Palästina als 194. UN-Mitgliedsstaat: Ein Weg zum nachhaltigen Frieden im Nahen Osten

Jeffrey Sachs ist US-Wirtschaftswissenschaftler und Professor an der Columbia Universität in New York.. Bild: City University of Hong Kong, 2023
US-Ökonom Jeffrey Sachs skizziert einen Friedensplan. Anerkennung Palästinas notwendig. Wie der Nahe Osten zur Ruhe kommen könnte. Ein Vorschlag.
Es ist dringend notwendig, die Geiseln in Gaza zu befreien, das Blutvergießen in Israel und Palästina zu beenden und dauerhafte Sicherheit sowohl für das israelische als auch für das palästinensische Volk zu schaffen.
Unabdingbar dafür ist, dem Streben des palästinensischen Volkes nach einem souveränen Staat nachzukommen und eine nachhaltige Entwicklung in der Region rund um das östliche Mittelmeer und den Nahen Osten herbeizuführen.
Dies alles kann erreicht werden, indem Palästina sofort als UN-Mitgliedsstaat willkommen geheißen wird.
Palästina als UN-Mitgliedsstaat anerkennen
Palästina ist bereits als souveräner Staat von 139 der 193 UN-Mitgliedstaaten (Stand Juni 2023) anerkannt worden. Jedoch nicht von den Vereinigten Staaten oder den meisten Ländern der Europäischen Union.
Schweden hat Palästina 2014 anerkannt, Spanien hat kürzlich einen möglichen ersten Schritt zur Anerkennung unternommen.
Die Tatsache, dass Palästina noch kein UN-Mitglied ist, ist entscheidend für seine eingeschränkten Möglichkeiten bei der Diplomatie und der Teilnahme an Beratungen über globalen Angelegenheiten.
Am 23. September 2011 hat die Palästinensische Autonomiebehörde daher die Mitgliedschaft in der Uno in Übereinstimmung mit den jahrzehntelangen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates beantragt, die eine Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage der Grenzen von vor 1967 forderten.
Ein entsprechendes Schreiben wurde ordnungsgemäß an den Ausschuss für die Aufnahme neuer Mitglieder des Sicherheitsrats weitergeleitet.
Der Präsident von Palästina, Mahmoud Abbas, hat in seinem Schreiben festgestellt:
Das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit und die Vision einer Zwei-Staaten-Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt wurden von der Generalversammlung in zahlreichen Resolutionen fest verankert, unter anderem in den Resolutionen 181 (II) (1947), 3236 (XXIX) (1974), 2649 (XXV) (1970), 2672 (XXV) (1970), 65/16 (2010) und 65/202 (2010) und in den Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen 242 (1967), 338 (1973) und 1397 (2002) sowie durch das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 9. Juli 2004 (über die Rechtsfolgen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten).
Ferner hat sich die große Mehrheit der internationalen Gemeinschaft für unsere unveräußerlichen Rechte als Volk, einschließlich des Rechts auf Eigenstaatlichkeit, eingesetzt, indem sie dem Staat Palästina auf der Grundlage der Grenzen vom 4. Juni 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt eine bilaterale Anerkennung gewährt hat, und die Zahl dieser Anerkennungen steigt von Tag zu Tag.
Souveränes Palästina: UN-Mehrheit dafür, USA und Israel dagegen
Nach der Vorlage beim UN-Sicherheitsrat haben die USA hinter den Kulissen im Mitgliedsausschuss daran gearbeitet, den Antrag zu stoppen, obwohl es im Ausschuss, im UN-Sicherheitsrat selbst und in der gesamten UN-Generalversammlung überwältigende Unterstützung dafür gegeben hat.
Wegen des Widerstands der USA stimmte der UN-Sicherheitsrat jedoch nicht einmal über den Antrag Palästinas ab, und Palästina begnügte sich damals mit einem Beobachterstatus (ohne Stimmrecht).
Der UN-Sicherheitsrat sollte Palästinas Antrag jetzt, über ein Jahrzehnt später, genehmigen. Aber dieses Mal sollten die USA, wenn sie das Land öffentlich anerkennen, was sie immerzu behauptet, aber nie wirklich getan haben, Palästina die volle Staatlichkeit und die UN-Mitgliedschaft zuerkennen.
