Web Community reanimierte TV-Kultsendung
GEMA-Schock und Fan-Reaktion
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Doch obwohl die Sendung sogar mit der Goldenen Hermann Oberth-Medaille für besondere Verdienste um die Verbreitung des Raumfahrtgedankens ausgezeichnet und der Kern der treuen Fans immer größer wurde, sah es Anfang dieses Jahres eine Zeit lang danach aus, als würde sie nach knapp 19-jähriger Erfolgsgeschichte wieder das Zeitliche segnen müssen.
Im Zuge der Tarifreform der "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte" (GEMA), die für die Space Night weitaus höhere Tantiemen verlangte, stellte der Bayerische Rundfunk die bei BR Alpha ausgestrahlte Space Night zum 7. Januar 2013 ein und bestätigte zehn Tage später auf seiner Website das Ende der Kult-Sendung.
Doch der Bayerische Rundfunk unterschätzte die Reaktion der treuen Space-Night-Fans. Nur Stunden später hagelte es Proteste, nur wenige Stunden nach der für die Liebhaber dieser Serie so schicksalshaften Meldung gründete Tobias Schwarz die Facebook-Seite "Wir wollen die BR Space Night zurück" und stellte sie online.
Einen Tag später wuchs die Empörung dermaßen, dass darüber sogar Die Welt in ihrem Online-Ableger berichtete: "Damit hat der BR wohl nicht gerechnet, dass es noch so viele Fans der Space Night gibt." Die Intervention der Hardcore-Fans fiel auf fruchtbaren Boden, zumal sich auch der BR-Redakteur Thomas Hausner unermüdlich für die Space Night einsetzte. Nicht minder aktiv zeigte sich der freie Radio- und Webredakteur Christian Grasse vom "Deutschlandradio Kultur - Breitband", der dem Leiter des Programmbereichs Wissenschaft, Planung und Entwicklung bei BR-alpha, Werner Reuß, einen Brief zusandte. In dem auf den 18. Januar 2013 datierten Schreiben setzte sich Grasse mit pathetischem Worten für eine Fortsetzung der Space Night ein und konterte auch mit einem starken Argument.
[…] warum verzichten Sie nicht einfach auf GEMA-Inhalte und verwenden stattdessen frei lizenzierte Musik? Diese Alternative wäre keine Notlösung, sondern eine Win-Win-Situation für BR, Zuschauer und Künstler. Die Verwendung von Creative Commons-lizenzierter Musik würde Ihnen auch neue Möglichkeiten eröffnen, um das Programm neu zu positionieren.
Grasses Vorschlag verfehlte seine Wirkung nicht. Bereits am 25. Februar 2013 flimmerte die Space Night auf BR-alpha mit alten Folgen und neu produzierter Musik wieder über den Bildschirm. Und als der Bayerische Rundfunk am 5. August 2013 mit der neuen Website Space Night.de ins Netz ging, war der symbolische Bruch mit der GEMA für jeden evident.
Der CC-Musik-Trick
Denn anstatt weiterhin überhöhte Gebühren zu zahlen, entschied sich der BR im Sinne seiner Fans für die Ausstrahlung von Musik auf der Basis von Creative Commons-Lizenzen. Die dahinter steckende Idee ist einfach wie genial: Jeder Musiker oder Komponist, der sich angesprochen fühlt, kann seine Werke auf der BR-Website der Space Night hochladen und mit etwas Glück von der Redaktion den Zuschlag bekommen und auch einen kleinen Obolus dazu verdienen. Schließlich gehen beim Prinzip der community-basierten Vertonung die Künstler nicht leer aus. Zumindest beim Bayerischen Rundfunk nicht, wird doch jeder von der Redaktion ausgewählte Soundtrack einerseits für die Nutzung lizenziert, andererseits mit 150 Euro pro Künstler und Musikstrecke honoriert.
