Euro-Finanzminister debattieren griechisches Verhandlungsangebot

Hans Jörg Schelling fordert Garantien für Umsetzung der Reformversprechen

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Heute Abend debattieren die 19 Euro-Finanzminister das Verhandlungsangebot, für das sich die griechische Regierung gestern eine Parlamentsmehrheit von 250 zu 32 Stimmen holte. Vorab waren sich die Minister gegenüber die Presse lediglich in einem Punkt ähnlich: Dass es wahrscheinlich spät (beziehungsweise früh) werden wird.

Vor, bei und nach seiner Einführung wurde der Euro vor allem mit dem Argument verkauft, er sichere den Frieden zwischen den europäischen Ländern - vor allem den zwischen Deutschland und Frankreich. Genau diese beiden Länder sind nun die Pole zweier unterschiedlicher Haltungen zum Umgang mit dem griechischen Angebot, das im Gegenzug für ein drittes "Rettungspaket" Reformen verspricht, die dazu führen sollen, die Zahlungsfähigkeit des Landes langfristig wiederherzustellen.

Während sich der französische Finanzminister Michel Sapin optimistisch gab und durchblicken ließ, dass man einen in den Verträgen verbotenen Schuldenerlass anders nennen könne, damit es zu keiner "nominellen Kürzung kommt, meinte sein deutscher Amtskollege Wolfgang Schäuble, er glaube nicht, dass der griechische Vorschlag für ein drittes Hilfspaket reicht. Nach Informationen des ORF hat er deshalb ein Papier dabei haben, in dem zwei Alternativen präsentiert werden: Ein Privatisierungsfonds, in dem Griechenland Vermögenswerte in Höhe von 50 Milliarden Euro einbringt, und ein auf vorerst fünf Jahre begrenzter Grexit.

Warum das griechische Angebot nicht reichen könnte, erklärte der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling: Ihm fehlen Details und Garantien dafür, dass die griechische Regierung die Reformversprechen und die versprochenen Privatisierungen auch wirklich umsetzt. Dass eine griechische Regierung etwas verspricht und dann nichts macht, passiert seinen Worten nach seit fünf Jahren. Verlorenes Vertrauen wiederherstellen könnte Schellings Meinung nach ein vom griechischen Parlament beschlossener großer Gesetzentwurf, der alle Reformen enthält und diese sofort und direkt umsetzt.

Dem Marburger Politikwissenschaftler Hubert Zimmermann zufolge fehlt dieses Vertrauen in die Lauterkeit der griechischen Politik den meisten europäischen Finanzministern. Sollten sie sich trotzdem auf ein drittes Hilfspaket einlassen, geschieht dies seiner im Fernsehsender Phoenix geäußerten Ansicht nach nur deshalb, um eine humanitäre Katastrophe in Griechenland zu vermeiden.

Schwierigkeiten bereitet offenbar auch die rechtliche Konstruktion, mit der die laut Schelling nicht 53,5, sondern insgesamt 72 Milliarden Euro ESM- und IWF-Geld genehmigt werden können. Weil bei einem Grexit keine direkte "Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt" mehr besteht, argumentieren Bailout-Verfechter mit der Beteiligung ausländischer Banken.

Einigen sich die Finanzminister heute auf eine gemeinsame Empfehlung, wird diese morgen um 16 Uhr den Staats- und Regierungschefs der Euroländer vorgelegt. Um 18 Uhr schließen sich dem Treffen die Ministerpräsidenten der neun EU-Länder an, die den Euro nicht eingeführt haben. Für Entscheidungen bei diesen Treffen ist Einstimmigkeit erforderlich.