Mittelmeer: Badewanne mit Risiken

KI-generierte Grafik.
Wassertemperaturen bis 30 Grad – wie sich das Sommermeer verändert und was Urlauber wissen sollten.
Seinerzeit lachten wir, mit dem Eis am Stiel in der Hand, über die Warnung der Wasserwacht, die am Kiosk angeschlagen war: Nicht erhitzt ins kalte Wasser springen. Wir sprangen jedes Mal schwitzend mit Anlauf nach dem Fußballspielen in den See, der gerade mal 19 Grad hatte – und jauchzten vor Glück über den Kälteschock.
Im Sommer muss man kalte Seen suchen. Am besten im Gebirge, wie den Walchensee in Süddeutschland oder den großen Achensee – das "Tiroler Meer" – mit 18 Grad in Österreich. Ein seltenes Badevergnügen.
Früher war Kälte ein Risiko, heute ist es die Wärme
Wenn es um echte Meere geht, so muss man sich auf neue Bedingungen einstellen, wie die Freiwasserschimmer vor den morgen beginnenden Wettbewerben der Schwimm-WM in Singapur. "Die Wassertemperatur dort beträgt etwa 30 Grad", berichtet die Welt.
Der Grenzwert für Wettbewerbe liegt bei 31 Grad, seit 2010 beim Weltcup im arabischen Emirat Fudschaira ein Schwimmer tragisch ums Leben kam – im Alter von 26 Jahren. "unkontrolliertes Belastungsasthma", so der Untersuchungsbericht.
Bei Temperaturen um die 30 Grad könne man "nicht Vollgas schwimmen, nicht über zehn oder fünf Kilometer", kommentiert der Bundestrainer des Deutschen Schwimm-Verbandes, Bernd Berkhahn.
Urlaub am Wasser mit 30 Grad
Heldenhafte Schwimmer wie in Charles Sprawsons Kulturgeschichte des Schwimmens sind im Mittelmeer selten – dort baden bald Millionen Touristen.
Fünf oder zehn Kilometer wird von ihnen dort keiner an einem Stück schwimmen. Allerdings gibt es doch einiges, worauf sich die Urlauber einstellen müssen, die sich vom Bad im Meer, das im Sonnenschien tanzt und glitzert, Erholung und Vergnügen versprechen.
Das Mittelmeer erwärmt sich wie kein anderes. In der Region steigen die Temperaturen um 20 Prozent schneller als im globalen Durchschnitt, berichtete der WWF vor knapp einem Jahr. Das Mittelmeer habe Rekordwerte erreicht. "Es ist das Meer, das sich am schnellsten erwärmt hat und es ist zunehmend das salzigste."
In beliebten Ferienregionen wie Sizilien, Apulien oder Südfrankreich melden Behörden im Hochsommer inzwischen regelmäßig Wassertemperaturen um 28 bis 30 Grad. Bei solchen Wassertemperaturen fällt die Kühlwirkung nahezu weg. Das belastet den Kreislauf – besonders, wenn der Körper bereits dehydriert ist. In warmem Wasser verspürt man die Belastung oft nicht sofort.
Quallen, Feuerfische, Würmer – neue Risiken
Manche Lebewesen suchen genau das warme Wasser, wie etwa Quallen (Überblick hier). Einige Strände müssen regelmäßig gesperrt werden, Hotels lassen Netze spannen, um die Badenden vor Feuerquallen zu schützen. Das gelingt selten zu 100 Prozent.
Die höheren Wassertemperaturen begünstigen auch tropische, invasive Arten. So gibt es nun auch Berichte über das Auftauchen der wegen ihres Giftes gefürchteten Portugiesischen Galeere an spanischen Küsten.
Bei Kontakt mit einer Qualle rät Meeresbiologe César Bordehore von der Universität Alicante, die Reste der Tentakeln mit einer Pinzette zu entfernen oder mit einer Kreditkarte vorsichtig abzuschaben, keinesfalls reiben. Dann die Stelle mit Salzwasser waschen und mit 40 bis 45 Grad heißen Wickeln bedecken.
Costanachrichten
Auch der giftige Rotfeuerfisch, berüchtigt wegen seiner Stacheln, wurde in den letzten Jahren häufiger im Mittelmeer beobachtet – ein Kontakt kann zu starken Schmerzen, Schwellungen oder allergischen Reaktionen führen.
Vielborster wie der Feuerwurm sollen sich "vor den italienischen Küsten gerade von Jahr zu Jahr weiter ausbreiten", wie die Tagesschau vor einem Jahr berichtete.
Touristen sind gut beraten, sich vor Ort über aktuelle Sichtungen und Warnungen zu informieren und bei Sichtungen Abstand zu halten. Besonders nach Stürmen oder Hitzewellen können ungewöhnlich viele Quallen und andere Tiere in Strandnähe treiben.
Kleinstlebewesen, große Wirkung
Mit steigenden Temperaturen verändert sich auch die mikrobiologische Zusammensetzung des Wassers. Warmes Wasser fördert das Wachstum von Vibrionen – Bakterien, die bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem schwere Haut- oder Wundinfektionen verursachen können.
Allerdings gilt das Mittelmeer wegen seines Salzgehalts nicht als großes Verbreitungsgebiet, anders als etwa die Nord- und Ostsee.
Die Algen
Und die Algenteppiche?
"Wo vor wenigen Jahren noch Seegraswiesen und Hornkorallenwälder waren, gibt es nun oft nur noch schleimige Algenteppiche", so der Leiter des Bereichs Marine Ökologie an der Universität Bremen, Christian Wild.
Im vergangenen Jahr sorgte eine Giftalge Ostreopsis ovata für Badeverbote an der italienischen Adriaküste. Die ursprünglich aus dem Pazifik stammende Alge ist mit bloßem Auge nicht sichtbar, kann aber beim Zerfall ihrer Zellen giftige Partikel freisetzen, die über die Luft eingeatmet oder beim Hautkontakt aufgenommen werden.
Symptome reichen von Hautreizungen über Fieber, Atemnot und Übelkeit bis hin zu kurzzeitiger Bewusstlosigkeit. Besonders betroffen sind felsige Küstenabschnitte, wo sich Zellbruchstücke leichter in der Luft verteilen.
Die steigenden Meerestemperaturen im Zuge des Klimawandels schaffen ideale Bedingungen für die Vermehrung dieser invasiven Art – ein Trend, der mittlerweile auch an Küsten Spaniens und Frankreichs beobachtet wird.
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Vorsichtsmaßnahmen
Die Erwärmung des Mittelmeers ist wie ersichtlich kein abstraktes Zukunftsszenario mehr, sondern realer Alltag im Sommerurlaub. Wer dennoch ins Wasser gehen will, sollte einige Vorsichtsmaßnahmen beherzigen:
- Auf Warnhinweise achten: Viele Regionen veröffentlichen tagesaktuelle Hinweise zu Quallen, Algen oder Keimen – online oder direkt am Strand. Zu beachten sind auch die Strömungen (und eben nicht nur am Atlantik).
- Wunden abdecken oder meiden: Kleine Verletzungen können Eintrittspforten für Bakterien sein. Menschen mit offenen Wunden oder geschwächtem Immunsystem sollten auf den Wasserkontakt besser verzichten.
- Begegnungen mit unbekannten Tieren meiden: Kein Kontakt mit Quallen, Würmern oder Fischen, die man nicht kennt – auch wenn sie harmlos aussehen.
- Nach dem Baden duschen: Vor allem in Regionen mit sichtbaren Algenblüten oder trübem Wasser empfiehlt sich eine gründliche Dusche.