Die wahren Irren: So naiv ist Europas Reaktion auf Trumps Strategie

Karnevalswagen in Düsseldorf: Wer steht am Ende als Arsch da? Bild: Ewa Studio/ Shutterstock.com
Die deutschen Medien zeichneten ein düsteres Bild des US-Präsidenten. Seine scheinbar erratischen Handlungen folgten jedoch einem Plan. Wie sehr haben wir uns täuschen lassen?
Donald Trump galt in deutschen Medien lange Zeit als unberechenbar, irrational und sogar gefährlich. Leitmedien wie der Spiegel, die ARD oder der Stern zeichneten das Bild eines Mannes, der scheinbar zu allem fähig ist – ein "Held der Irrationalität" (Spiegel Online), ein "Teufel" (The European) oder ein "Brandstifter" (Spiegel).
Trump wurde als Bedrohung für die Weltordnung dargestellt, als jemand, der mit seinem erratischen Verhalten die transatlantischen Beziehungen gefährdet. Doch hat die deutsche Öffentlichkeit Trump damit völlig falsch eingeschätzt? Hat sie seine Strategie der Unberechenbarkeit als Schwäche missverstanden, statt als kalkulierte Taktik?
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Fakt ist: Trump nutzte die sogenannte Madman Theory, um außenpolitische Ziele durchzusetzen. Die Theorie besagt, dass ein Staatsführer seinen Gegner durch unberechenbares, scheinbar irrationales Verhalten unter Druck setzen kann.
Indem er den Eindruck erweckt, zu allem fähig zu sein, zwingt er sein Gegenüber zu Zugeständnissen. Der Nuklearstratege Herman Kahn beschrieb dieses Konzept bereits 1962 in seinem Buch "Thinking About the Unthinkable". Kahn warnte, dass Staatsführer sich dieser Taktik bedienen könnten, um Gegner einzuschüchtern und zu Kompromissen zu zwingen.
Zentralisierte Außenpolitik
Genau das tat Trump mit Erfolg, wie der Politikwissenschaftler Peter Trubowitz analysiert: Trump habe eine hochgradig zentralisierte außenpolitische Entscheidungsfindung aufgebaut, die stark von seinem Charakter, seinen Vorlieben und seinem Temperament abhänge. Trump inszeniere sich als unberechenbarer Akteur, der vor nichts zurückschreckt.
Er drohte damit, Länder wie Kanada oder Dänemark zu annektieren, stellte die Nato-Bündnistreue der USA infrage und kündigte an, im Zweifelsfall militärisch gegen den Iran vorzugehen. All das diente einem Ziel: die Gegenseite zu verunsichern und zu Zugeständnissen zu bewegen.
Unberechenbarkeit als Markenzeichen
Die Unberechenbarkeit wurde zu Trumps Markenzeichen und strategischem Kapital. In deutschen Medien verfestigte sich das Bild eines irrationalen Hasardeurs, der die Welt ins Chaos stürzt. Der Spiegel titelte "Der Feuerteufel" und erklärte Trump für "ungeeignet, Präsident der Vereinigten Staaten zu sein".
Die ARD widmete einen Großteil ihrer Berichterstattung der Frage, ob Trump überhaupt "amtsfähig" sei. Laut einer Harvard-Studie sollten 98 Prozent der ARD-Berichte über Trump zetweise negativ gewesen sein.
Andere Medien wie der Stern oder die Tagesschau griffen Trumps Äußerungen begierig auf, um ihn als unzurechnungsfähig darzustellen. Die Studie ist zwar umstritten, die Tendenz ist aber nicht von der Hand zu weisen.
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Ein Paradebeispiel dafür ist Trumps Drohung eines "Blutbads", sollte er die Wahl verlieren. Deutsche Medien interpretierten dies als Aufruf zur Gewalt und Beleg für Trumps Irrationalität.
Tatsächlich bezog sich Trump jedoch auf wirtschaftliche Konsequenzen, nicht auf politische Unruhen. Die verzerrte Darstellung passte ins Bild des unberechenbaren Irren, das hierzulande von Trump gezeichnet wurde. Doch wer genau hinsah, konnte erkennen, dass hinter Trumps Verhalten Methode steckte.
Kein Irrer, ein Taktiker
Trump ist kein Irrer, sondern ein gerissener Taktiker. Mit seiner Unberechenbarkeit brachte er Verbündete wie Deutschland dazu, ihre Verteidigungsausgaben drastisch zu erhöhen. Beim Nato-Gipfel in Den Haag stimmten alle Mitglieder einer Erhöhung auf fünf Prozent des BIP zu – ein Erfolg, den Trump medienwirksam für sich verbuchen konnte.
Zugleich schürte er gezielt Zweifel an der Bündnistreue der USA und brachte die Europäer dazu, mehr Verantwortung zu übernehmen. Bundeskanzler Friedrich Merz forderte prompt eine größere Unabhängigkeit von den USA.