Israels Politik läuft auf Apartheid und ethnische Säuberung hinaus
Netanyahus jetziger Krieg ist offensichtlich nicht eine Suche nach einem gerechten Frieden. Netanyahu und sein Kabinett lehnen die Zwei-Staaten-Lösung ausdrücklich ab, wollen die Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland weiter unterdrücken, neue israelische Siedlungen im besetzten Palästina errichten und eine dauerhafte israelische Souveränität über Ost-Jerusalem erreichen.
Israels Politik läuft auf Apartheid und ethnische Säuberung hinaus. Gerade wegen dieser Ungerechtigkeiten wird der Krieg wahrscheinlich zu einem regionalen Krieg eskalieren, in den die Hisbollah, der Iran und andere Länder hineingezogen werden, wenn keine gerechte politische Lösung für den Palästina-Konflikt gefunden wird.
Frieden nur über Rechte für Palästinenser
Vor dem 7. Oktober versuchte Netanjahu, die Beziehungen zu den arabischen Staaten zu "normalisieren", ohne dabei die Notwendigkeit eines palästinischen Staates zu berücksichtigen. Doch dieser zynische Ansatz war zum Scheitern verurteilt. Ein wirklicher und dauerhafter Frieden kann nur zusammen mit politischen Rechten für das palästinensische Volk erreicht werden.
Wahre Führer des Friedens auf beiden Seiten haben wiederholt den Märtyrertod erlitten, darunter der große ägyptische Führer Anwar Sadat und der tapfere israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin, die beide getötet wurden, weil sie sich für eine friedliche Koexistenz zwischen Israelis und Palästinensern einsetzten.
Zahllose weitere Palästinenser und Israelis, deren Namen wir nicht einmal kennen, sind ebenfalls auf der Suche nach Frieden zwischen Israelis und Palästinensern getötet worden. Sie sind Opfer des Terrorismus geworden, oft von Extremisten innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaften.
Arabische Staaten und islamische Nationen für Zwei-Staaten-Lösung
Trotz dieser ernsthaften Hindernisse gibt es einen klaren Weg hin zum Frieden durch die Vereinten Nationen: Die arabischen und islamischen Nationen fordern seit langem Frieden mit Israel auf der Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung. So wird es auch von der Palästinensischen Autonomiebehörde gefordert.
Auf dem außerordentlichen gemeinsamen arabisch-islamischen Gipfel in Riad am 11. November haben die arabischen und islamischen Führer folgende Erklärung zugunsten einer Zwei-Staaten-Lösung abgegeben:
So schnell wie möglich sollte ein glaubwürdiger Friedensprozess auf der Grundlage des Völkerrechts, der legitimen internationalen Resolutionen und des Prinzips "Land gegen Frieden" eingeleitet werden. Darin heißt es, dass dies innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens und auf der Grundlage der Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung mit internationalen Garantien erfolgen sollte, die zu einem Ende der israelischen Besatzung des palästinensischen Gebiets führen, einschließlich Ost-Jerusalems, des besetzten syrischen Golan, der Shebaa-Farmen, der Kafr-Berge, der Shoba und der Außenbezirke der libanesischen Stadt Al-Mari.
Wichtig ist, dass die arabischen und islamischen Führer ihre besondere Aufmerksamkeit auf die arabische Friedensinitiative von 2002 lenkten, die bereits vor einundzwanzig Jahren bekräftigt hat:
Ein gerechter und umfassender Frieden im Nahen Osten ist das strategische Ziel der arabischen Länder, das in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht erreicht werden muss und das ein vergleichbares Engagement seitens der israelischen Regierung erfordern würde. Die arabische Friedensinitiative hat Israel ferner aufgefordert, (unter anderem) die Annahme der Errichtung eines souveränen unabhängigen palästinensischen Staates in den seit dem 4. Juni 1967 besetzten palästinensischen Gebieten im Westjordanland und im Gazastreifen mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt zu bestätigen.
Die arabischen Länder haben bereits 2002 klar erklärt, dass ein solches Ergebnis zu einem Friedensschluss zwischen den arabischen Nationen und Israel führen würde, insbesondere, dass die arabischen Nationen "den arabisch-israelischen Konflikt als beendet betrachten und ein Friedensabkommen mit Israel abschließen würden, das die Sicherheit für alle Staaten der Region gewährleistet".
