennoch leisten Formate wie exactly oder Crisis einen wichtigen Beitrag, indem sie Perspektiven aus Ostdeutschland oder Krisenregionen abbilden, die sonst oft zu kurz kommen. Die Herausforderung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird sein, den schmalen Grat zwischen Authentizität und Selfie-Journalismus zu meistern – und dabei eine Balance zwischen persönlicher Nähe und informativer Distanz zu finden.

Denn so viel steht fest: Ein Zurück zu den alten, rein objektiven Reportage-Standards wird es nicht geben. Die "Ich-Erzähler" sind gekommen, um zu bleiben – sie müssen nur noch lernen, die richtigen Geschichten zu erzählen.