Leisure Sickness: Das unterschätzte Phänomen der Urlaubskrankheit

Leisure Sickness - Statt Urlaub zu haben, wird man krank

(Bild: wavebreakmedia / Shutterstock.com)

Jeder Fünfte fühlt sich im Urlaub krank. Ursache ist chronischer Stress. Experten fordern mehr Arbeitsschutz von Unternehmen.

"Der Urlaub steht vor der Tür – doch statt Erholung folgt Erschöpfung oder gar Krankheit", meldet tagesschau.de. Jeder fünfte Beschäftigte fühlt sich im Urlaub oft krank oder erschöpft, das zeigt eine Studie der IU Internationalen Hochschule mit Hauptsitz in Erfurt.

Stefanie André, Professorin für Gesundheitsmanagement an der IU, ist überrascht, "wie weit verbreitet das Phänomen tatsächlich ist". Die medizinische Ursache für diese "Leisure Sickness" wird im plötzlichen Abfall von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol vermutet. Gründe liegen jedoch in den Arbeitsbedingungen.

Ursachen: Arbeitsdruck und fehlende Grenzen

Leisure Sickness, so die Studienautoren, entstehe häufig durch chronischen Stress, fehlende Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Nach der IU-Studie zeigen sich hohe Belastungen durch Arbeitsdruck (33,7 Prozent) und unklare Aufgabenverteilung (23,4 Prozent). André erklärt:

Die Ergebnisse zeigen, dass Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit, hohe Arbeitsbelastung und fehlende Erholung klare Risikofaktoren für Krankheitssymptome an freien Tagen sind. Besonders jüngere Arbeitnehmende fühlen sich häufiger verpflichtet, außerhalb der Arbeitszeit erreichbar zu sein, was zu einer eingeschränkten Erholung führt.

Die Krankenkasse AOK empfiehlt Beschäftigten, selbst vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Betroffene sollten das Immunsystem unterstützen, indem sie sich ausreichend an der frischen Luft bewegen und sich ausgewogen ernähren. Auch "Nein" sagen lernen, wird vorgeschlagen: "Wer lernt, Aufgaben auch mal abzulehnen, kann die Arbeitsbelastung reduzieren – vielleicht kann ein anderer Mitarbeiter oder eine Kollegin die Tätigkeit stattdessen übernehmen?", empfiehlt die Krankenkasse.

Warum Prävention oft nicht ausreicht

Dass diese Tipps zu kurz greifen, zeigen aktuelle Entwicklungen. Denn die digitale Transformation verändert die Arbeitsplätze. Das hat Folgen. Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zeigt, dass technische Unzuverlässigkeit und Informationsflut häufig mit der Entwicklung eines Burn-outs zusammenhängen.

Vom "digitalen Stress" berichtet Doreen Lindner, die Juristin der ver.di Bildung + Beratung in Frankfurt ist, in der Fachzeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb. Digitaler Stress ist eine spezifische Form von Stress, der durch den Einsatz neuer Technologien und Künstlicher Intelligenz (KI) verursacht wird. Sie betont:

Zu den wichtigsten Ursachen von digitalem Stress zählen: ständige Erreichbarkeit und Verfügbarkeit, ständige Nachrichtenüberflutung durch mehrere Kanäle (E-Mail, Team-Chat, Mobiltelefon), Komplexität und Unzuverlässigkeit neuer Technologien, Überwachung und Kontrolle der Arbeitsleistung durch technische Einrichtungen und spezieller Software, Angst vor Diskriminierung durch digitale Technologien oder KI.

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Die Folgen von digitalem Stress sind Erschöpfung und emotionale Überlastung, Schlafprobleme und erhöhtes Risiko von Burn-out und depressiven Symptomen, so Lindner.

Unternehmen stehen in der Pflicht

Der Urlaub soll der Erholung dienen – so sieht es das Bundesurlaubsgesetz vor. Wissenschaftliche Studien unterstreichen, wie wichtig regelmäßige Auszeiten für Gesundheit sind, berichtet haufe.de.

An Pflichten der Unternehmen erinnert Jens Nachtwei von der Humboldt-Universität, Berlin. Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist im Arbeitsschutzgesetz festgeschrieben. Danach müssen die Ursachen für den zunehmenden Stress analysiert werden, um Gegenmaßnahmen im Betrieb zu ergreifen. Dabei ist auch die Art des Technikeinsatzes zu hinterfragen. Nachtwei weiter:

Algorithmische Systeme entscheiden oft selbstständig über Arbeitseinsätze, Leistungserwartungen und Vergütung. Mitarbeitende haben häufig keine Möglichkeit, diese Entscheidungen nachzuvollziehen oder zu beeinflussen. Dies kann zu einem Gefühl der Machtlosigkeit und des Kontrollverlustes führen – zentrale Faktoren, die Stress und letztlich Burnout begünstigen.

Viele Unternehmen kommen ihren Pflichten jedoch nicht nach. Rund ein Drittel der Betriebe nehme nach wie vor keine Gefährdungsbeurteilung vor, berichtet Daniela Kolbe, Vorsitzende des DGB Sachsen. "Die Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber muss endlich in allen Betrieben zur Normalität werden, um die Beschäftigten zu schützen. Das lockere Gespräch darüber, ob und welche Gefährdungen vorliegen könnten, ersetzt keine ordentliche Prüfung".

Wichtig ist auch, die Kontrollen der Arbeitsschutzbehörden auszubauen. Für die Einhaltung des Arbeitsschutzes ist eine "gute personelle Ausstattung der staatlichen Kontrollbehörden notwendig, um Druck auf die Unternehmen auszuüben", so Kolbe.