Deutschland: Panzer für 100 Milliarden – und keiner rechnet nach

Leopard-2A6-Panzer beim Schuss.

Ein Leopard 2A6 beim Schuss. 7th Army Training Command from Grafenwoehr, Germany - Strong Europe Tank Challenge 2018. Bild: U.S. Army Photo by Kevin S. Abel

Deutschlands Rüstungsausgaben steigen rasant. Bloomberg nennt 25 Milliarden für neue Panzer. Doch das ist nur der Anfang. Eine Einschätzung.

Deutschland bereitet die größte Panzerbestellung seiner Geschichte vor. Wie Bloomberg aktuell berichtet, erwägt die Bundesregierung den Kauf von bis zu 2.500 gepanzerten Kampffahrzeugen und bis zu 1.000 Kampfpanzern.

Der Gesamtwert der Bestellung soll nach Angaben von mit der Sache vertrauten Personen bis zu 25 Milliarden Euro betragen.

Die Fahrzeuge und Panzer sollen demnach sieben Kampfbrigaden ausrüsten, die Deutschland der Nato innerhalb des nächsten Jahrzehnts zur Verfügung stellen soll. Konkret geht es laut Bloomberg um bis zu 1.000 Leopard-2-Kampfpanzer und bis zu 2.500 GTK Boxer gepanzerte Kampffahrzeuge.

Die Hersteller sind KDNS (Fusion von Krauss-Maffei Wegmann und Nexter) und Rheinmetall, die Bestellung könnte in den kommenden Monaten finalisiert werden.

Die große deutsche Panzerbestellung – eine Kostenrechnung

25 Milliarden Euro – so beziffert Bloomberg die geplante deutsche Panzerbestellung. Ein Blick auf die realen Marktpreise zeigt allerdings: Diese Summe kann nicht stimmen. Deutschland plant vermutlich 60 bis 75 Milliarden Euro nur für Panzer – ein Vielfaches der Bloomberg-Schätzung.

Leopard-Panzer

Im Oktober unterzeichnete das Bundeswehrbeschaffungsamt einen Rahmenvertrag für 18 Leopard 2A8 zum Preis von 525,6 Millionen Euro, wie das Fachmagazin Europäische Sicherheit & Technik berichtete. Das entspricht einem Stückpreis von 29,2 Millionen Euro pro Panzer. Für weitere 105 Leopard 2A8 sind optional 2,4 Milliarden Euro vorgesehen – ein Preis von 22,9 Millionen Euro je Fahrzeug.

Rechnet man mit einem konservativen Durchschnittspreis von 25 Millionen Euro pro Leopard 2, ergeben sich für 1.000 Panzer bereits 25 Milliarden Euro – die komplette Bloomberg-Summe, ohne einen einzigen Boxer.

GTK Boxer

Beim GTK Boxer zeigt sich ein Bild extremer Preisunterschiede. Nach Wikipedia-Angaben kostet die Standardversion zwischen vier und neun Millionen Euro, je nach Konfiguration. Doch der Bundesrechnungshof warnte bereits vor drastischen Preisaufschlägen: 123 Boxer-Varianten für das deutsche Heer sollen 2,69 Milliarden Euro kosten – 21,87 Millionen Euro pro Fahrzeug, berichtete der Spiegel im Februar 2024.

International zeigen sich ähnliche Preissprünge. Australien zahlt für 211 Boxer rund 25 Millionen Dollar pro Fahrzeug, wie das australische Fachmagazin Defence Connect analysierte.

Großbritannien hingegen kündigte den Kauf von über 500 Boxern für 5,2 Milliarden Dollar an – scheinbar nur zehn Millionen Dollar pro Stück. Doch diese Zahl täuscht: Die britischen Gesamtkosten über 30 Jahre liegen nach Regierungsangaben bei über zehn Milliarden Dollar.

Bei einem angenommenen Preis von 15 bis 20 Millionen Euro pro Boxer würden 2.500 Fahrzeuge zwischen 37,5 und 50 Milliarden Euro kosten. Eine überschlägige Kalkulation auf Basis öffentlich bekannter Beschaffungspreise ergibt damit rund 60 bis 75 Milliarden Euro für die Gesamtbestellung – das Doppelte bis Dreifache der Bloomberg-Schätzung.

Luftverteidigung als weiterer Kostentreiber

Parallel zur Panzerbestellung plant Deutschland den massiven Ausbau seiner Luftverteidigungskapazitäten. Die Bundeswehr benötigt nach Angaben des Fachmagazins hartpunkt 500 bis 600 Flugabwehr-Kanonenpanzer vom Typ Skyranger für alle Teilstreitkräfte.

