China: Frau des gestürzten Provinzparteichefs Bo Xilai kommt mit dem Leben davon

In der Volksrepublik bestätigt sich eine alte Regel: Die Führungsschicht versucht ihre Rivalitäten untereinander unblutig auszutragen. Davon profitiert selbst die wegen eines gewöhnlichen Verbrechens verurteilte Gu Kailai

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In der chinesischen Stadt Hefei wurde am Montag das Urteil gegen Gu Kailai, die Frau des im Frühjahr gestürzten Parteichefs der Megametropole Chongqing, Bo Xilai, verkündet, berichtet die in Hongkong erscheinende South China Morning Post. Gu war bereits vor knapp zwei Wochen in einem extrem kurzen Verfahren für schuldig befunden worden, ihren britischen Geschäftspartner Neil Heywood vergiftet zu haben. Das Urteil lautet nun auf lebenslange Haft und eine ausgesetzte Todesstrafe, die vollstreckt wird, sollte Gu sich in den nächsten zwei Jahren etwas zu schulden kommen lassen.

Der Prozess hatte besondere internationale Aufmerksamkeit gefunden, weil die Aufdeckung des Mords im Frühjahr zum Sturz ihres Ehemanns geführt hatte. Bo war bis dahin auch Mitglied des Politbüros der regierenden Kommunistischen Partei und wurde bereits als Kandidat für den innersten Kreis der Macht, dem ständigen Ausschuss des Politbüros, gehandelt. Außerdem verfügt er innerhalb der KP offensichtlich über vielfältige Beziehungen und gehört eher zu konservativen Kräften, die mit maoistischer Rhetorik die Macht des Parteiapparats stärken wollen.

Im Herbst findet der 18. Parteitag der KP Chinas statt, auf dem Teile des Zentralkomitees und des Politbüros ausgewechselt werden. Auch ein neuer Parteivorsitzender wird gewählt. Dieser wird dann im nächsten Frühjahr aller Voraussicht nach vom Nationalen Volkskongress zum neuen Präsidenten der Volksrepublik gemacht. Das Parlament wird zugleich auch einen neuen Ministerpräsidenten bestimmen.

Mit anderen Worten: In China gibt die alte Parteiführung unter dem KP-Chef Hu Jintao und dem Ministerpräsidenten Wen Jiabao gerade den Staffelstab an die nächste Generation ab, und darin dürfte auch der tiefere Grund für das vergleichsweise milde Urteil zu suchen sein. In Zeiten des Führungswechsels sind in der Vergangenheit immer wieder zum Teil sehr heftige Auseinandersetzungen zwischen den innerparteilichen Fraktionen aufgebrochen.

Der schnelle Prozess sowie die Tatsachen, dass Gu ihre Schuld umstandslos gestanden hatte und nun nicht gegen das Urteil Revision einlegen will, deuten daraufhin, dass ein Deal geschlossen wurde: Gu kommt noch einmal mit dem Leben davon, der Führung wird dafür ein längerer Prozess erspart, der in der Partei und der Anhängerschaft Bos für Unruhe gesorgt hätte.