Ohne Förderung, mit Haltung: Berliner Theater Ost und Telepolis kooperieren

Theater Ost. Bild: Mo Photography Berlin / Shutterstock.com
Das Theater Ost in Berlin-Adlershof verzichtet bewusst auf große Subventionen. Mit Telepolis startet es nun eine Polit-Salon-Reihe. Was das mit Freiheit zu tun hat.
Am 17. Juli, 19.30 Uhr, laden Telepolis und das Theater Ost in Berlin-Adlershof zum 2. Adlershofer Polit-Salon ein. Unter dem Titel "Geteilter Himmel 2.0" geht es um die Frage, warum Ost- und Westdeutschland immer noch "zwei Welten" sind.
Es diskutieren die Frauenrechtlerin und Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer, der Drehbuchautor und Professor an der Filmuniversität Babelsberg Torsten Schulz sowie Tobias Lehmann, Literaturwissenschaftler und Kolumnist der Online-Plattform ostdeutschland.info. Moderator ist Dietmar Ringel. Er hat auch das folgende Gespräch mit der Leiterin des Theataers Ost, Kathrin Schülein, geführt.
▶ Warum sollten sich auch Menschen aus dem Westen für das Theater Ost interessieren?
Kathrin Schülein: Zum einen wegen der Historie des Gebäudes, das mehr als viele andere DDR-Geschichte erzählt, zum anderen weil wir selbst alle DDR-Geborene sind und uns verpflichtet fühlen, unsere Geschichte auf eine Weise zu erzählen, die in dieser Offenheit und Wahrheit nach unserer Wahrnehmung so nicht mehr erzählt wird.
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▶ Aber ist das für Menschen aus dem Westen interessant? Habt ihr Besucher, die sich aus den Westbezirken auf den Weg nach Berlin- Adlershof machen?
Kathrin Schülein: Ja, allerdings erst seit etwa anderthalb Jahren. Vorher war das Interesse für die Ostgeschichte nicht so da. Nun ist es aber auch nicht so, dass es im Spielplan nur Sachen gibt, die mit unserer Geschichte zu tun haben. Ich würde sagen, 70 Prozent sind DDR-Geschichte und 30 Prozent bewegen sich links und rechts daneben und öffnen die Türen zu anderen Branchensparten und Inhalten.
▶ Du hast die Tradition eures Hauses schon angesprochen. Vielleicht machen wir das mal noch ein bisschen konkreter. Im Gebäude des Theaters war ja zu DDR-Zeiten das Studio der Nachrichtensendung "Aktuelle Kamera". Erinnert daran heute noch etwas?
Kathrin Schülein: Ja. Und zwar schon deshalb, weil dieses Gebäude, das am 21. Dezember 1952 als Fernsehtheater eröffnet wurde, noch nicht saniert ist. 1957 wurde es Fernsehstudio und Sitz der "Aktuellen Kamera". Und das blieb es bis zur Schließung des Deutschen Fernsehfunks. Wir haben diesem Saal, der heute unser großer Theatersaal ist, später den Namen Klaus Feldmann-Saal gegeben, weil Klaus Feldmann damals unser charmantester und aus unserer Sicht auch klügster Nachrichtensprecher war.
Der war 14-mal DDR-Fernsehliebling und hat ja auch viele andere Fernsehsendungen moderiert. Wir haben insgesamt drei Bühnen im Haus. Und als der große Saal eröffnet wurde, also das ehemalige Fernseh-Studio, hat er diesen Saal mit einer Lesung aus seinen Büchern eröffnet. Als er starb, haben wir den Saal ihm zu Ehren in Klaus-Feldmann-Saal umbenannt. Ansonsten ist alles noch so wie früher. Wir haben alles nur temporär eingerichtet.
▶ Der Adlershofer Polit-Salon ist eine Kooperation mit dem Online-Magazin Telepolis. Telepolis hat natürlich auch Publikum im Osten, ist aber bislang eher west-sozialisiert. Wie ist es zur Zusammenarbeit mit Telepolis gekommen?
Kathrin Schülein: Zum einen bin ich selbst Telepolis-Konsumentin. Ich habe nicht so sehr viel Zeit, aber wenn ich lese, dann lese ich doch viel auch auf Telepolis. Das ist ja ein Medium, das uns, wie einige andere auch, als Gegengewicht zu den Mainstream-Medien zur Verfügung steht. Und so haben wir uns zur Zusammenarbeit entschlossen, weil auch wir bei uns im Haus, in unserem Programm, denjenigen eine Stimme geben, die gesellschaftlich hart ausgegrenzt werden.
Bei uns soll jeder eine Stimme bekommen. Und ich empfinde es bei Telepolis genauso, dass dort jeder eine Stimme bekommt und das Medium über die Mainstream-Informationskanäle inhaltlich hinausgeht. So, wie wir es eben auch machen. Eine gemeinsme Veranstaltungsreihe lag deshalb nahe.
▶ Die Tickets für Euer Haus sind nicht ganz billig. Das betrifft auch den Polit-Salon, wo der Eintritt 28 Euro kostet. Es gibt in Berlin ja auch Politdiskussionen, bei denen man kostenlos reinkommt. Da sagen vielleicht manche, das ist mir bei Euch zu teuer und bleiben deshalb zu Hause. Warum geht es nicht billiger?
Kathrin Schülein: Wir sind eine Kultureinrichtung, die fast ausschließlich auf Subventionen verzichtet. Wir bekommen eine ganz kleine kommunale Unterstützung, die aber bei der Größe des Hauses kaum ins Gewicht fällt – wir haben drei Bühnen im Haus, im Sommer bespielen wir außerdem noch eine Außenbühne. Das sind 1.000 Quadratmeter im Gebäude und 500 Quadratmeter auf der Außenfläche. Und es ist natürlich eine große Herausforderung, wenn man sich da komplett auf den Eintrittspreis verlassen muss.
