Lungenkrebs ohne Rauchen: Genetische Schäden durch Luftverschmutzung belegt

Lungenerkrankung. Arzt untersucht Röntgenthorax in der Klinik, Nahaufnahme

(Bild: New Africa / Shutterstock.com)

Forscher haben nun neue Hinweise gefunden, dass Luftverschmutzung die DNA schädigt und Krebs begünstigt. Auch pflanzliche Arzneimittel stehen im Verdacht.

Lungenkrebs galt lange als Krankheit der Raucher. Doch in den vergangenen Jahren zeichnete sich ein beunruhigender Trend ab: Weltweit erkranken immer mehr Menschen an Lungenkrebs, die nie geraucht haben. Vor allem Frauen und Menschen in Ostasien sind überproportional betroffen. Lungenkrebs bei Nichtrauchern hat sich inzwischen zur fünft häufigsten krebsbedingten Todesursache weltweit entwickelt.

Erbgut von Lungentumoren im Visier der Forscher

Bereits frühere Studien hatten Luftverschmutzung als möglichen Auslöser im Verdacht. Eine aktuelle und umfassende Untersuchung des Erbguts, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, liefert jetzt überzeugende Hinweise dafür, dass Schadstoffe in der Luft tatsächlich krebserregende Veränderungen in unseren Genen verursachen können.

Ein internationales Forscherteam um den Bioingenieur Ludmil Alexandrov von der University of California, San Diego hat dafür die vollständigen Genome von Lungentumoren bei 871 Nichtrauchern aus 28 Regionen analysiert und mit Tumoren von 345 Rauchern verglichen.

"Unsere Forschung zeigt, dass Luftverschmutzung in einem engen Zusammenhang mit denselben Arten von DNA-Mutationen steht, die wir typischerweise mit Rauchen in Verbindung bringen", erklärt Alexandrov die Ergebnisse. Je stärker die Probanden Luftverschmutzung ausgesetzt waren, desto mehr genetische Mutationen fanden die Wissenschaftler in ihren Tumoren.

Mutationen in Krebsgenen TP53 und EGFR nachgewiesen

In den Lungentumoren von Nichtrauchern aus stark verschmutzten Gebieten fanden die Forscher deutlich häufiger Mutationen in den Krebsgenen TP53 und EGFR als bei Bewohnern sauberer Regionen.

Diese Gene spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Lungenkrebs: Eigentlich schützt das TP53-Gen vor Krebs, indem es ein Protein bildet, das entweder Zellen reparieren kann oder den programmierten Zelltod einleitet. Dadurch wird die Tumorentstehung verhindert. Durch Mutationen verliert es allerdings seine Funktion.

Die beiden Gene spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Lungenkrebs, insbesondere wenn sie durch die SBS4-Signatur verändert werden. Das ist ein Mutationsmuster, das fast ausschließlich durch Tabakrauch ausgelöst wird.

Nichtraucher, die hoher Luftverschmutzung ausgesetzt waren, so stellten die Wissenschaftler jetzt fest, wiesen fast viermal so häufig die SBS4-Signatur auf wie diejenigen aus schadstoffarmen Gebieten. Auch kürzere Telomere, die Schutzkappen der Chromosomen, traten vermehrt auf. Sie gelten als Zeichen einer beschleunigten Zellalterung.

Zudem entdeckten die Forscher eine gänzlich neue Mutationssignatur namens SBS40a, die bei fast 30 Prozent der Nichtraucher mit Lungenkrebs vorkam, nicht aber bei Rauchern. Ihre Ursache ist noch unbekannt und scheint nicht mit Umwelteinflüssen zusammenzuhängen. "Wir sehen sie in den meisten Fällen dieser Studie, wissen aber noch nicht, was sie verursacht", sagt Alexandrov. "Das ist etwas völlig Neues und eröffnet einen ganz neuen Forschungsbereich."

Überraschenderweise hatte Passivrauchen in der Studie einen weitaus geringeren Einfluss auf das Erbgut als die Luftverschmutzung. Zwar ist Passivrauchen als Krebsrisiko bekannt. Doch in den Tumoren der betroffenen Nichtraucher fanden sich nur leicht erhöhte Mutationsraten. "Wenn Passivrauchen eine Wirkung auf die Gene hat, ist diese möglicherweise zu schwach, um mit unseren derzeitigen Methoden nachgewiesen werden zu können", vermutet Mitautor Tongwu Zhang vom National Cancer Institute.

Traditionelle Kräutermedizin als Krebsrisiko?

Als weiteres Umweltrisiko identifizierten die Wissenschaftler Aristolochiasäure, ein krebserregendes Molekül, das in bestimmten traditionellen chinesischen Kräutermedikamenten enthalten ist. Eine spezifische Mutationssignatur, die damit in Verbindung steht, fand sich fast ausschließlich bei Lungenkrebsfällen von Nichtrauchern aus Taiwan. Die Forscher vermuten, dass die Fälle durch das Einatmen der Heilmittel verursacht worden sein könnten.

"Dies wirft neue Fragen darüber auf, wie traditionelle Heilmittel unbeabsichtigt das Krebsrisiko erhöhen könnten", sagt Mitautorin Maria Teresa Landi vom National Cancer Institute. "Es bietet auch eine Chance für die Krebsprävention im Bereich der öffentlichen Gesundheit – insbesondere in Asien."

Als nächstes möchten die Forscher ihre Studie auf weitere Regionen ausweiten. Auch andere mögliche Risiken wie Marihuana, E-Zigaretten, Radon und Asbest sollen untersucht werden. Die Ergebnisse könnten helfen, die wachsende Zahl der Lungenkrebsfälle bei Nichtrauchern besser zu verstehen und Ansatzpunkte für die Prävention zu finden.