KI-Psychologe Centaur: Vorhersage menschlichen Verhaltens auf neuem Level

Symbolbild eines Gehirns/KI

Das freie Modell ist darauf spezialisiert, menschliches Verhalten vorherzusagen

(Bild: Krot_Studio/Shutterstock.com)

Ein neues KI-System kann menschliche Entscheidungen vorhersagen – oft besser als klassische psychologische Theorien. Doch das Modell hat auch Grenzen.

Forscher haben ein innovatives KI-System entwickelt, das in der Lage ist, menschliches Verhalten in verschiedensten Situationen vorherzusagen – und dabei klassische psychologische Theorien zu übertreffen.

Das "Centaur" getaufte Modell wurde mit Daten aus 160 psychologischen Studien trainiert, in denen 60.000 Personen über 10 Millionen Entscheidungen in unterschiedlichsten Aufgaben trafen, wie das Wissenschaftsmagazin Nature berichtet.

Generalist statt Spezialist

Im Gegensatz zu den meisten Computermodellen und kognitiven Theorien, die sich auf einzelne Aufgaben beschränken, kann Centaur menschliches Verhalten in einem breiten Spektrum von Situationen simulieren – vom Glücksspiel über Gedächtnisspiele bis hin zur Problemlösung.

Bei Tests konnte das System sogar Entscheidungen von Menschen in Aufgaben vorhersagen, auf die es nicht trainiert wurde. "Man kann im Grunde genommen Experimente in silico durchführen, anstatt sie mit echten Versuchspersonen zu machen", erklärt Studienautor Marcel Binz vom Helmholtz-Institut für Mensch-zentrierte KI in München gegenüber Nature.

Das könne nützlich sein, wenn konventionelle Studien zu langsam wären oder es schwierig sei, Kinder oder Menschen mit psychischen Erkrankungen zu rekrutieren.

Fünf Tage Training mit "Psych 101"

Binz und Kollegen wollten die Beschränkungen bisheriger Modelle überwinden. Sie trainierten das von der Firma Meta veröffentlichte "Llama"-Sprachmodell fünf Tage lang mit dem umfangreichen Verhaltensdatensatz "Psych 101".

Dabei stimmten sie das Modell darauf ab, nicht nur ein durchschnittliches Verhalten für eine bestimmte Aufgabe vorherzusagen, sondern die Bandbreite der typischen Verhaltensweisen in der Bevölkerung.

In Tests übertraf Centaur in 31 von 32 Aufgaben sowohl Llama als auch 14 kognitive und statistische Modelle bei der Vorhersage der Entscheidungen der Teilnehmenden. Auch bei abgewandelten Versionen der Trainingsaufgaben und völlig neuen Szenarien wie logischem Schlussfolgern schnitt das KI-System gut ab.

"Das zeigt, dass es viel Struktur im menschlichen Verhalten gibt", kommentiert der Kognitionsneurowissenschaftler Russell Poldrack von der Stanford University die Ergebnisse. "Es legt die Messlatte für die Leistungsfähigkeit von Modellen, nach denen die Psychologie streben sollte, deutlich höher."

Noch Grenzen bei der Nachahmung

Trotz seiner breiten Fähigkeiten hat Centaur noch Grenzen, betonen die Forscher. So beruht das KI-Modell ausschließlich auf sprachbasierten Aufgaben. Es kann zwar vorhersagen, was eine Person bei einer bestimmten Aufgabe wählen würde, aber nicht, wie lange sie dafür brauchen wird.

Zudem stammen viele der bisherigen Trainingsdaten aus westlichen, gebildeten und industrialisierten Bevölkerungsgruppen. Die Autoren räumen ein, dass dies die Übertragbarkeit von Centaurs Vorhersagen auf andere Gruppen einschränken könnte. Sie wollen den Datensatz nun um das Vierfache erweitern.

Der nächste Schritt für das frei zugängliche Centaur-Modell sei die externe Validierung durch die Forschungsgemeinschaft, sagt Binz. "Im Moment ist es wahrscheinlich die schlechteste Version von Centaur, die wir je haben werden, und es wird von hier an nur noch besser."