Hol mir mal 'ne Flasche Bier

Union und SPD finden nicht zueinander - die Sondierung ließ sich nicht einmal schön trinken

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Nach der ersten Sondierungstreffen der Union mit SPD und Grünen in der vergangenen Woche gehen die Vorgespräche zu Koalitionsverhandlungen in die heiße Phase. Nach dem gestrigen Gespräch zwischen Sozialdemokraten und CDU/CSU folgt heute ein zweites Treffen mit den Grünen.

Im Vorfeld wurden die Vermutungen, dass es zu einer Großen Koalition kommt, immer lauter. Die Verhandlungen mit den Grünen würden demnach vor allem aus Höflichkeit geführt – und um die SPD in den Sondierungen stärker unter Druck setzen zu können. Doch zentrale Streitpunkte zwischen Union und SPD konnten beim zweiten Treffen nicht ausgeräumt werden.

Ein wichtiges Konfliktthema zwischen Konservativen und Sozialdemokraten ist der Mindestlohn. Die SPD fordert einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro. Die Union möchte lediglich Lohnuntergrenzen, die je nach Branche und Region verschieden ausfallen und zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgehandelt werden sollen.

Im Vorfeld der Sondierungen hatten beide Seiten ihre Position noch einmal klargestellt – jedoch nicht, ohne dabei eine Hintertür für Kompromisse offen zu lassen. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ließ die Union so via Bild am Sonntag wissen, dass der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 eine nicht verhandelbare Bedingung für eine Koalition sei. "Alles andere würden unsere Mitglieder nicht akzeptieren", so Nahles. Einen Tag zuvor hatte Angela Merkel in einer Videobotschaft noch einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn abgelehnt. Eine starke Tarifautonomie sei ein Beitrag für eine funktionierende soziale Marktwirtschaft, so Merkel.

Einen möglichen Kompromiss stellte Nahles jedoch am Montag wenige Stunden vor der Sondierung vor: demnach könne ein Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro gesetzlich festgelegt werden. Die weitere Entwicklung des Mindestlohns könne dann aber in die Hand von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und unabhängigen Wissenschaftlern gegeben werden.

Angenähert haben sich die potentiellen Koalitionspartner während der rund achtstündigen Marathonsitzung jedoch nicht. CDU-General Hermann Gröhe erklärte nach dem Treffen, es sei nun abgesteckt, welche streitigen Fragen in Koalitionsgesprächen zu bewältigen wären. Damit sei das Ziel des Gesprächs erreicht. Die Union werde nach dem Treffen mit den Grünen Bilanz ziehen. Am Donnerstag könne es dann, falls nötig, zu einem erneuten Sondierungstreffen mit der SPD kommen. Ob ein dritter Termin auch den Grünen angeboten werden wird, entscheidet der Verlauf des heutigen Abends.

Andrea Nahles (SPD) war nach dem Treffen die Erschöpfung deutlich anzusehen. Schuld daran ist möglicherweise nicht nur die lange Dauer, sondern auch die Härte des Gesprächs. Mehrfach soll es zu Unterbrechungen gekommen sein, weil es zu lautem Streit zwischen den Teilnehmern kam. Nahles erklärte dazu, es habe bei einigen Themen Schnittmengen, bei Themen wie dem Mindestlohn oder Steuern jedoch Differenzen gegeben. Eine Annäherung bei der zentralen Frage des Mindestlohns gebe es nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt könne sie ihrer Partei auch nicht empfehlen, Koalitionsverhandlungen mit der Union aufzunehmen.

Dass ein schwarz-rotes Bündnis keine so ausgemachte Sache ist, wie dies viele Beobachter vor dem Treffen noch betont haben, wird deutlich sichtbar – wenngleich der gestrige Abend auch nicht als Vorentscheidung für Schwarz-Grün zu werten ist. Schon wieder in eine Große Koalition zu gehen, scheint zumindest für einen Teil der Sozialdemokraten jedoch ein Gedanke zu sein, der nur im Rausch halbwegs erträglich ist. 2005 habe es bei den Koalitionsverhandlungen wenigstens noch Alkohol gegeben, dieses Mal jedoch nichts, monierte Nahles. Ein Satz, der über den aktuellen Stand vielleicht mehr aussagt als all die anderen Floskeln, die die Generalsekretäre im Nachklapp in die Kameras gesagt haben.