Pillen statt Prügel: Macht Omega-3 die Welt friedlicher?

Omega, drei Kapseln und Quellen wie Ei oder Walnuss. Bild: Farion_O/ Shutterstock.com
Omega-3 kann Aggressionen um bis zu 30 Prozent reduzieren, zeigt eine neue Studie. Kinder profitieren besonders. Könnte die Nahrungsergänzung die Gewalt in der Gesellschaft verringern?
Die essenziellen Omega-3-Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) können aggressives Verhalten messbar reduzieren. Das zeigt eine aktuelle Metaanalyse von 29 randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) mit insgesamt 3.918 Teilnehmern, die von den Forschern Adrian Raine und Lia Brodrick durchgeführt wurde.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die regelmäßige Einnahme von Omega-3-Präparaten über durchschnittlich 16 Wochen Aggressionen um 22 bis 30 Prozent verringern kann - unabhängig von Alter und Geschlecht. Die Effekte zeigten sich sowohl bei impulsiver als auch bei geplanter Aggression.
Videos by heise
Besonders profitierten Kinder mit Impulskontrollstörungen, Hyperaktivität oder Anpassungsproblemen: Hier verbesserten sich durch die Omega-3-Gabe unter anderem Aufmerksamkeit, emotionale Stabilität und Sozialverhalten.
Omega-3 beeinflusst neuronale Funktionen auf mehreren Ebenen
Aber wie genau wirken die mehrfach ungesättigten Fettsäuren im Gehirn? Die Studie liefert dazu neue Erkenntnisse:
EPA und DHA sind essenzielle Bausteine für die Struktur und Funktion von Nervenzellmembranen, sogenannten Phospholipiden. Ein hoher Omega-3-Anteil verbessert die Fluidität der Membranen und damit die Signalübertragung zwischen Neuronen. Das fördert kognitive Fähigkeiten wie Impulskontrolle und Emotionsregulation.
Außerdem beeinflussen die Fettsäuren die Synthese, Ausschüttung und Wiederaufnahme von Neurotransmittern wie Serotonin und Dopamin. Diese Botenstoffe sind zentral für Stimmung, Motivation und die Hemmung aggressiver Impulse. Omega-3 erhöht die Serotonin-Aktivität und stabilisiert so die Affektregulation.
Darüber hinaus haben EPA und DHA entzündungshemmende Eigenschaften. Sie reduzieren die Bildung pro-inflammatorischer Eicosanoide und Zytokine, die mit erhöhter neuronaler Erregbarkeit, Reizbarkeit und Aggression in Verbindung stehen. Omega-3 wirkt hier als Schutzfaktor.
Ein weiterer Mechanismus ist die Förderung der Neuroplastizität und Neurogenese durch Omega-3. Das ermöglicht dem Gehirn, flexibler auf Umweltreize zu reagieren, was sich günstig auf Stressresistenz und Sozialverhalten auswirkt.
Dosierung, Einnahme und Indikationen
Die Studienautoren empfehlen für Erwachsene eine Tagesdosis von 250-500mg EPA und DHA. Zur gezielten Behandlung von Aggressionsverhalten wurden bis zu 1,5g täglich eingesetzt. Höhere Dosierungen über 3 Gramm pro Tag sollten nur unter ärztlicher Kontrolle erfolgen, da das Blutungsrisiko ansteigen kann.
Für Kinder gelten altersabhängig geringere Dosierungen. Gerade bei Vorliegen einer psychiatrischen Diagnose wie ADHS ist eine individuelle ärztliche Beratung sinnvoll.
Die Bioverfügbarkeit lässt sich optimieren, wenn Omega-3-Präparate zusammen mit einer fetthaltigen Mahlzeit eingenommen werden. Natürliche Quellen sind fetter Seefisch, Algenöl, Leinöl und Walnüsse.
Empfohlen wird eine Supplementierung vor allem unterstützend bei Aggressionsproblemen, Impulskontrollstörungen und psychiatrischen Erkrankungen mit Auswirkungen auf Stimmung und Verhalten. Auch präventiv ist eine ausreichende Versorgung sinnvoll, besonders wenn die Ernährung arm an Omega-3 ist.
Allerdings betonen die Forscher, dass Nahrungsergänzungsmittel eine Therapie nicht ersetzen, sondern nur ergänzen können. Positive Effekte stellen sich meist erst nach mehreren Wochen regelmäßiger Einnahme ein.
Was also tun?
Die umfangreiche Metaanalyse belegt die Wirksamkeit von Omega-3-Fettsäuren bei aggressivem und antisozialem Verhalten. Die Studie erklärt auch die zugrundeliegenden neurobiologischen Mechanismen. EPA und DHA beeinflussen die Gehirnfunktion auf mehreren Ebenen - von der Membranstruktur über die Neurotransmission bis hin zur Neuroplastizität und Entzündungsregulation.
Für eine optimale Versorgung empfehlen sich regelmäßige Einnahme, altersgerechte Dosierung und die Kombination mit einer insgesamt ausgewogenen Ernährung. Bei Risikogruppen kann eine gezielte Supplementierung unter ärztlicher Aufsicht unterstützend wirken.