Diversity-Fassaden bröckeln: Wenn Unternehmen nur Schein-Vielfalt bieten

Männer und Frauen aus verschiedenen Ländern in einem Team - das Ideal im Diversity Management

(Bild: fizkes / Shutterstock.com)

Viele Firmen werben mit Vielfalt, doch hinter der Fassade sieht es oft anders aus. Warum Diversity mehr als bunte Bilder braucht.

US-Präsident Donald Trump ist auf einem Feldzug gegen Antidiskriminierung, Gleichberechtigung und Inklusion – und das wirkt sich auf die Wirtschaft aus. Kurz nach seinem Amtsantritt verkündete etwa SAP eine Änderung seiner Personalpolitik.

Das globale Ziel von 40 Prozent Frauenanteil in den Führungspositionen wird nicht weiterverfolgt. Europas größtes Software-Unternehmen steht damit nicht allein da. Die Zahl der US-Unternehmen, die auf Diversity-Management verzichten, nimmt zu. Dazu zählen große Player wie McDonalds, Microsoft oder Meta.

SAP wird für sein Vorgehen kritisiert. Die ver.di-Betriebsgruppe "upgrade" ist "entsetzt über diesen vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Trump-Administration". "Die ver.di-Aktiven in der SAP haben in der Vergangenheit wiederholt auf die Missstände in der Geschlechtergerechtigkeit hingewiesen und befürchten nun einen deutlichen Rückschritt, was die Karrierechancen von Frauen betrifft", sagt ver.di-Bundesvorstand Christoph Schmitz-Dethlefsen.

SAP fährt Management der Vielfalt zurück

Diversity Management kann übersetzt werden mit "Management der Vielfalt". Diese Programme sollen deutlich machen, dass Unternehmen diskriminierende Strukturen abbauen und Vielfalt fördern wollen.

"Lange förderte das Software-Unternehmen die Gleichstellung. Nun fügt es sich den gegenteiligen Wünschen des US-Präsidenten. All die Versprechen waren also nichts wert", kritisiert die Süddeutsche Zeitung in einem Kommentar das Vorgehen des SAP-Vorstandes.

"Es ist enttäuschend, wie schnell eigene Unternehmenswerte über den Haufen geworfen werden, wenn wirtschaftlicher Druck drohen könnte", bemängelt Sina Rosenkranz, Südwestrundfunk (SWR).

Die Kritik übersieht, warum Unternehmen derartige Programme öffentlichkeitswirksam initiieren. Einerseits soll die "Arbeitgeber-Marke" gestärkt und Bewerbern gegenüber ein modernes Image aufgebaut werden. Andererseits richten sich die Aktivitäten an Kunden, denen die Firma als fortschrittlich dargestellt werden soll.

Eine Regenbogenfahne vor Supermarkt oder Werkshalle hält Unternehmen jedoch nicht davon ab, Beschäftigte zu benachteiligen. Schwerbehinderte Menschen werden bei Beförderungen übergangen, Bewerber mit Migrationshintergrund bei Bewerbungen aussortiert. Tarifverträge werden verweigert, da die in Tarifgruppen beschriebenen Kriterien für Transparenz sorgen und betroffenen Beschäftigten bessere Handlungsmöglichkeiten gegen Benachteiligung bieten.

"Vor allem Diskriminierungen von Frauen spielen eine herausgehobene Rolle, beispielsweise werden sie oftmals schlechter bezahlt als männliche Kollegen oder werden wegen einer Schwangerschaft oder Elternzeit schlechter behandelt", meldet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Noch immer verdienen Frauen weniger als Männer - im vergangenen Jahr waren es 4,10 Euro pro Stunde weniger.

Diversity Management als Fassade

Eine große Enttäuschung sind Diversity-Programme der Unternehmen für alle Beteiligten, hat die Sozialpsychologin Johanna Degen bereits vor Jahren festgestellt. Diversity Management hat seinen Ursprung in den Bürgerrechtsbewegungen der 1950er-Jahre in den USA. Damals kämpften benachteiligte Menschen für ihre Rechte und gegen Diskriminierung und soziale Benachteiligung.

Dieser Widerstand von unten führte unter anderem zum Civil Rights Act, schildert Degen in ihrem Buch "Unmasking Diversity Management - Die kapitalistische Einverleibung von Subjekt, Moral und Widerstand?". Diversity ist danach ein Wert an sich. Das Ziel ist eine gerechtere Welt.

Im Betrieb sieht es anders aus: Dort erfolgt Diversity-Management von oben. Unternehmen verknüpfen damit betriebswirtschaftliche Ziele. Bei Degen heißt es dazu:

Am häufigsten ist die Business-Case-Perspektive: Diversity soll sich bezahlt machen", berichtet Degen. Zum Beispiel stellen Firmen Personen mit Migrationshintergrund ein, um neue Märkte zu erschließen. Oder es gibt Quotenregelungen. "Man verordnet zum Beispiel eine Quote, aber man legitimiert diese dadurch, indem man betont, dass die Quote die Business Performance verbessert.

In manchen Fällen werden Diversity-Konzepte zur reinen Fassade.

Dann werden Internetauftritte visuell divers dargestellt und das Wording wird inklusiv, aber mehr passiert nicht. Ähnlich wie beim Greenwashing schmückt man sich mit ethischen Motiven, die aber nach innen nicht gelebt werden. Angestellte wittern trotzdem oft, dass sie es mit faulem Zauber zu tun haben – und das wirkt sich auf ihr Vertrauen, ihre Loyalität, ihre Zufriedenheit und Performance aus, und zwar negativ.

Warnungen an SAP gibt es aber auch aus ökonomischer Sicht. "Keinen Bock mehr auf Diversity? Das wird teuer!", warnt Ana-Cristina Grohnert die Unternehmen.

Jetzige Einsparungen in diesem Bereich bedeuten langfristige Nachteile. Diversity sei ein "Standortfaktor". "In der klassischen Wirtschaftslehre gilt die Rohstoffversorgung als Standortfaktor. Aber die Rohstoffe der Vergangenheit sind nicht die Rohstoffe der Zukunft. Die Rohstoffe der Zukunft sind Ideen, Gedanken und Wissen. Je vielfältiger sie sind, desto umfassender", so das ehemalige Personalvorstandsmitglied der Allianz Versicherung.