Analyse: Warum das BSW ins Visier des Verfassungsschutzes geraten könnte

Sahra Wagenknecht. Bild: Juergen Nowak / Shutterstock.com
Politiker fordern Beobachtung des BSW. Die Wagenknecht-Partei weist alle Vorwürfe zurück. Doch die Nähe einzelner Mitglieder zu Moskau könnte zum Problem werden.
Die Diskussion um eine mögliche Verfassungsschutz-Beobachtung des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat Fahrt aufgenommen. Eine Gruppe von Politikern um den FDP-Europaabgeordneten Moritz Körner fordert einen Einsatz des Inlandsgeheimdienstes.
Neben derjenigen des FDP-Generalsekretärs von Nordrhein-Westfalen hat der Spiegel dazu gleichlautende Forderungen der Grünen-EU-Abgeordneten Hannah Neumann sowie Brandenburgs CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann als erste Schritte in diese Richtung zusammengetragen.
Zur Begründung sagte Körner dem Spiegel, dass "die Aktivitäten des BSW (…) gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet" seien. Der FDP-Politiker sieht demnach Anlass zu einer Prüfung, ob vom BSW "ernsthafte Gefahren für die demokratische Ordnung ausgehen".
Zuvor hatte der Spiegel darüber berichtet, dass sich das BSW mit den "Kreml-Propagandisten" Alina Lipp und Thomas Röper "solidarisiert" hatten. Im Kontext der EU-Sanktionen gegen Lipp, Röper und den Betreiber des Portals red.media, Hüseyin Dogru, beklagte das BSW in einem Post auf dem Kurznachrichtendienst X die "Kriminalisierung von politischem Protest" und "abweichenden Meinungen". Dies stelle einen "gefährlichen Angriff auf den Rechtsstaat und die Pressefreiheit" dar.
Die Sanktionen
Ende Mai hatte der Rat der Außenminister der Europäischen Union im Rahmen des 17. Sanktionspakets gegen Russland beschlossen, die Vermögenswerte von Lipp und Röper einzufrieren sowie ein Verbot ihrer Finanzierung und ihrer Einreise in EU-Staaten erlassen. Der EU-Rat hatte den beiden Sanktionierten vorgeworfen, "systematisch Fehlinformationen über den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zu verbreiten".
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Parteiführung zeigt sich unbeeindruckt
Wie der Spiegel berichtet, wurde der betreffende Post inzwischen mit dem Verweis auf ein "Versehen" gelöscht. Das Magazin zitiert den BSW-Generalsekretär Christian Leye mit der Aussage, das BSW würde "Nato-Propaganda ablehnen, die oft genug als seriöser Journalismus verkauft" werde. Am vergangenen Freitag äußerte sich auch Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht zu dem Spiegel-Bericht. Dabei hielt sie an den Kernaussagen des gelöschten Posts fest:
Lächerlich: Hinterbänkler von #Grünen, #CDU und #FDP wollen das #BSW vom #Verfassungsschutz beobachten lassen, weil wir für #Meinungsfreiheit einstehen, Verständigung mit Russland fordern und die undemokratische #Brandmauer ablehnen. Dass das dem "Qualitätsmedium" #Spiegel ernsthaft eine Meldung wert ist, ist ein trauriger Beleg dafür, wie sehr sich totalitäres Denken und die Stigmatisierung von Andersdenkenden und Anti-Kriegsstimmen in Deutschland inzwischen verbreitet haben.
Vorgeworfen wird dem BSW allerdings auch der "Zuspruch" eines BSW-Landtagsabgeordneten in Brandenburg gegenüber dem Verein "Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe", dessen Vorsitzender sowie ein weiteres Mitglied wegen Verdachts per Haftbefehl gesucht werden. Wie der Spiegel festhält, lautet der Vorwurf auf "Verdacht der Terrorfinanzierung". Dahinter verbirgt sich die Anschuldigung, Spendengelder an Milizen in den völkerrechtlich nicht anerkannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk weitergeleitet zu haben, die ihrerseits als "terroristische Vereinigung" eingestuft werden.
Das brandenburgische BSW-Fraktionsmitglied Christian Dorst bezeichnete die Vorwürfe als "konstruiert" und als Form von "Repression".
