Hug the Police!

Kino-Doku „The Love Police“ über den Aktivisten Charlie Veitch

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Was kann man mit einem Megaphone, YouTube und Temperament anstellen, wenn man von Überwachungsstaat und artverwandtem die Nase voll hat? Das fragte sich der Aussteiger Charles Veitch, der 2008 seinen Job als Finanzberater in London verlor. Seither lebte er als selbsternannter Volksaufklärer sein Mitteilungsbedürfnis aus und machte von seinem Recht auf Meinungsfreiheit intensiv in der Öffentlichkeit Gebrauch. Veitch provoziert gerne da, wo etwa der Staat besonders viel Sicherheit beansprucht, etwa bei Demos vor der Downing Street 10, bei Studentenprotesten oder beim G20-Gipfel in Toronto, wo man ihn verhaftete. In London und Frankfurt erlebt er jeweils 2011 und 2012 das Ende der Occupy-Bewegung.

Veitch nervt Banken, macht dem Papst seine Aufwartung und begleitete Anonymous-Aktivisten beim Besuch von Scientology. Häufig überwacht er Überwacher zurück, etwa in London, wo er in eine Million CCTV-Kameras zurückfilmen kann. Oder er provoziert einfach so an öffentlichen Plätzen, in der U-Bahn oder an der McDonalds Filiale, um die Passanten etwa mit seinem ironischen Slogan „Everything is OK!“zum Nachdenken anzuregen. Etwa mit der Beruhigung, die Regierung werfe auf die Terroristen große Bomben.

Auf YouTube brachte er es zunächst mit Verschwörungstheorien zu einer gewissen Bekanntheit, denen er jedoch schließlich abschwor und sich seither allgemein kritisch mit Obrigkeit und Totalitarismus befasst. Veitchs guerillamäßige Auftritte sind zwar provokant, allerdings nicht aggressiv. Im Gegenteil nannten sich er und sein zeitweiser Mitstreiter, der Performance-Künstler Danny Shine, „The Love Police“ und konfrontierten echte Polizisten demonstrativ mit Umarmungen. Die Aktionen muten spontaner und anarchistischer an als etwa die kalkuliert provokanten Überraschungsbesuche des US-Filmemachers Michael Moore, der in den 1990ern Konzernen, Konservativen und sonstigen Kotzbrocken aufs Dach stieg. Wie bei Moores Show enden Veitchs Aktionen häufig mit eifrig geführten Diskussionen mit Sicherheitsleuten. Dies wird vor allem dann skurril, wenn diese sich über sein Filmen beschweren, während umgekehrt jeder Passant ständig von Sicherheitskameras gefilmt wird.

Der Filmemacher Harold Baer war bereits 2009 auf Veitch gestoßen und drehte über den Anarcho-Aktivisten die Doku „The Love Police“, die seit heute in ausgewählten Programmkinos läuft. Die Musik zum Film steuerten die Stereo MCs bei, die anlässlich der Premiere in Berlin ein Konzert gaben.