Inzwischen sind auf der Upload-Plattform mehr als 1000 Musiktitel von Komponisten aus elf verschiedenen Ländern hochgeladen. Für Thomas Hauser ein Grund zur Freude, unter dessen Regie auch vier Space-Night-Klassiker mit Creative Commons (CC)-Musik neuvertont wurden. "Die 'neue Space Night' dürfte damit die erste Fernsehserie weltweit sein, bei der ein zentraler Bestandteil der Folgen - die Musik - durch die Community im Internet generiert wird", so Hauser.
Die notwendige Reform
Dass die Qualität der bis zur GEMA-Zäsur verwendeten Musiktracks und die des Bildmaterials, das noch aus den Anfängen der Shuttle-Ära stammte und seinerzeit auf 16 mm-Film gebannt wurde, gemessen an heutigen Standards eher zu wünschen übrig lässt und daher dringend reformbedürftig ist, gibt auch Georg Scheller unumwunden zu. "Zu der damaligen Zeit war das recht ordentlich und wir waren die Einzigen, die das gesendet haben, aber mittlerweile gibt es wirklich viel mehr Material", sagte Scheller der dpa.
Da die BR-Macher frühzeitig aus einem großen musikalischen Fundus schöpfen konnten, musste somit neues und möglichst hochauflösendes Bildmaterial her. Tatsächlich gelang es ihnen, binnen kurzer Zeit viele Bilder und Filme in HD-Qualität aufzutreiben, die von der NASA, der ESA, dem DLR, der Europäischen Südsternwarte ESO und diversen Universitäten zur Verfügung gestellt wurden.
Nur auf den größten Datensatz musste der Bayerische Rundfunk unverhofft einige Woche warten, weil als Folge des Mitte Oktober 2013 verkündeten und realisierten US-Haushaltsstopps, des sogenannte Government Shutdowns, auch die Mitarbeiter des umfangreichen Archivs der NASA allesamt in den unbezahlten Urlaub geschickt wurden. Sogar in den USA nahmen Agenturen und Zeitungen von diesem Problem Notiz und druckten zumindest die dazugehörige Pressemeldung ab, die unter dem Titel "US shutdown hits cult German late-night TV show" in der Washington Post, der L.A. Times oder der ABC News Schlagzeilen machte.
Als jedoch nach Beendigung des Haushaltstopps das neue Filmmaterial zur Verfügung stand, feierte der Bayerische Rundfunk letzten Mittwoch, zweieinhalb Tage vor dem Start der neuen dreiteiligen Space-Night-Staffel in München den Neustart im Rahmen einer kleinen Insider-Party, zu der auch der deutsche Ex-Wissenschaftsastronaut Reinhold Ewald als Ehrengast geladen war und die selbst der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) einen Artikel wert war.
Neue Staffel überzeugt
Während im Nachtprogramm von BR-Alpha die alten Space-Night-Staffeln wiederholt werden, laufen nunmehr seit Samstagmorgen im Bayerischen Fernsehen fast täglich ab 3.00 Uhr drei zirka 55 bis 58 Minuten lange Folgen, die der BR-Redakteur Georg Scheller mitsamt Team produziert hat und die allesamt auf neuem Bild- und Filmmaterial sowie GEMA-freier Musik beruhen. Tatsächlich setzen die drei Folgen ganz neue Akzente, was nicht allein der digitalen, professionell sphärischen Chill-Out-Musik, sondern auch den gestochen scharfen Bildern zu verdanken ist.
Wer ihnen begegnet, sieht in dem ersten Streifen "The Blue Planet" einerseits die klassisch vertrauten Motive: weiße Wolken, blaue Meere, Berge, Wüsten und Dünen etc. Andererseits zeigen sich ihm ebenso farbenfrohe Nordlichter oder die Inseln Polynesiens in HD-Qualität. In der Folge "How to become an Astronaut" erhält der Fernsehzuschauer (oder User) einen tieferen Einblick in die Internationale Raumstation und das Trainingsprogramm der angehenden Raumfahrer. So nimmt der italienische Astronaut Luca Parmitano in dem Film den Zuschauer an die Hand und zeigt ihm Ausschnitte aus dem harten Trainingsprogramm, das ihm den Weg zur Internationalen Raumstation ebnete. Selbst sein Weltraumeinsatz außerhalb der ISS ist mit eindrucksvollen Bildern dokumentiert.
