Klimaparadox: Wie Chinas Umweltschutz den Planeten erwärmt

Abgase aus den Schornsteinen von Industriebetrieben haben die Erde gekühlt - doch China achtet jetzt auf Luftqualität.

(Bild: Kichigin / Shutterstock.com)

Chinas Kampf gegen Luftverschmutzung lässt die Erde schneller heißlaufen, so eine neue Studie. Der Grund ist überraschend.

Es klingt wie ein Widerspruch: Chinas Bemühungen für sauberere Luft sollen den Klimawandel beschleunigen. Doch genau das legt eine aktuelle Studie nahe. Demnach hat die starke Reduktion der Luftverschmutzung in China und anderen ostasiatischen Ländern seit 2010 messbar zur Beschleunigung der globalen Erwärmung beigetragen.

Wie schmutzige Luft das Klima kühlt

Der Grund: Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid wirken in der Atmosphäre wie winzige Sonnenschirme. Sie reflektieren einen Teil der einfallenden Sonnenstrahlung zurück ins All und kühlen so die Erdoberfläche. Besonders viele dieser kühlenden Aerosole stammten bisher aus den Schornsteinen von Chinas Kohlekraftwerken und Fabriken.

"Die Luftverschmutzung war so stark, dass sie die vom Menschen verursachte Erwärmung im letzten Jahrhundert um bis zu 0,5 °C gebremst hat", schreiben die Studienautoren Laura Wilcox und Bjørn H. Samset auf The Conversation.

Doch dieser künstliche Sonnenschutz schwindet nun, da China die Luftqualität verbessert. "Mit der Beseitigung der Luftverschmutzung, die für die menschliche Gesundheit von entscheidender Bedeutung ist, wird dieser künstliche Sonnenschutz entfernt", so die Forscher.

Veröffentlicht wurde die Studie im Fachmagazin Nature Communications Earth & Environment.

Computermodelle zeigen zusätzliche Erwärmung durch sauberere Luft

Um den Effekt zu quantifizieren, führten die Wissenschaftler aufwendige Computermodellierungen durch. Sie simulierten eine Reinigung der Luftverschmutzung, ähnlich wie sie seit 2010 in der Realität stattgefunden hat. Das Ergebnis: Allein durch diesen Faktor stieg die globale Durchschnittstemperatur um zusätzliche 0,07 Grad Celsius an.

Das mag nach wenig klingen, erklärt aber einen Großteil der beobachteten Erwärmungsbeschleunigung in den vergangenen Jahren. Während aufgrund der langfristigen Trends seit 2010 ein Anstieg von 0,23 Grad Celsius zu erwarten gewesen wäre, maßen die Forscher tatsächlich rund 0,33 Grad Celsius. Die Differenz geht zu einem wesentlichen Teil auf das Konto der ostasiatischen Luftreinhaltung.

Die Modellierungen liefern auch eine Erklärung für die überproportional starke Erwärmung im Nordpazifik. Normalerweise weht der Wind viel Luftverschmutzung von China aufs Meer hinaus. Dort macht der Smog die Wolken heller, sodass sie mehr Sonnenlicht ins All zurückwerfen. Nimmt die Luftverschmutzung ab, fällt dieser kühlende Effekt weg – die Meeresoberfläche heizt sich auf. Genau dieses Muster zeigen Satellitenbeobachtungen.

Klimaschutz bleibt dringende Aufgabe

Heißt das, wir sollten die Luftverschmutzung beibehalten, um die Erderwärmung zu bremsen? Nein, betonen die Forscher. Schließlich koste der Smog jährlich Millionen Menschen das Leben. Vielmehr gelte es, die Treibhausgasemissionen umso entschiedener zu reduzieren.

"Die Hauptursache für die globale Erwärmung sind nach wie vor die Treibhausgasemissionen", stellen sie klar. Die sauberere Luft habe keine zusätzliche Erwärmung verursacht, sondern eine künstliche Abkühlung beseitigt. Dieser Schleier habe die Welt zeitweilig vor einigen Folgen des Klimawandels geschützt – doch er war trügerisch.

Immerhin könnte der entlarvende Effekt nur vorübergehend sein, hoffen die Wissenschaftler. Denn anders als das langlebige Kohlendioxid verschwinden Luftschadstoffe schnell aus der Atmosphäre, sobald die Emissionen nachlassen. Die jüngst schneller werdende Erwärmung wäre dann eine Art Einmaleffekt – sofern der Ausstoß von Treibhausgasen nicht weiter steigt.