Ruttes Unterwürfigkeit
Deutsche Politiker fielen auf Trumps Spiel herein, wie die geleakten Textnachrichten von Nato-Generalsekretär Mark Rutte zeigen. In unterwürfigem Ton gratulierte er "Dear Donald" zu dessen Iran-Politik und lobte ihn über den grünen Klee. Trump lachte sich ins Fäustchen, Rutte blamierte sich nach Strich und Faden
Auch andere Spitzenpolitiker ließen sich von Trumps Unberechenbarkeit beeindrucken. Norbert Röttgen (CDU) sprach angesichts von Trumps Verhalten von "großem Bedauern", Annalena Baerbock fand es "vollkommen absurd". Doch damit lagen sie einem Trugschluss auf: Trump ist kein Verrückter, er spielt einen.
Vergleich zu früheren Präsidenten
Das zeigt sich auch im Vergleich zu früheren US-Präsidenten, die ähnliche Taktiken anwandten. Richard Nixon setzte 1969 im Vietnamkrieg auf die Madman-Theorie, um die Sowjetunion und Nordvietnam zu Zugeständnissen zu bewegen. "Ich will, dass die Nordvietnamesen glauben, ich sei an einem Punkt angelangt, an dem ich alles tun würde, um den Krieg zu beenden", sagte er seinem Stabschef H. R. Haldeman.
Doch im Gegensatz zu Trump war Nixon ein erfahrener Außenpolitiker, der seine "irrationalen" Schritte genau kalkulierte. Er wusste, wen er vor sich hatte und wie sein Gegenüber reagieren würde.
Was ist Trumps Persönlichkeit, was ist Theater?
Bei Trump hingegen scheint die Unberechenbarkeit Teil seiner Persönlichkeit zu sein. Er ist kein kühl kalkulierender Stratege, sondern ein impulsiver Machtmensch.
Das birgt Risiken, wie die Reaktionen auf Trumps Luftangriffe im Iran zeigen. Statt einzulenken, könnte das Regime in Teheran nun erst recht nach Atomwaffen streben, warnt der Politikwissenschaftler Michael Desch: "Die Iraner werden verzweifelt das Bedürfnis verspüren, die ultimative Abschreckung zu erlangen." Trumps Unberechenbarkeit ist ein zweischneidiges Schwert.
Dennoch war Trumps Madman-Strategie im Umgang mit Verbündeten erfolgreich. Er hat es geschafft, die Machtverhältnisse im transatlantischen Bündnis neu zu justieren. Europa muss nun die Konsequenzen tragen und mehr Eigenständigkeit entwickeln. Das fordert auch der ehemalige britische Außenminister William Hague: "Die europäischen Verbündeten werden sich nicht mehr darauf verlassen können, dass Amerika in Zukunft bereit ist, ihre Verteidigung zu übernehmen."
Deutsche Medien und Politiker haben Trump als irrationalen Akteur porträtiert und damit seine Strategie missverstanden. Sie sind seiner Unberechenbarkeit auf den Leim gegangen, statt sie als das zu sehen, was sie ist: ein Mittel zum Zweck. Trumps Madman-Theorie hat die transatlantischen Beziehungen nachhaltig verändert. Europa muss nun die Konsequenzen tragen und mehr Eigenständigkeit entwickeln. Trump mag unberechenbar sein, aber er ist kein Verrückter. Er ist ein Taktierer, der die Medien und seine Gegner geschickt zu seinen Gunsten einzuspannen weiß. Diese Lektion sollte sich Deutschland zu Herzen nehmen.
Denn eins ist klar: Trumps Erbe wird bleiben, auch wenn er selbst nicht mehr im Amt ist. Die Verunsicherung, die er gesät hat, wird nachwirken. Das transatlantische Verhältnis hat sich grundlegend gewandelt. Europa kann sich nicht länger darauf verlassen, dass Amerika bedingungslos für seine Sicherheit eintritt. Es muss mehr Verantwortung übernehmen, militärisch wie politisch. Das erfordert ein Umdenken auf beiden Seiten des Atlantiks.
Für Deutschland bedeutet das vor allem eins: Es muss seine außenpolitische Zurückhaltung ablegen und eine aktivere Rolle in der Welt spielen. Das gilt nicht nur für die Verteidigungspolitik, sondern auch für Handel, Klimaschutz und Diplomatie. In einer Welt, in der die USA unter Trump einen Kurs der Unberechenbarkeit eingeschlagen haben, muss Europa zum Stabilitätsanker werden. Dafür braucht es Mut, Entschlossenheit und strategisches Denken. Eigenschaften, die Trump meisterhaft für sich zu nutzen wusste – und die nun auch Europa an den Tag legen muss.