Mosul: Von der Leyen kritisiert türkische Einmischung

Mosul mit Brücke über den Tigris. Foto: U.S. Army/gemeinfrei

"Die Souveränität anderer Staaten müsse respektiert werden." Indessen macht ein Experte auf energiepolitische Interessen der Türkei in der Region aufmerksam, die auch Europa betreffen

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Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat das "Eingreifen der türkischen Armee in die Mosul-Offensive" kritisiert und angekündigt, dass mit der Türkei "unmissverständlich" geredet werde. Man sei sich darüber einig in der von den USA geführten Anti-IS-Koalition. "Die Souveränität anderer Staaten müsse respektiert werden."

Ob die türkische Führung sich dadurch groß beeindrucken lässt, ist zu bezweifeln, denn für sie stehen elementare Interessen auf dem Spiel, wie der türkische Publizist H. Akın Ünver in einem Artikel über die strategische Relevanz von Mosul und seines Hinterlandes zu bedenken gibt.

Ünver, Dozent für internationale Beziehung an der Istanbuler Kadir Has Universität, beschäftigt sich, wie seine Webseite ausweist, mit dem Verhältnis zwischen Kurden und Türken und mit Energiefragen. Er arbeitete u.a. für das Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union, für das türkische Außenministerium. In seinem Lebenslauf finden sich auch Think-Tank-Stationen, das Eurasian Center for Strategic Studies und das Washington Institute for Near East Policy.

Inwieweit sich das in seiner politischen Positionierung niederschlägt und in seiner Analyse, mögen die Leser selbst beurteilen. Seine These hat mit Energiefragen zu tun und sehr viel mit dem Verhältnis zwischen den Türken und den Kurden im Nordirak. Sie läuft hauptsächlich darauf hinaus, dass es sich die türkische Regierung gar nicht erlauben kann, in den Kampf um die künftige Kontrolle Mosuls nicht einzugreifen.

Dazu bringt er nicht nur die vielfach zitierten historischen Bezüge ins Spiel, das türkische Interesse daran, die PKK zu bekämpfen und den Wiederaufbau eines Geheimdienstnetzwerkes in Mosul, das durch die IS-Eroberung der Stadt verloren ging, sondern auch den Einfluss auf die kurdische Regierung in der autonomen Region im Nordirak und den damit zusammenhängende Handel mit Öl und Erdgas sowie Pipelines.

Überlandstraßen, die über Mosul führen, verbinden die Stadt mit Erbil, Kirkuk und Suleimaniya. Wer die Straßen kontrolliert, kontrolliere den Transport und "den Nachschub der Hälfte der irakischen Bevölkerung", so Ünver. Das sei insbesondere interessant, weil die Ölfelder bei Kirkuk ebenfalls über einen Highway mit Mosul verbunden sind. Damit hänge auch der Export von Öl in die Türkei zusammen.

Wasserversorgung und Pipelines

Die kurdische regionale Regierung (KRG) habe in mehreren vitalen Angelegenheiten sehr viel Einfluss, auf die Wasserversorgung von Mosul, weil die Peshmerga wichtige Dämme des Tigris unter Kontrolle haben. Dazu komme, dass die KRG eine Schlüsselrolle bei künftigen Pipeline-Projekten haben werden, die die Interessen der europäischen Märkte und Russlands betreffen. Beinahe jede strategische Ressource, die Mosul benötigt, hänge stark von der KRG und den Peshmerga ab. Die Türkei, so lässt Ünver verstehen, habe großes Interesse daran, hier größtmöglichen Einfluss auszuüben.

Umso mehr als Mosul im Mittelpunkt von Planungen künftiger Pipelines (siehe KRG-Turkey gas pipeline) stehe, die die Gasfelder von Dschamdschamāl, Tuz Churmatu und Khor Mor verbinden.

Der Konflikt, der sich im hier Hintergrund anbahne, betreffe die Versorgung der EU mit Erdgas und das russischen Interesse daran, es zu vermeiden, dass Europa über Pipelines versorgt werde, die sich als Alternative zu den russischen etablieren könnten. Die Türkei spiele dabei eine große Rolle.