Moritz Körner: Klare Kante gegen Ost
Der FDP-Europaabgeordnete Körner erscheint in deutschen Medien immer wieder als Verteidiger der EU gegen autoritäre Tendenzen inner- sowie auch außerhalb der Union. Als einer der profiliertesten Befürworter des EU-Rechtsstaatsmechanismus setzt sich Körner dafür ein, dass die Europäische Union bei wiederholten Verstößen gegen rechtsstaatliche Grundsätze – wie in Polen oder Ungarn – die Auszahlung von EU-Mitteln aussetzen kann.
So richtete eine Gruppe um Körner und den Europa-Abgeordneten Daniel Freund (Grüne) beim Beschluss des jüngsten Sanktionspakets im Mai einen fraktionsübergreifenden Brandbrief an die EU-Kommission, der die Forderung enthielt, dem EU-Mitglied Ungarn das Stimmrecht zu entziehen und die finanziellen Zuwendungen zu streichen.
Als Begründung führten die Unterzeichner eine Hinwendung zur autoritären Staatsführung im Inneren – namentlich auch durch das sogenannte NGO-Gesetz Ungarns – sowie eine Blockade des außenpolitischen Kurses in Bezug auf den Krieg in der Ukraine an.
Wörtlich hieß es in dem Brief:
Wer sich null um die Achtung der EU-Werte kümmert, hat null Euro aus dem EU-Budget verdient.
Aus dem Brandbrief an die EU-Kommission
Bereits zuvor hatte Körner anlässlich der umstrittenen Justizreform der nationalkonservativen PiS-Regierung entsprechende Konsequenzen für den Mitgliedsstaat Polen gefordert.
Podcast-Partner von Strack-Zimmermann
Körners konsequente Fokussierung auf erkannte Bedrohungen der freiheitlich-demokratischen Ordnung durch vornehmlich östliche Staaten – so auch China – schlägt sich auch in seiner Nähe zur EU-Kollegin und Parteifreundin Marie-Agnes Strack-Zimmermann nieder, mit der Körner den gemeinsamen Podcast Masz und Moritz betreibt. Das ist in gewisser Weise praktisch, weil sich Webauftritt und politisches Engagement einander befördern.
Konsequent zeigt sich Körner auch mit Blick auf die Lage in Nahost, etwa als er Ende 2024 gegenüber der Jüdischen Allgemeinen die Förderung des Vereinte-Nationen-Hilfswerks UNRWA durch die Europäische Union öffentlich kritisierte.
Auch hier verhalten sich Körners Überzeugungen diametral zu den Positionen des BSW, welches das Vorgehen der israelischen Streitkräfte scharf verurteilt und erst Ende Juni von der Bundesregierung und dem EU-Rat unter anderem eine Initiative "zur Aussetzung des Assoziationsabkommens zwischen der Europäischen Union und Israel" forderte.
Zuletzt gab es auch eine Zusammenarbeit zwischen dem BSW und der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften AfD. Im EU-Parlament stellten Abgeordnete beider Parteien mit anderen Parlamentariern einen gemeinsamen Vertrauensantrag gegen die EU-Kommission. Dieser scheiterte, weil er bei den demokratischen Fraktionen keine Unterstützung fand.
Spiegel
Ob tatsächlich eine tragbare Grundlage für eine Beobachtung des BSW vorliegt, scheint derzeit eher fragwürdig. Der Spiegel schließt seinen Bericht jedenfalls mit einer Passage, die diese Nähe zwischen den Rechtsnationalen und der Linke-Aussteiger-Partei sehr deutlich suggeriert:
Ob die Autoren des Spiegels ihren Lesern bewusst vorenthalten wollten, dass auch Abgeordnete dieser demokratischen Parteien in der Vergangenheit vereinzelt mit der AfD im Europaparlament abgestimmt haben, bleibt offen. Tatsächlich kam es etwa bei migrationspolitischen Abstimmungen oder Haushaltsanträgen mehrfach zu Überschneidungen – auch mit Stimmen aus der EVP, zu der CDU und CSU gehören.
Solche Gemeinsamkeiten beruhen meist auf inhaltlichen Schnittmengen und werden von den beteiligten Parteien nicht als strategische Kooperation betrachtet. In dem Spiegel-Beitrag zur Zusammenarbeit von BSW und AfD bleibt dieser Kontext offenbar aus politischen Tendenzgründen unerwähnt.