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  • Ulf J Froitzheim

165 Beiträge seit 25.09.2007

Re: Das Urheberrecht wurde NICHT für gewerbliche Akteure geschaffen

BGMD schrieb am 2. Oktober 2011 12:12

> Das Urheberrecht ist aus rein gewerblichen Interessen (ein Monopol
> auf Buchdruck) entstanden und wurde von Gewerben (den Verlegern)
> gefordert. Anfang hieß das deutsche Urheberrecht sogar noch
> "Verleggerecht" (heute ein Unterteil des Urheberrechts).

Das zeigt, wie wunderbar man sich selbst widersprechen kann: Sogar
das Verlagsrecht (nicht Verlege-, Verleger- oder, ähem,
"Verleggerecht") liegt beim Autor. Dieser ist frei darin, es einem
Verlag zu übertragen oder sein Werk im Selbstverlag herauszugeben.
Deshalb wird das Verlagsrecht innerhalb des Urheberrechtsgesetzes
geregelt und nicht etwa das Urheberrecht innerhalb eines
Verlegerrechtsgesetzes.

> Die Urheber wurden je nach Zeitgeist vor den Karren gespannt, um den Monopolschutz zu 
> rechtfertigen, das ändert aber nichts daran dass das Urheberrecht ein Recht zwischen gewerblichen
> Akteuren war und ist.

Das ist nichts als polemische, ideologische Agitation. Es gab immer
Autoren, die sich von ihren Verlegern ausgebeutet fühlten - manche
völlig zu Recht, andere aber nicht. Es gab immer auch Verleger (und
es gibt sie heute noch), die sich um die Kultur und die Demokratie
verdient gemacht haben und fair zu ihren Autoren waren.

> Erst in den letzten Jahrzehnten hat die massenhafte Kopierbarkeit den normalen Bürger erreicht.

Das fing an mit der Xerographie und dem Kassettenrekorder, also Mitte
der Sechziger. Just-in-time, nämlich 1965 (damals war Siegfried
Kauder ein Halbstarker), trat das bundesrepublikanische UrhG in
Kraft, das die Privatkopie legalisierte. Dessen Grundprinzip - dass
über Geräteabgaben die Autoren für diese Nutzung entschädigt werden -
kann man als bekannt voraussetzen. Es ist auch nicht schwer zu
verstehen. 

> Es ist ein hochkompliziertes Recht, über das zahlreiche Mißverständnisse existieren und auf keinen
> Fall etwas für den "normalen Bürger". 

Seit wann ist das Recht ein Büffet, an dem sich "normale" Bürger die
ihnen genehmen Gesetze aussuchen können? Wenn alle Gesetze, die
irgendwer zu kompliziert findet, allein aus diesem Grunde
"unbeachtlich" wären, wie Juristen das so schön nennen, lebten wir in
einem weitgehend rechtsfreien Raum. Will sagen: Wenn Ihnen die
Gesetze zu sperrig sind, treten Sie doch in eine Partei ein (oder
gründen eine eigene) und lassen sich wählen, um bessere zu machen.
Ich würde Sie wählen, schon deshalb, um sehen, wie Sie das
hinkriegen. ;-)

Oder um Ihre Denke auf einen Kalauer zu komprimieren:

"Unwissenheit schützt vor Strafe, nicht?" 

> Es ist auch kein Recht, das ein Mensch über eine einfache, ihm immanente Ethik befolgen könnte.

Ach nee: Der "normale" Bürger ist also blöd? Das bezweifle ich stark.
In Wahrheit ist es doch so, dass jeder mittlerweile mitbekommen hat,
dass Raubkopien illegal sind, und auch, was als Raubkopie gilt -
nämlich a) Kopien von einer Vorlage, die man selber schon nicht legal
erworben hat, b) Kopien von kopiergeschützten Vorlagen und c) Kopien
in Tauschbörsen, die schon deshalb keine Privatkopie sein können,
weil man dort mit Fremden "tauscht", in Wahrheit aber die Werke
vervielfältigt. 

Die Leute sind nicht zu dumm, um die Gesetze zu verstehen, die sehen
es nur nicht ein, Geld zu bezahlen, wenn es so einfach ist, sich die
Megabytes für lau anzueignen, und die Wahrscheinlichkeit, bestraft zu
werden, so gering. Gelegenheit macht geistigen Diebstahl, so simpel
ist es.

So wie Sie mit Ethik zu argumentieren ist heuchlerisch. Würde ein
Schwarzfahrer sich auf irgendeine Ethik berufen? Nein, er lässt nach
dem Motto "Der Ehrliche ist der Dumme" andere für sich mitbezahlen.

Hinter dem Urheberrecht steht dagegen tatsächlich eine Ethik, und die
IST so simpel, dass jeder Grundschüler, der schon mal eine
Eintrittskarte fürs Kasperletheater oder einen Bon fürs Karussell
gekauft hat, sie verstehen kann: Wer ein immaterielles Gut erschafft,
der hat ebenso Anspruch darauf, von den Nutzern dieses Guts bezahlt
zu werden, wie der Hersteller eines materiellen Guts. Menschen sollen
von ihrer Arbeit leben können, jedenfalls dann, wenn sie mit dieser
Arbeit ein öffentliches Bedürfnis befriedigen. Dieses Bedürfnis ist
sehr real, sonst gäbe es keine Raubkopien. 

