Gelbhaar-Blamage des RBB: Was kostet ein journalistischer Totalausfall?

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In der Causa Gelbhaar angeblich zwischen 400.000 und 900.000 Euro. Die Summe ist nur die halbe Wahrheit. Ein Versicherer soll größere Anteile übernehmen. Analyse und Kommentar.
Die Blamage des RBB im Fall Gelbhaar ist außerordentlich. Für manche ist der Fall einer der "größten Medienskandale der Bundesrepublik".
Eine der größten Fragen, die sich in den vergangenen Tagen zur journalistischen Bauchlandung des Senders auftat, war, wie hoch die Entschädigung, vulgo das "Schmerzensgeld", ausfällt, das der RBB an den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar zu zahlen hat.
Wie berichtet, haben sich der Sender und der von der blamabel fehlerhaften Berichterstattung betroffene Politiker, der dadurch größte Nachteile in seiner Karriere erfuhr, außergerichtlich auf eine Entschädigungszahlung geeinigt. Die Höhe sollte indessen geheim bleiben.
Empörung beim Rundfunkrat
Die Geheimhaltung sollte sogar für die Mitglieder des Rundfunkrats gelten. Das ist das Aufsichtsgremium. Zumindest offiziell galt die Geheimhaltung, wie aus Berichten des Springer-Verlags (Bild und BZ) hervorgeht: "RBB verschweigt Aufsehern die Gelbhaar-Entschädigung". Entsprechend groß war anscheinend die Empörung.
Wie jedoch schon dem Kurzbericht zu den Untersuchungsergebnissen in der Causa Gelbhaar von Deloitte zu entnehmen war, verfügt ein anderes Medium des Springer-Verlags, Business Insider, über gute vertrauliche Drähte zu Insidern.
Insider nennen Summe und ein anderes Geheimnis
Während sich also Bild-Zeitung und BZ um die Aufregung über die Geheimhaltung kümmerte, veröffentlichte Business Insider die Entschädigungssumme aufgrund seiner guten Verbindungen: So viel Geld zahlte der Sender an Ex-Bundestagspolitiker Stefan Gelbhaar, nämlich, wie man ohne Zahlschranke hier erfahren kann: Gelbhaar erhalte insgesamt rund 400.000 Euro Entschädigung. Er forderte zunächst 1,7 Millionen Euro.
Erfahren hatte Business Insider, wie dessen Bericht offenlegt, die Summe "von mehreren mit dem Fall vertrauten Personen". Doch damit nicht genug der Geheimnisse, die zutage kommen. So heißt es, dass der Betrag nicht vollständig vom Sender übernommen wurde – erstmal eine gute Nachricht für die Gebührenzahler – sondern lediglich 100.000 Euro sollen aus dem Topf mit den Rundfunkgebühren stammen.
Das Geld sei vom Sender bereits Anfang Juli überwiesen worden. Den Rest, "knapp 300.000 Euro" soll laut Informationen des Mediums angeblich "eine Versicherung des Senders" zahlen.
Im Laufe des heutigen Vormittags überraschte dann ein Bericht der Berliner Zeitung mit einer weitaus höhere Summe.
Nach Informationen der Berliner Zeitung zahlt der RBB 900.000 Euro an Stefan Gelbhaar. 500.000 Euro davon sind Schmerzensgeld, 400.000 Euro sind Verdienstausfälle Gelbhaars (z.B. als Mitglied des Bundestags).
Quellen für diese Zahlen werden nicht genannt. Es gibt nicht einmal den Verweis auf Insider, also: mit "der Sache vertraute Personen". Es heißt lediglich, dass beide Parteien auf Nachfrage der Zeitung auf das vereinbarte Stillschweigen verweisen.
Wer versichert gegen grobe journalistische Fehler?
Diese Nachrichten überraschen und sie werfen ein paar Fragen auf. Was für ein Durcheinander herrscht beim RBB? Gibt es nicht einmal intern auf höherer Ebene Klarheit über die Zahlungen an Gelbhaar?
Und: Was genau wird hier eigentlich versichert – Unfähigkeit? Welche Versicherung tritt in einem solchen Fall für eine Entschädigung ein? Eine Haftpflichtversicherung für Sender oder für Redakteure?
Wie kommt es, dass die Summe aufgeteilt wird – ein interner Deal? Wie ist Haftpflicht in journalistischen Fällen geregelt, wenn der geschätzt 60.000 Euro teure Fehlerbericht der Unternehmensberatung Deloitte zur Causa Indizien für eine Fahrlässigkeit erkennen lässt, die möglicherweise als "grob" einzustufen sind?
Die Berliner Zeitung schlägt über diesen Aspekt der Causa einen vorsichtigen Ton an:
Wer am Ende genau für den Schadenersatz aufkommt, ist unklar. Laut der B.Z. verweigert der RBB auch die Auskunft darüber, in welchem Rahmen die Versicherung des Senders einspringt.
"Offiziell wollen sich weder Gelbhaar noch der Sender zum Vergleich äußern", liest man im Business Insider – und nicht nur dort, worauf die Nachfrage der der Berliner Zeitung verweist Auch der RBB selbst verkündete in "eigener Sache", dass beide Parteien über den konkreten Inhalt des Vergleichs Stillschweigen vereinbart haben.
Kuratierte Öffentlichkeitsarbeit
Man könnte auch sagen: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bleibt sich auch bei diesem Sender der Maxime der kuratierten Transparenz treu. Verraten wird nur so viel, wie man denkt, dass es der Öffentlichkeit zuzumuten ist.
Der Chefredakteur, der in der Sache laut Untersuchungsbericht, alles andere als eine gute, vorbildliche Figur abgab, auf Druck zurücktrat und einen Posten mit sehr viel Verantwortung bekam – "Leiter der mächtigen Hauptabteilung Programmressourcen" (Business Insider) – sprach zu seiner Rolle im Geschehen vom Konzept einer "delegierten Verantwortung".
Analog dazu delegiert der Sender seine Verantwortung für Transparenz gegenüber den Beitragszahlern an eine kuratierende höhere Mission: "Nur sagen, was einigermaßen bekömmlich erscheint."