Leider war Netanjahu die meiste Zeit seit 2009 an der Macht und hat getan, was er konnte, um die arabische Friedensinitiative zu ignorieren und sie aus dem Blickfeld der israelischen Öffentlichkeit herauszuhalten.
Sicherheitsrat sollte Palästina in die UNO aufnehmen
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, einschließlich aller ständigen Mitglieder, der P5, sollte Palästina unverzüglich in die Vereinten Nationen aufnehmen und sich verpflichten, die Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung operativ und finanziell zu unterstützen, einschließlich der Friedenstruppen, die von Palästina willkommen geheißen werden sollten.
Primär sollte die Resolution des UN-Sicherheitsrates die Uno und die Nachbarstaaten verpflichten, sowohl Israel als auch den neuen UN-Mitgliedsstaat Palästina bei der Herstellung gegenseitiger Sicherheit und der Entmilitarisierung der Milizen zu unterstützen.
Die Resolution des UN-Sicherheitsrates würde sinnvollerweise folgende Punkte enthalten:
• Die sofortige Gründung Palästinas als 194. UN-Mitgliedsstaat mit den Grenzen vom 4. Juni 1967, mit der Hauptstadt in Ost-Jerusalem und der Kontrolle über die heiligen Stätten des Islam;
• Die unverzügliche Freilassung aller Geiseln, ein dauerhafter Waffenstillstand für alle Parteien und die Bereitstellung humanitärer Hilfe unter Aufsicht der Vereinten Nationen;
• Eine Friedenstruppe in Palästina, die sich größtenteils aus arabischen Ländern rekrutiert und unter dem Mandat des UN-Sicherheitsrates operiert;
• Die unverzügliche Entwaffnung und Demobilisierung der Hamas und anderer Milizen durch die Friedenstruppen als Teil des Friedens;
• Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und allen Staaten der Arabischen Liga in Verbindung mit der UN-Mitgliedschaft des Staates Palästina.
Weiterhin sollte ein neuer UN-Friedens- und Entwicklungsfonds geschaffen werden, für den ich mich kürzlich im UN-Sicherheitsrat eingesetzt habe, um unter anderem zur Finanzierung eines langfristigen Programms für nachhaltige Entwicklung im östlichen Mittelmeerraum beizutragen.
Dieses Programm sollte Palästina, Israel, Syrien, Libanon, Jordanien, Ägypten und auch weitere Nachbarländer einbeziehen.
Natürlich würde es darüber hinaus noch viel zu verhandeln geben, einschließlich einvernehmlich vereinbarter Ländergrenzen, aber diese Verhandlungen würden dann unter friedlichen Bedingungen stattfinden, zwischen souveränen UN-Mitgliedstaaten und unter der Schirmherrschaft des UN-Sicherheitsrates, der UN-Generalversammlung und vor allem auf dem Boden der UN-Charta und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Jeffrey Sachs (1954, Detroit, Michigan) ist ein US-amerikanischer Ökonom und Professor. Er promovierte an der Harvard University in Wirtschaftswissenschaften im Jahr 1980.
Sachs' Karriere ist geprägt von verschiedenen akademischen Positionen sowie Beratertätigkeiten für bedeutende internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank. Als Direktor des Center for Sustainable Development an der Columbia University und als Professor setzt er sich intensiv für nachhaltige Entwicklung ein.
Besonders bekannt ist Sachs für seine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung von Wirtschaftspolitiken in Osteuropa während des Übergangs vom Kommunismus zum Kapitalismus. Er gilt als Verfechter globaler Armutsbekämpfung.
Sachs' herausragende Leistungen in der Wirtschaftswissenschaft brachten ihm zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen ein. Sein Werk und sein Einsatz für eine gerechtere Weltwirtschaft haben seinen Einfluss weit über die Grenzen der akademischen Welt hinaus ausgedehnt. In "The Price of Civilization: Reawakening American Virtue and Prosperity" (2011) setzt er sich mit Fragen der US-Gesellschaft und Wirtschaft auseinander.
Der vorliegende Text erschien zuerst auf der Website Antiwar.com auf Englisch.
Übersetzung: Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin – Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e. V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de
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