Drehtür-Politik: 670 Ex-Politiker als Lobbyisten aktiv

Drehtür

Drehtür – im Bundestag viel genutzt. Bild: Beekeepx/ Shutterstock.com

Politiker wechseln oft in die Wirtschaft. Laut Lobbyregister sind 670 Ex-Politiker nun Lobbyisten. Doch wer zieht im Hintergrund die Fäden?

Der Wechsel von der Politik in die Wirtschaft bleibt ein Einfallstor für Lobbyismus und Interessenkonflikte. Das zeigt eine aktuelle Auswertung von abgeordnetenwatch.de zum Lobbyregister. Demnach haben mindestens 670 Lobbyisten vorher im Bundestag, in der Regierung oder der Bundesverwaltung gearbeitet.

Seit 2024 müssen Interessenvertreter im Lobbyregister angeben, wenn sie in den letzten fünf Jahren in der Bundespolitik tätig waren. Die Netzwerke dahinter bleiben aber oft unsichtbar, kritisiert abgeordnetenwatch.de.

Die Recherchen zeigen: Mehrere Ex-Mitarbeiter von Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) lobbyieren jetzt für Pharmakonzerne, ein früherer Büroleiter von CDU-Chef Friedrich Merz ist Direktor einer einflussreichen PR-Agentur.

Ein ehemaliger SPD-Verteidigungspolitiker arbeitet für einen Drohnenhersteller, ein Ex-Referent des heutigen Außenministers Johann Wadephul (CDU) vertritt die Interessen der Rüstungsindustrie.

Systematisches Problem?

"Wenn zahlreiche Ex-Abgeordnete und ihre Vertrauten direkt in Lobbyjobs wechseln, ist das kein Einzelfall, sondern ein systemisches Problem", sagt Sarah Schönewolf von abgeordnetenwatch.de. Der Übergang von politischer Macht in wirtschaftliche Interessenvertretung sei völlig unzureichend geregelt.

Karenzzeiten gelten nicht für alle Politiker

Zwar gibt es seit 2015 Karenzzeiten von zwölf bis 18 Monaten für Bundesminister und Staatssekretäre, die in die Wirtschaft wechseln wollen. Doch für Abgeordnete gelten diese Regeln nicht. Experten fordern längere Sperrzeiten und eine Ausweitung auf weitere Ämter.

In der Praxis werden die Karenzregeln zudem selten angewendet, die meisten Wechsel können weiterhin stattfinden. "Ohne gesetzliche Schranken, Abkühlphasen und Kontrolle wird das zur Gefahr für die Demokratie", warnt Schönewolf.

Lobbyregister mit Lücken

Auch das 2022 eingeführte Lobbyregister weist Lücken auf. Zwar müssen sich Lobbyisten registrieren und Angaben zu Auftraggebern und Finanzen machen. Doch für Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, politische Stiftungen und Kirchen gelten Ausnahmen.

Zudem fehlen Angaben zu Kontakten mit Ländern und Kommunen. Transparenz-Organisationen fordern weitere Verschärfungen und härtere Sanktionen bei Verstößen.

Drehtür dreht sich weiter

Insgesamt hat Deutschland die Transparenz- und Karenzregeln in den letzten Jahren zwar ausgeweitet. Doch Kritiker sehen weiter Nachholbedarf, um verdeckte Einflussnahme und Interessenkonflikte wirksam zu begrenzen.

"Der Wechsel von der Politik in die Wirtschaft bleibt ein Einfallstor für Lobbyismus. Die Drehtür dreht sich weiter", resümiert Schönewolf. Es brauche dringend strengere Regeln, damit politische Entscheidungen nicht von Konzerninteressen beeinflusst werden.