Das erklärt dann auch, dass wir einen entsprechenden Preis für die Tickets nehmen müssen, damit alle Fixkosten gedeckt werden und auch die Kollegen nicht komplett umsonst arbeiten. Wobei der Kollegenstamm teilweise ehrenamtlich arbeitet, weil es finanziell gar nicht anders darstellbar ist und wir darüber hinaus auch auf Spenden angewiesen sind.
Wir sind also nicht nicht komplett durchsubventioniert und verzichten auf die großen Landesmittel, auf die sich viele andere Kultureinrichtungen in Berlin trotz der aktuellen Kürzungen stützen, um zumindest ein finanzielles Fundament zu haben. Die können es sich dann auch leisten, Veranstaltungen wie Polit-Talks und ähnliches kostenfrei anzubieten. Das geht bei uns nicht.
Aber aufgrund dessen, dass wir auf diese großen Grundsubventionen verzichten, haben wir auch eine gewisse Freiheit in der Auswahl der Themen. Und genau das ist der Grund, warum wir dabei bleiben wollen. Wenn es dem Besucher tatsächlich wichtig ist, auch alternative Inhalte und Darstellungen erleben zu wollen, dann muss er leider in die Tasche greifen – aber immer mit dem Blick darauf, dass er das Haus unterstützt und auf diese Weise dazu beiträgt, dass das Haus weiter besteht und vor allem unsere Geschichte weitererzählt wird.
▶ Der erste gemeinsame Polit-Salon mit Telepolis Ende April war dem "Tag der Befreiung" gewidmet. Einer der Podiumsgäste war der russische Botschafter Netschajew. Du hast eben erklärt, dass das Theater Ost nicht an Fördertöpfen hängt und deshalb freier über das Programm entscheiden kann.
Ich kann mir aber vorstellen, dass es vielleicht dennoch Druck gibt. Es gab ja zum Beispiel die Handreichung vom Auswärtigen Amt, man solle keine offiziellen russischen Vertreter zu Gedenkveranstaltungen einladen oder schon gar nicht zu Podiumsdiskussionen. Ihr habt das trotzdem gemacht. Hast du dafür Prügel von irgendwem bekommen?
Kathrin Schülein: Nein, Prügel habe ich nicht bekommen. Erstmal würde ich aber gerne noch erwähnen, dass diese Veranstaltung, nachdem wir sie online eingestellt hatten, genau vier Stunden später komplett ausverkauft war. Das Interesse an den Meinungen und Gedanken derer, die man in den Mainstream-Medien nicht mehr zu sehen oder zu hören bekommt, ist sehr groß. Das zeigt uns, dass wir da auf dem richtigen Weg sind.
Wie gesagt – Prügel haben wir nicht bekommen. Ich muss sogar sagen, dass es einen Moment gab, in dem ich auf unseren Bezirk Treptow-Köpenick sehr stolz war. Das Bezirksamt hat nämlich verkündet, dass man bei solchen Veranstaltungen niemanden wegschicken werden, auch keine russischen Gäste. Da ging es natürlich um das sowjetische Ehrenmal im Treptower Park.
Aber sie haben es allgemeiner formuliert, und damit betraf es auch andere Veranstaltungen, von denen niemand weggeschickt werden solle. Das fand ich sehr mutig. Umso wohler fühle ich mich hier im Bezirk Treptow-Köpenick. Bei unserer Veranstaltung mit dem russischen Botschafter ist dann auch nichts passiert. Es gab keine Störer, auch keinen Email-Shitstorm oder andere verbale Angriffe. Nichts dergleichen ist passiert.
▶ Jetzt steht noch der Politsalon auf dem Spielplan, und dann, von Mitte Juli bis Mitte August, sind Theaterferien. Worauf freust du dich besonders, wenn es danach wieder losgeht?
Kathrin Schülein: Ich mag jede Veranstaltung. Ich freue mich auf neue Politsalon-Runden – da bin ich wirklich sehr gespannt. Zum Beispiel auf das Thema China, um das es im Herbst gehen wird. Im November kommt Gabriele Krone-Schmalz wieder zu uns, gleich an zwei Tagen hintereinander, weil das immer ausverkauft ist.
Wir zeigen unsere Brecht-Inszenierung wieder. Wir haben große Konzerte vor uns, zum Beispiel kommt "Lift" zum ersten Mal in voller Besetzung mit Werther Lohse als Leadsänger...
▶ … für die Leute aus dem Westen will ich hinzufügen, dass "Lift" eine der besten DDR-Bands war und bis heute aktiv ist …
Kathrin Schülein: Stimmt. Und wir haben für die nächste Spielzeit weitere tolle Sachen vor – zum Beispiel eine Puppenspiel-Inszenierung mit satirischem Inhalt, bei der große Puppen zum Einsatz kommen. Die Puppenspielerin, Suse Wächter, hat bereits Inszenierungen am Berliner Ensemble und im Deutschen Theater gemacht. Im Theater Ost will sie zusammen mit dem bekannten Moderator Jürgen Kuttner eine Produktion auf die Bühne bringen. Also – es gibt sehr, sehr vieles. Und ich freue mich wahnsinnig darauf, dass wir am 31.12.2025 zehn Jahre alt werden.
Dietmar Ringel sprach mit Kathrin Schülein, Leiterin des Theaters Ost in Berlin-Adlershof.