Wird Deutschland auch beim LNG von China abhängig?
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Vom Gaseinkäufer zum bedeutendsten LNG-Zwischenhändler – die Bedeutung Chinas im Gashandel ändert sich. Deutsche Einkäufer mit Problemen konfrontiert. Das ist nicht der einzige Engpass.
Nach dem Ende der langfristig gesicherten Gaslieferungen per Pipeline aus Russland ist Deutschland als Käufer von LNG am Weltmarkt aufgetreten. Zuerst hat man den Bedarf am Spotmarkt gedeckt, wo man andere Kunden mit viel Geld ausstechen konnte. Zum Glück für Deutschland sorgten die chinesischen Lockdowns und nach deren Ende die hohen Krankenstände im Reich der Mitte für eine reduzierte chinesische Gasnachfrage.
Deutschland stand am Weltmarkt in erster Linie im Wettbewerb mit Ländern wie Pakistan, die nicht in der Lage waren, Gaspreise zu bezahlen, welche die deutschen Endverbraucher zwar schmerzen, von der Politik jedoch als noch erträglich angesehen wurden.
Nachdem die Pipelines aus Russland ausgeschaltet wurden und Deutschland dauerhaft von LNG abhängen wird, drängen dessen Anbieter auf langfristige Verträge, um ihre Investitionen in den Ausbau der Förder- und Verladeeinrichtungen abzusichern. In Deutschland, wo die Bundesregierung ein baldiges Ende von Öl- und Gasheizungen anstrebt, war man verständlicherweise über den Druck zu langfristigen Lieferkontrakten nicht besonders erfreut.
Inzwischen läuft die chinesische Wirtschaft wieder an und China tritt wieder vermehrt als Käufer im LNG-Markt auf. Unter dem Eindruck der europäischen Gasnachfrage sichert sich China zunehmend mit langfristigen Bezugsverträgen ab, um dadurch dem teilweise teuren LNG-Spotmarkt auszuweichen. China verfügt über große Dollarvorräte, die man gut für den Gas-Einkauf nutzen kann, der im Gegensatz zum Handel mit Hochtechnologie noch weitgehend unreguliert ist.
Hat man mehr als benötigt eingekauft, kann man immer noch gegen Euro verkaufen und hat dann seinen hohen Dollarbestand reduziert. Dass man China jetzt vorwirft, Europa das Flüssiggas weggekauft zu haben, ist zwar nachvollziehbar, aber letztlich eine Folge der Vorgabe, dass der Markt alles regelt.
China hat sich vom Gaseinkäufer für den eigenen Bedarf in kürzester Zeit zum bedeutendsten LNG-Zwischenhändler entwickelt, der den Markt so sehr dominieren wird, dass alle Versuche der deutschen Bundesregierung, mit Direktkontakten auf Regierungsebene am Markt vorbei ähnlich günstige Einkaufsbedingungen zu erhalten, wie man sie im Russlandgeschäft seit den 1970er-Jahren gewohnt war, nur noch als Träumereien betrachtet werden sollten.
Die Absicht, die deutsche Gasnachfrage künftig zu reduzieren, sorgt zudem dafür, dass Deutschland in absehbarer Zeit wohl kaum noch ein wichtiger Kunde ist, den man halten sollte.
Auch wenn die Großhandelspreise nach dem Höchststand der deutschen Gasspeicher-Einlagerung wieder gefallen sind, werden sich Deutschland und die EU künftig im selbst gewünschten globalen Markt zurechtfinden müssen.
Dass der seit Mitte Februar etablierte EU-Gaspreisdeckel die Gaspreisentwicklung dauerhaft einhegt, kann jedoch bezweifelt werden. Zu schnell können sich im globalisierten Markt neue Schlupflöcher auftun und neue Player ihren Platz finden.
So hat der US-amerikanische Börsenbetreiber Intercontinental Exchange (ICE) parallel zur europäischen Gasbörse Title Transfer Facility (TTF) in Amsterdam wegen des EU-Gaspreisdeckels in der EU am 20. Februar einen Handelsplatz in London eröffnet, an dem die EU-Maßnahmen umgangen werden können.
ICE betrachtet die preisbeschränkenden Maßnahmen als Marktstörung und will dem Handel eine Möglichkeit eröffnen, sich nicht an die EU-Vorschriften halten zu müssen.
Abhängigkeit von China bei Erneuerbaren nimmt weiter zu
Viele Schlüsselbausteine, die Deutschland für die Energiewende benötigt, kommen aus Fernost. Bei Photovoltaikmodulen kommen gut 90 Prozent aus China. Bei der Anlagenelektronik hat sich der mit Sanktionen der USA belegte Huawei-Konzern inzwischen ein kräftiges Standbein zugelegt.
Windkraftgeneratoren sind ohne Seltene Erden kaum denkbar. Inzwischen haben sich nach der PV-Branche auch viele Windkraftanlagenhersteller aus Deutschland zurückgezogen.
Die im Zusammenhang mit einer politisch gewünschten Wasserstoffwirtschaft vorgesehene Nutzung von Brennstoffzellen, wird sich schon bald mit der Herausforderung auseinandersetzen müssen, dass die Membranen für Brennstoffzellen bislang fast vollständig aus China beschafft werden.
Beim Bestreben der EU sich unabhängiger von der Volksrepublik China zu machen, wird immer häufiger festgestellt, dass man in mehr Details als bislang gedacht auf die eine oder andere Weise von China abhängig ist.
Im Kontext der US-amerikanischen Überlegungen, eine militärische Auseinandersetzung mit der Volksrepublik China zu suchen und den damit verbundenen erweiterten Sanktionen und Lieferunterbrechungen bei Rohmaterial wie Seltenen Erden und Komponenten, die für die angestrebte Energiewende dringend benötigt werden, scheint das Hase-und-Igel-Prinzip zu gelten.
Die Forderungen von Hildegard Bentele (MEP) dass sich die EU auf den Fall der Lieferketten vorbereiten sollten, erscheint in diesem Zusammenhang wie das berühmte Pfeifen im Walde.
Die langfristige chinesische Strategie, erneuerbare Energien anstelle der fossilen einzusetzen, hat inzwischen auf praktisch allen entsprechenden Feldern zu einer Dominanz chinesischer Marktteilnehmer geführt. China ist jedoch, anders als vielfach erwartet, bei vielen Rohstoffen keinesfalls Selbstversorger, sondern von Lieferungen aus dem Ausland abhängig und daher auf einen entsprechenden globalen Zugang angewiesen.
Dies sieht man in westlichen Staaten als Möglichkeit, die chinesische Entwicklung zur wirtschaftlichen Führungsmacht auszubremsen. China setzt daher auf eine möglichst umfassende Diversifizierung beim Einkauf und eine strategische Monopolisierung bei der Aufbereitung und beim anschließenden Verkauf.