Ihrer Logik folgend, dass es unethisch sei, für die Aufbereitung von
Wissen, das Aufschreiben von Erkenntnissen oder künstlerische
Arbeiten Geld zu fordern, müsste man wohl von der Industrie
verlangen, dass sie ihre Produkte zum Materialwert verkauft. Am Preis
eines Autos oder Handys hat geistiges Eigentum (Software, Design,
Fertigungs-Know-how, Patente) weit mehr Anteil als physische
Rohstoffe.

Ohne den Schutz geistigen Eigentums gäbe es sehr viel von der
Technik, mit der wir uns umgeben, bis heute nicht. Wer sich unter dem
Vorwand, gierige Medienkonzerne schlagen zu wollen, in Wirklichkeit
an der Enteignung der Autoren beteiligt, sägt an dem Ast, auf dem wir
hierzulande alle sitzen. Eine Volkswirtschaft, die Wissen und
Kreativität nicht wertschätzt, kann keine wettbewerbsfähige
"Wissensgesellschaft" sein. Den Luxus könnte sich nur ein
rohstoffreiches Land leisten.

> Ein *intensive* Beschäftigung damit ist unablässig wenn man nicht unabsichtlich eine
> Straftat begehen will.

Mir kommen die Tränen. So rührselig hat noch niemand Herrn Kauder zu
verteidigen versucht.

> Auch Patente können (und werden) CC-ähnlich "lizensiert", auch wenn
> man davon weniger mitbekommt.

Entweder haben Sie keine Ahnung vom Patentrecht oder von CC - oder
Sie argumentieren böswillig. 

Vielleicht wollen Sie ja darauf hinaus, dass das Patentrecht es
zulässt, Lizenzen unterschiedlichen Nutzern zu unterschiedlichen
Konditionen zu gewähren, von prohibitiv teuer bis kostenlos. Der Sinn
von Patenten ist es, den Stand der Technik in einer Weise
offenzulegen, die die wirtschaftlichen Interessen der Innovatoren
schützt und Investitionen in technischen Fortschritt rentabel macht.
CC-Lizenzen sollen dagegen Wissen und Kunst eine weite Verbreitung
verschaffen, ohne dass dies von der Wirtschaft ausgebeutet wird. 

> Zudem schließen sich CC und gewerbliche Nutzung bei Leibe nicht aus.

Hatte ich nicht behauptet.

> Die Schrankenregelungen (fair Use) in Amerika gehen weit über das hinaus, was wir hier in 
> Deutschland haben.

Sorry, so eine Verallgemeinerung ist grober Unsinn. Es ist ein
anderes System, eine andere Rechtstradition, und der Digital
Millennium Copyright Act schränkte die legale Nutzung IMHO stärker
ein als alle UrhG-Körbe zusammen. So schützte die Fair Use-Doktrin
noch nie das Kopieren kompletter Werke (z.B. Songs). Wenn Amerikaner
ihrer Frau zum Geburtstag eine CD mit ihren Lieblingsliedern brennen
dürfen, ist das gerade nicht Fair Use zu verdanken, sondern einer
Lizenz (iTunes und Amazon erlauben es in ihren AGB, eine bestimmte
Zahl von CDs von den heruntergeladenen Liedern zu brennen), und diese
Höchstgrenzen sind bei den bekannten DRMs in Software gegossen
worden. 

Ob eine Nutzung "fair" (angemessen) ist, hängt von deren Zweck ab.
Legitim war immer die Nutzung im Rahmen der "öffentlichen Bildung"
und der "Anregung geistiger Produktionen". Das sind jedoch bereits
ziemlich massive Einschränkungen des Kopier(un)wesens. 

Seit man dank Digitaltechnik verlustfrei kopieren kann, streiten sich
Amerikas Juristen eher darüber, was man heute alles NICHT MEHR darf.
Ich zitiere mal Lawrence Lessig aus irights.info: 

"Wir stützen uns auf ein schwerfälliges und teures juristisches
Mittel („Fair Use“), um Freiheiten zu schützen, die vorher
selbstverständlich waren." Mit anderen Worten: Wäre Fair Use der
Stein der Weisen gewesen, hätte sich Lessig nie über etwas wie CC den
Kopf zerbrochen.

http://www.irights.info/index.php?q=node/442

> In Amerika darfst du verwaiste Werke kommerziell vertreiben oder sonstwie kopieren, soviel du 
> willst. Das Freut besonders die Filmnerds, die alte, obskure Klassiker trotzdem sehen dürfen im
> Gegensatz zu hier.

Sehen darf man sie auch hier. Nur nicht kommerziell verwerten. Das
ist aber ein Spezialproblem – und vom Fall Kauder denkbar weit weg.

> In Amerika sind alle Veröffentlichungen des Staates (z.B. der NASA) automatisch Public Domain.

Auch darum geht es hier nicht. 

> In Amerika sind die Schutzfristen kürzer (95 Jahre nach Veröffentlichung vs. 70 Jahre nach dem
> Tod des letzten(!) Mitwirkenden hier in Dt.).

Beide Bestimmungen sind nur bei zeitlosen Klassikern relevant. Für
grob geschätzt 99,x Prozent der urheberrechtlichen geschützten Werke
sind diese Fristen belanglos. Bis zum Jahr 2106 dürfte kaum etwas,
was wir heute so produzieren, Bestand haben.

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