Funkstille 2.0: Chinas neue militärische Kommunikationstechnik

Grafik: Dancing_Man, Shutterstock
Neue Funktechnologie. Kampfeinheiten für elektronische Kriegsführung unsichtbar. Passive Kommunikation reduziert das Risiko der Entdeckung.
Schon immer war funktionierende Kommunikation auf dem Schlachtfeld ein zentrales Element, um im Kriegsgeschehen die Oberhand zu behalten. Seit ihrer Einführung im Ersten Weltkrieg haben Funkgeräte reitende Boden, akustische Signale und visuelle Zeichen abgelöst. Funkverbindungen spielen bis heute eine zentrale Rolle bei der Übermittlung strategischer Nachrichten – überall da, wo keine Leitungen vorhanden sind.
Doch die Kommunikation über Funk setzt ihre Nutzer dem Risiko aus, nicht nur ihre Position sondern auch die kommunizierten Inhalte an den Feind zu verraten. So werden militärische Einheiten für Abhöraktionen, Störungen und Angriffe anfällig.
Doch geht es nach dem Willen von chinesischen Forschern, könnte dieses Katz-und-Maus-Spiel bald der Vergangenheit angehören. Denn sie arbeiten an einer Methode, schnelle Kommunikation auf dem Schlachtfeld zu ermöglichen, obwohl die kommunizierenden Einheiten absolute Funkstille wahren.
Passive Kommunikation
Ein Team im Institut für Luft- und Raumfahrtinformationsforschung der Chinesischen Akademie der Wissenschaften hat ein System entwickelt, das es Panzern, Kriegsschiffen oder Flugzeugen erlaubt, große Datenmengen zu senden, ohne dabei aktive Signale auszustrahlen.
Das Verfahren wurde in der Fachzeitschrift Journal of Radars veröffentlicht. Das Herzstück der Erfindung ist eine „intelligente Oberfläche“, die aus Hunderten programmierbaren Metamaterial-Kacheln besteht. Kombiniert mit einem Synthetischen Apertur-Radar (SAR) in einem Satelliten können Informationen ausgetauscht werden, ohne dass die Bodenstation elektromagnetische Wellen aussenden muss.
Die SAR-Technologie arbeitet im Mikrowellenbereich, was sie nicht nur vom Wetter und der Tageszeit unabhängig macht. Die Wellenlängen zwischen 300 und 7,5 Millimetern (1 bis 40 Gigahertz) durchdringen Wolken problemlos und ermöglichen es zudem, die gescannte Oberfläche aufgrund der empfangenen Reflexionen sehr genau abzutasten und etwa Häuser oder Bäume problemlos zu erkennen.
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Manipulierte Echos
Die von den chinesischen Forschern entwickelten Kacheln manipulieren die Strahlung durch SAR-Bildgebungssatelliten wie Chinas Gaofen-3 oder Ludi Tance 1, bevor sie sie reflektierten. Die Kachel können die Phasen in der Reflexion verschieben, was einer Null entspricht (180° Phasenverschiebung) oder eben nicht. Das kommt dann einer Eins (0° Phasenverschiebung) gleich. So können Nachrichten direkt in die Radarechos kodiert werden, die an die Satelliten zurückgehen.
Dabei ist die Datenrate beträchtlich und wird mit 127 Kilobit pro Sekunde (kBit/s) angegeben. Das ist mit der Bandbreite des Nato-Datenkommunikationsnetzwerks Link 16 vergleichbar, die zwischen 46 und 284 kBit/s liegt. Da keine zusätzliche nachweisbare Energie in die Umgebung abgegeben wird, können solche Plattformen in den natürlichen elektromagnetischen Hintergrund eintauchen.
Scheinbar halten die Forscher diese Technologie für so vielversprechend, dass sie gleich einige zusätzliche Innovationen entwickelt haben, um sie in verschiedenen Szenarien einsetzen zu können.
„Rauschdschungel“ und meterhohe Wellen
Wie die South China Morning Post berichtet, wurde die Technologie extra für elektromagnetische „Rauschdschungel“ in Städten und Reflexionen von Meeresoberflächen optimiert, um sicherzustellen, dass Signale auch bei feindlichen Störungen überleben. Es galt zudem, die Neigung und das Rollen von Schiffen in stürmischer See auszugleichen, weil die die phasenmodulierten Echos verzerren und gleichzeitig die Radarbildqualität bewahren.
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Während der Gaofen-3-Satellitendatentests, die Bedingungen mit Wellenhöhen von über zwei Metern simulierten, hielten Fehlerkorrekturprotokolle eine Bitfehlerrate von 0,77 Prozent aufrecht und übermittelten Bilder, ohne die Radarbildauflösung um mehr als 9,7 Prozent zu verschlechtern, schreibt die SCMP.
Das System wurde bislang allerdings nur unter Laborbedingungen getestet und muss sich noch in der Realität beweisen, aber die Forscher haben bereits weitreichende Pläne.
Nachdem das System in der Praxis erprobt worden ist, wollen sie ihre passive drahtlose Kommunikation auf weltraumgestützte Radarfernerkundungssysteme ausdehnen und ein umfassendes, integriertes Radar-Netzwerk aus Weltraum-, Luft- und Bodensystemen aufbauen.