Der erste Beschaffungsvertrag zeigt die Kostendimension: 19 Skyranger-Systeme kosten 595 Millionen Euro, wie Augen geradeaus! im Februar berichtete. Das entspricht 31,3 Millionen Euro pro System. Diese deutschen Systeme basieren auf dem Boxer-Radfahrzeug.

Die Niederlande zahlen für 22 Skyranger-Systeme sogar 1,3 Milliarden Euro – 59,1 Millionen Euro pro Einheit, meldete The Defense Post. Der drastische Preisunterschied erklärt sich durch die unterschiedliche Fahrzeugbasis: Die niederländischen Systeme werden auf ein gepanzertes Kettenfahrzeug von Flensburger Fahrzeugbau montiert.

Bei 550 geplanten deutschen Systemen zum deutschen Preisniveau ergeben sich 17,2 Milliarden Euro.

Extrem Hi-Fi: Kopfhörer für 13.800 Euro

Die extremen Rüstungspreise zeigen sich nicht nur bei Panzern und Luftabwehrsystemen. Der Bundesrechnungshof kritisierte bereits einen anderen geplanten Auftrag: 203.000 Gehörschutzkopfhörer mit Sprechfunktion für rund 2,8 Milliarden Euro, berichtete der Spiegel.

Das entspricht 13.793 Euro pro Kopfhörer – für ein Gerät, das in vergleichbarer ziviler Ausführung einige hundert Euro kostet. Selbst hochwertige taktische Funkheadsets bewegen sich typischerweise im niedrigen vierstelligen Bereich.

Zum Vergleich: Militärische Headset wie das TEA Hi-Threat Tier 1 – ein Over-the-Ear-System mit aktivem Gehörschutz, Noise Cancelling, Mikrofonarm und Helmanbindung – wiegen rund 300 Gramm und kosten im zivilen Handel unter 200 Euro, je nach Konfiguration.

Selbst wenn man ein solches Gerät komplett aus purem Gold fertigen würde, käme man bei einem Goldpreis von 90,46 Euro pro Gramm auf einen Materialwert von etwas über 27.000 Euro.

Der vom Verteidigungsministerium geplante Preis von 13.793 Euro pro Stück entspräche also etwa der Hälfte eines Kopfhörers aus reinem Gold – eine Zahl, die selbst bei großzügiger Auslegung für Stirnrunzeln sorgt.

Wie bei anderen Rüstungsprojekten stellt sich die Frage: Handelt es sich um systematische Verschwendung oder werden unter harmlosen Bezeichnungen hochkomplexe militärische Systeme beschafft?

Die Parallelen zur historischen "schwarzen Reichswehr" drängen sich auf – damals wurden ebenfalls zivil klingende Projekte zur verdeckten Aufrüstung genutzt. Möglicherweise und spekulativ verbergen sich hinter den "Gehörschutzkopfhörern" moderne Kommunikations- und Aufklärungssysteme, deren wahre Funktionen aus Geheimhaltungsgründen nicht öffentlich genannt werden können – reine Spekulation, die aber angesichts des absurden Preises gerechtfertigt ist.

Europas Panzer-Wettlauf

Deutschland steht mit seinen Rüstungsplänen nicht allein. Ganz Europa rüstet massiv auf - und die Zahlen zeigen ein Wettrüsten in Milliardenhöhe.

Polen führt den europäischen Panzer-Boom an. Das Land hat gerade einen Deal über 180 südkoreanische K2-Panzer für sechs Milliarden Dollar finalisiert, berichtete Military Watch Magazine vor wenigen Tagen. Mit 33,3 Millionen Dollar pro Panzer zahlt Polen sogar mehr als Deutschland für seine Leopard-2. Insgesamt plant Polen die Beschaffung von geschätzten 1.000 K2-Panzern - eine Investition von über 30 Milliarden Dollar.

Italien folgt mit einem 23-Milliarden-Euro-Programm. Das deutsch-italienische Joint Venture Leonardo Rheinmetall Military Vehicles soll bis 2035 insgesamt 132 Panther-Kampfpanzer für acht Milliarden Euro und 1.050 Lynx-Fahrzeuge für 15 Milliarden Euro liefern, meldete Europäische Sicherheit & Technik im Oktober.

