Campen für das Klima und gegen die Kohle

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Protesten in den Kohlerevieren, halbherziger Dekarbonisierung, Subventionen in Billionenhöhe und prosperierender Offshore-Windbranche

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Dieser August ist Hochsaison für Klimacamper. Während am Sonntag das Lausitzcamp in Groß Gastrose zu Ende ging, startete am Freitag in Lützerath das Klimacamp im Rheinland. In der Lausitz campten rund 300 Aktivisten, tauschten sich über die Folgen des Kohleabbaus aus und diskutierten Perspektiven des Kohleausstiegs in der Lausitz. Den Höhepunkt bildete eine Demonstration unter dem Motto "Coal Kills" vor dem Braunkohlekraftwerk Jänschwalde am 8. August. Etwa 500 Menschen nahmen an der Aktion teil, bei der weiß gekleidete Demonstranten das Bild eines Totenschädels vor dem Kraftwerk formten.

Demo am 8.August am Kohlekraftwerk Jänschwalde. Bild: lausitzcamp.info

Die Aktion stellte dabei nicht den Kohlendioxidausstoß, sondern die Emission vieler weiterer gesundheitsschädlicher Stoffe in den Vordergrund. "Laut einer Studie der Universität Stuttgart aus dem Jahr 2013 stößt das vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall betriebene Kraftwerk so viel Feinstaub, Stickoxide, Quecksilber und weitere Schadstoffe aus, dass dadurch pro Jahr knapp 4000 Lebensjahre verloren gehen. Statistisch entspricht das 373 vorzeitigen Todesfällen", heißt es in der Pressemitteilung des Lausitzcamps.

Neben der Aufforderung an Vattenfall, Jänschwalde als eines der dreckigsten und klimaschädlichsten Kraftwerke vom Netz zu nehmen, kritisierten die Veranstalter auch die Pläne des schwedischen Staatsunternehmens, seine Braunkohlesparte in der Lausitz zu verkaufen. "Ein schmutziges Geschäft wird durch einen Verkauf nicht sauber. Der neue Eigner wird Vattenfalls Pläne für weitere Tagebaue umsetzen, er wird Hunderte von Menschen aus ihren Häusern vertreiben und hektarweise Felder und Wälder zerstören. Vattenfall muss endlich Verantwortung übernehmen und den Verkauf abblasen", fordert Susanne Neubronner, Energieexpertin von Greenpeace. Für wahren Klimaschutz müsste Vattenfall seine Braunkohlesparte in Ostdeutschland herunterfahren und den fossilen Brennstoff im Boden lassen.

Eine weitere Aktion der Klimacamper richtete sich gegen die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), die zuletzt massiv gegen die Pläne für eine Klimaabgabe protestiert hatte. An einer Podiumsdiskussion zum Thema Strukturwandel wollte weder die Bezirksleiterin der IG BCE Ute Liebsch, noch der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Vattenfall, Frank Heinze teilnehmen.

Demo am 8.August am Kohlekraftwerk Jänschwalde. Bild: lausitzcamp.info

Von der Lausitz ging es für einen Teil der Klimacamper gleich weiter ins Rheinland. In Lützerath waren nach Angaben der Veranstalter bis Sonntag rund 700 Teilnehmer eingetroffen. Einige berichteten über massive Behinderungen bei der Anreise durch die Polizei. Fünf Personen seien nach einer Verkehrskontrolle 11 Stunden lang festgehalten worden, dabei sei es zu Beleidigungen und Verletzungen durch die Polizisten gekommen.

Das Camp, zu dem die Veranstalter 800 bis 1000 Teilnehmer erwarten, wird bis zum 17. August dauern, als wichtigste Aktion ist die Blockade von Kohlebaggern im rheinischen Revier am Wochenende vom 14. bis zum 16. geplant. In Kooperation mit dem Klimacamp findet eine Degrowth-Sommerschule zum Thema Klimagerechtigkeit statt. Klimacamp und Sommerschule liegen am Rand des Tagebaus Garzweiler, der Weiler Lützerath wird seit 2006 umgesiedelt und soll nach Plänen von RWE etwa 2017 abgebaggert werden.

Ein bisschen Dekarbonisierung

Für die Bundesregierung ist Dekarbonisierung im Gegensatz mit den Klimacampern nicht gleichbedeutend mit einem Kohleausstieg.

"Unter dem Begriff "Dekarbonisierung" versteht die Bundesregierung die Umstellung auf kohlenstoffarmes Wirtschaften. Unter einer "kohlenstoffarmen Weltwirtschaft" versteht die Bundesregierung eine Weltwirtschaft, deren CO2-Emissionen im Einklang mit dem globalen Ziel stehen, den Temperaturanstieg entsprechend den Empfehlungen des o. g. Sachstandsberichtes [ gemeint ist der fünfte Sachstandsbericht der AG III des Weltklimarates aus dem Jahr 2014] auf unter 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen", lautet eine der Antworten auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der Grünen.

Gefragt hatten die Abgeordneten unter anderem nach der konkreten Umsetzung der Absichtserklärung der G7 in Elmau zu einer Dekarbonisierung der Weltwirtschaft im Laufe dieses Jahrhunderts. In der Antwort der Bundesregierung ist lediglich davon die Rede, dass die G7-Staaten bis 2050 "kohlenstoffarme Strategien" entwickeln würde. Explizit fragten die Abgeordneten nach der Rolle, die die CCS-Technik in Zukunft spielen solle, und hier spricht sich die Bundesregierung weiterhin für eine großtechnische Demonstration aus. Geplante Demonstrationsvorhaben der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid sind bislang zum großen Teil am Widerstand vor Ort und der Ablehnung durch die Länderregierungen gescheitert.

Dass die Weltwirtschaft weit von einer Dekarbonisierung entfernt ist, belegen ausgerechnet Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Subventionen für fossile Energieträger in den G20-Staaten belaufen sich auf durchschnittlich 1000 US Dollar pro Kopf. In Deutschland sind es 684 US Dollar pro Kopf.