Medwedew: Bei Erfolg der Gegenoffensive droht globales nukleares Feuer

Der damalige russische Premierminister Dmitri Medwedew in der Staatsduma am 8. Mai 2018. Bild: Duma / CC BY 4.0
Der russische Ex-Präsident droht mit nuklearen Schlägen, sollte die Ukraine besetzte Gebiete zurückerobern. Derweil werden neue Angriffe auf russisches Territorium gemeldet. Warum die Drohungen ernst genommen werden sollten.
Erneut wurden am Sonntag ukrainischer Drohnenbeschuss auf Moskau und abgewehrte Angriffe auf die Krim vermeldet. Obwohl sich die Ukraine nicht zu den Angriffen bekannt hat, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoansprache:
Allmählich kehrt der Krieg auf das Territorium Russlands zurück – in seine symbolischen Zentren und Militärbasen. Das ist ein unvermeidlicher, natürlicher und absolut fairer Prozess.
Währenddessen droht der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew, derzeit stellvertretender Vorsitzender des nationalen Sicherheitsrates, mit einem Atomkrieg, falls die Gegenoffensive der Ukraine zur Abwehr russischer Invasoren und zur Rückgewinnung der von ihnen besetzten Gebiete erfolgreich sein sollte.
Nehmen wir einmal an, die von der Nato unterstützte Offensive wäre erfolgreich und sie würden einen Teil unseres Landes von uns abtrennen. Dann wären wir gezwungen, eine Atomwaffe gemäß der Verordnung des russischen Präsidenten einzusetzen
… schrieb Medwedew auf Telegram und bezog sich dabei auf das Dekret Nummer 305 des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der im Jahr 2020 unterzeichnete Präsidialerlass autorisiert den Einsatz von Atomwaffen im Zuge einer "Aggression gegen die Russische Föderation mit konventionellen Waffen, wenn die Existenz des Staates selbst bedroht ist".
"Es gäbe einfach keine andere Möglichkeit", fügte Medwedew hinzu, der von 2008 bis 2012 Präsident war. "Unsere Gegner sollten also für unsere Kämpfer beten. Sie sorgen dafür, dass ein globaler nuklearer Brand nicht entfacht wird."
Medwedew und andere hochrangige russische Beamte haben die Gefahr eines Atomkriegs bereits bei zahlreichen Gelegenheiten angesprochen, unter anderem als westliche Staaten der Ukraine Waffen lieferten. Im Januar warnte Medwedew, dass "die Niederlage einer Atommacht in einem konventionellen Krieg einen Atomkrieg auslösen kann" und "Atommächte noch nie große Konflikte verloren haben, von denen ihr Schicksal abhängt".
Im vergangenen Monat erklärte Putin, Russland habe mit der Stationierung taktischer Atomsprengköpfe im benachbarten Weißrussland begonnen, von wo aus russische Truppen in die Ukraine einmarschiert sind.
Die Drohungen werden im Westen nicht selten als leere Ankündigungen behandelt. So erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, die USA sähen "keinen Grund, unsere eigene nukleare Strategie anzupassen, und es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass Russland den Einsatz einer Atomwaffe vorbereitet".
Kleines "Restrisiko" oder gefährliches Spiel mit nuklearem Feuer?
Manche sehen zumindest ein "Restrisiko" für einen Atomschlag, wie es der Politikwissenschaftler Gerhard Mangott im Februar formulierte:
Ein Risiko dafür besteht, denke ich, vor allem bei ukrainischen Angriffen auf die Halbinsel Krim.
Andere haben auf den Widerspruch verwiesen, dass einerseits Putin und die russische Führung in Bezug auf die Ukraine-Invasion als verrückt, zu allem fähig, menschenverachtend und unberechenbar-irrational dargestellt werden, andererseits aber bei der Erörterung eines Szenarios, bei dem nukleare Waffen (darunter als erste Stufe die Verwendung von taktischen Atomwaffen) eingesetzt werden könnten, diese behaupteten Charakterzüge keine Rolle spielen – selbst wenn die Putin-Regierung in die Ecke gedrückt und die rote Linie einer Krim-Rückeroberung überschritten würde.
Im ukrainischen Militär scheint man sich weniger Illusionen hinzugeben. Im September letzten Jahres sagte der ukrainische Oberbefehlshaber, General Walerij Saluschnyj, gegenüber der Washington Post, dass russische Marschflugkörper im ganzen Land zuschlagen könnten, wenn der Krieg eskaliert, ohne Chance auf Vergeltung, und fügt hinzu, dass "ein begrenzter Atomkrieg nicht ausgeschlossen werden kann."
Von dort wäre man schnell bei einem totalen Atomkrieg. In einem Interview mit dem US-Intellektuellen Noam Chomsky warnt dieser vor dem Spielen mit dem nuklearen Feuer:
Vereinfacht ausgedrückt, beruht die Position der USA, dass der Krieg fortgesetzt werden muss, um Russland ernsthaft zu schwächen und Verhandlungen zu blockieren, auf einer recht bemerkenswerten Annahme: dass Putin angesichts seiner Niederlage seine Sachen packen und sich in sein bitteres Schicksal fügen und davonschleichen wird.