Manual für die Meinungsdiktatur: Die Taliban-Anleitung aus Kabul

Taliban-Mitglieder in Russland (das kürzlich die Talibanregierung anerkannt hat). Foto (2024): Alexey Smyshlyaev / shutterstock.com
Taliban in Afghanistan verschärfen Kontrolle über die Medien. Jeder politische Inhalt muss vorab genehmigt werden. Was dies für kritische Stimmen bedeutet, lässt Schlimmes befürchten.
Am Anfang der neuen Taliban-Herrschaft in Afghanistan, als die USA gerade abgezogen waren, hieß die Hoffnung, dass die "neuen Taliban" sich irgendwie besonnen hätten und nicht mehr die alten radikal-islamistischen Fundamentalisten sind, die von 1996 bis Ende 2001 ein albtraumhaft brutales Unterdrückungsregime von Kabul aus regierten.
Heute sieht es anders aus. Die Taliban waren geschickt in ihren diplomatischen Äußerungen, die Hoffnungen bestärkten, der Ursprung möglicherweise hauptsächlich von fromme Wünsche im Westen getragen waren. Man war daran gescheitert, mit den politischen Verhältnissen am Hindukusch zurechtzukommen.
Seit einiger Zeit zeigen die "neuen Taliban", dass sie die Politik der alten mit Updates weiterführen, genauso radikal-islamistisch. Die internationale Empörung ist realpolitisch nicht so wirksam, dass die neuen Herrscher in Kabul Grenzen ihrer radikalen Autoritätsausübung zu fürchten hätten.
Die totale Kontrolle
Man könnte gar so weit gehen zu behaupten, dass Afghanistan eine Art Labor dafür abgibt, wie weit eine Staatsführung derzeit schärfste Unterdrückungsregelungen forcieren kann. Jüngstes Beispiel – nachdem man über das "Tugendgesetz" bereits Frauen verboten hat, in der Öffentlichkeit ihre Stimme zu erheben – ist die neue Direktive des afghanischen Ministeriums für Information und Kultur zur politischen Information.
Afghanistans Medien brauchen jetzt eine Genehmigung der Taliban-Regierung für politische Inhalte, die die Pressefreiheit in dem Land massiv einschränkt. Wie das von den Taliban geführte Ministerium mitteilte, müssen Fernseh- und Radiosender künftig vorab eine Genehmigung einholen, wenn sie politische Inhalte ausstrahlen wollen.
Zudem braucht jeder Gast in Talkshows eine Sondererlaubnis des Ministeriums. Auch Print- und Online-Medien sind betroffen: Sie müssen täglich eine Liste mit den geplanten Themen einreichen. Alle Inhalte müssten im Einklang mit der Politik der Taliban stehen, hieß es. Bei Verstößen drohen Strafen bis hin zum Entzug der Sendelizenz.
"Staatliche Zensur in ihrer klarsten Form"
Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) äußerte auf der Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter) ihre tiefe Besorgnis über die neuen Vorschriften. Durch die restriktiven Maßnahmen werde zusätzliche Angst verbreitet, warnte die UNO-Mission. Außerdem werde Selbstzensur in den bereits eingeschränkten Medien wahrscheinlicher.
Die Taliban rechtfertigen die Beschränkungen als notwendig, um "islamische Prinzipien zu wahren" und die "nationale Einheit zu fördern". Journalisten und Pressevertreter sehen in den neuen Regeln "staatliche Zensur in ihrer klarsten Form".
Die Richtlinie mit dem Titel "Politik zur Verwaltung politischer Programme in Afghanistan" setzt strikte Kontrollen darüber, was gesagt werden darf, wer sprechen darf und wie politische Inhalte dargestellt werden – sowohl im Fernsehen und Radio als auch in Druckmedien und auf digitalen Plattformen.
Sender müssen täglich Themenvorschläge und Gästelisten bei einem neu geschaffenen Aufsichtskomitee für politische Programme einreichen. Selbst vorab genehmigte Redner müssen vor jedem Auftritt erneut autorisiert werden.
Analysten sind verpflichtet, Ausweise zu besitzen, die von der Taliban-Direktion für Rundfunkangelegenheiten ausgestellt werden. Sie dürfen keine Ansichten äußern, die der offiziellen Taliban-Politik widersprechen. Emotionale, sensationelle oder unbestätigte Kommentare sind verboten. Kritik an Beamten ist nur erlaubt, wenn sie "respektvoll" und rechtlich fundiert ist.
Systematische Politik
"Das ist keine Regulierung – das ist totale Kontrolle", sagte ein in Kabul ansässiger Journalist, der anonym bleiben wollte, laut der pakistanischen Frontier Post. "Politische Debatten wurden auf Taliban-zugelassene Monologe reduziert."
Seit ihrer Machtübernahme im August 2021 haben die Taliban unabhängige Medien in Afghanistan systematisch zerschlagen. Medienhäuser wurden geschlossen, Journalisten verhaftet und Frauen weitgehend aus der Branche verdrängt.
Afghanistan steht auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen bereits jetzt auf Platz 175 von 180 Ländern. Menschenrechtsorganisationen fordern die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf die Taliban auszuüben, die Einschränkungen rückgängig zu machen und die Meinungsfreiheit zu wahren. Doch bisher scheint das Regime entschlossen, den öffentlichen Diskurs zum Schweigen zu bringen.