Auch andere Nato-Länder rüsten auf: Die Türkei plant rund 1.000 K2-Panzer von Südkorea in einer regionalen Variante in Lizenz zu fertigen. Tschechien kündigte bereits Interesse an 70 deutschen Leopard 2A8 an. Litauen, die Niederlande und weitere osteuropäische NATO-Staaten prüfen ebenfalls Großbestellungen.

Die neue europäische Panzerentwicklung

Parallel zur Beschaffung entstehen mehrere konkurrierende europäische Panzerentwicklungsprojekte. Das MARTE-Projekt (Main ARmoured Tank of Europe) startete im Dezember 2024 mit 20 Millionen Euro EU-Förderung und Unterstützung von elf Verteidigungsministerien, berichtete Soldat und Technik.

Unter deutscher Führung entwickeln KNDS und Rheinmetall gemeinsam mit Partnern aus elf Ländern einen neuen europäischen Kampfpanzer. Bemerkenswert: Frankreich fehlt im MARTE-Konsortium. Das Land arbeitet parallel mit Deutschland am konkurrierenden MGCS-Projekt (Main Ground Combat System).

Der Panther KF51 von Rheinmetall bildet bereits die Basis für Italiens neuen Kampfpanzer.

KNDS stellte zusätzlich den Leopard-2-A-RC 3.0 als Brückentechnologie vor. Der Panzer mit unbemannte Turm-Technologie könnte als Erprobungsfahrzeug für die MGCS-Kanonenwahl dienen, analysierte hartpunkt.

Industrieller Umbau: Von Friedens- zur Kriegsproduktion

Das behauptete Bestellvolumen würde die europäische Rüstungsindustrie zu massiven Investitionen zwingen. Deutschlands Panzerhersteller müssen ihre Produktion vervielfachen, um die von Bloomberg angegebenen Lieferzeiten einzuhalten.

Krauss-Maffei Wegmann produziert derzeit nur drei bis vier Leopard-Panzer pro Monat, wie Europäische Sicherheit & Technik (Esut) berichtete. Bei 1.000 angenommenen Leopard 2 würde die Lieferung bei diesem Tempo 21 bis 28 Jahre dauern. Für eine Auslieferung binnen fünf Jahren müsste die Produktion auf mindestens 200 Panzer pro Jahr gesteigert werden – eine Verfünffachung der aktuellen Kapazität.

Der Vorlauf bis zum Produktionsbeginn betrage etwa ein Jahr, das Hochfahren einer Großserienproduktion dauert ein bis zwei Jahre, so Esut. Zu Zeiten des Kalten Krieges wurde zeitweise fast ein Panzer pro Tag ausgeliefert – eine Kapazität, die heute nicht mehr existiert. Parallel müssten 2.500 Boxer und 500 bis 600 Skyranger-Systeme produziert werden.

Russische Produktion vs. europäische Pläne

Russland produziert seine modernsten T-90M-Panzer für etwa 4,5 Millionen Dollar pro Stück – das wäre ein Bruchteil der europäischen Preise, wie Bulgarian Military berichtet. Die russische Produktionskapazität zeigt sich offenbar auch höher als oft angenommen.

So produzierte Uralvagonzavod 2024 nach Angaben des Conflict Intelligence Team (CIT) rund 280 T-90M-Panzer – deutlich mehr als frühere Schätzungen von 60 bis 70 Einheiten. Die Fabrik arbeitet mittlerweile im 24-Stunden-Betrieb mit drei Schichten.

Seit Kriegsbeginn produzierte Russland nach CIT-Schätzungen mindestens 540 bis 630 T-90M-Panzer durch Neubau und Modernisierung alter Bestände. Dem stehen Verluste von über 130 T-90M gegenüber, so dass derzeit 410 bis 500 Einheiten im Dienst stehen – etwa 15 Prozent der gesamten russischen Panzerflotte.

Fazit

Deutschland könnte vor der größten Rüstungsinvestition seiner Nachkriegsgeschichte stehen. Die Bloomberg-Schätzung von 25 Milliarden Euro für Panzer erweist sich als drastische Untertreibung. Realistische Berechnungen zeigen: Allein die Panzerbestellung kostet vermutlich 60 bis 75 Milliarden Euro. Hinzu könnten 17 Milliarden Euro für Skyranger-Luftabwehr und weitere Milliarden für andere Systeme kommen.

Die Gesamtrechnung für Deutschlands Panzerbestellung bewegt sich also auf die 100 Milliarden Euro zu – allein für Panzer.