In dem Streifen "Flight through the Skies" hingegen rücken das Weltraumteleskop Hubble und die Teleskope der Europäischen Südsternwarte in den Vordergrund, insbesondere das in Chile ansässige Interferometer Alma.
Raketenstarts, die Vorbereitungen zum Lift-off, Deep-Space-Bilder und Animationen wie etwa ein Schwarzes Loch in Aktion runden den dritten Teil der Space Night ab und garantieren einen abwechslungsreichen Augenschmaus. Hörenswert ist auch der Chill-Out-Rap "Science Fiction", der auf einigen sich wiederholenden Sentenzen und Satzfragmenten von Harald Lesch beruht, die aus der Alpha Centauri-Sendung "Sind wir allein im Universum?" extrahiert wurden. Die derzeit ausgestrahlte aktuelle Space-Night-Staffel soll bis März 2014 im Programm bleiben, bevor dann im Frühjahr 2014 neue Folgen über die Mattscheibe oder den Computermonitor flimmern.
Kampf um Sendeplatz
Wie die nahe Zukunft auch immer aussehen mag - die werbewirksame Pressemeldung vom BR, in der von atemberaubenden Filmaufnahmen "in so noch nie gesendeter Qualität" die Rede ist, vom "Quantensprung in Sachen Brillanz und Schärfe", korrespondiert größtenteils mit der Wahrheit.
Einen kleinen Wermutstropfen gibt es dennoch. Er betrifft die vierte Dimension: die Zeit. Ursprünglich sollten nämlich die neuen Folgen fast jede Nacht ausgestrahlt werden, meist ab drei Uhr in unterschiedlicher Länge. Dass jedoch - so geschehen vor wenigen Stunden - in der Nacht vom Montag auf Dienstag die Space Night nur ein zehnminütiges Intermezzo erlebte, also nur zehn Minuten Sendezeit zugesprochen bekam, deutet darauf hin, dass die Space Night sich ihren festen Platz im Bayerischen Fernsehen noch erobern und erkämpfen muss, zumal ihre Sendedauer in den nächsten Tagen ähnlich limitiert ist.
Dies wird ihr langfristig gelingen, hat die GEMA-bedingte Zäsur ihr doch mehr genutzt als geschadet. Sie hat einen Sprung nach vorn gemacht. Keineswegs einen Quantensprung, wie die BR-Pressemeldung suggeriert. Schließlich geht ein Quantensprung stets mit Energieverlust einher. Auf die neue Space Night trifft dies indes nicht zu. Sie ist dynamischer und energiegeladener als je zuvor. Sie ist dank ihrer User, der Social Networks und des CC-Musik-Tricks um eine Nuance reifer und kreativer geworden. Bei ihr gehen Bild und Ton eine enge, gleichwohl aus der Not geborene Symbiose ein. Es ist eine, die die User selbst initiiert haben und die ihnen die Chance eröffnet, einen Flow zu erleben und womöglich den von Astronauten so oft erlebten Overview-Effect wenigstens partiell nachzuempfinden. Vielleicht auf eine Weise, die der Vater der Space Night, Georg Scheller, bereits vor zehn Jahren in seinem Buch "space night" charakterisiert hat:
Der Erfolg der Space Night, ihr Kultstatus, mag vor allem damit zu tun haben, dass sie nachts ausgestrahlt wird, zu einer Zeit, da der Verstand langsam dem Gefühl Raum gibt. In diesem Raum kann sich das Lebensgefühl der Zuschauer mit dem der Astronauten, die die Aufnahmen gemacht haben, treffen.
Online sind die drei neuen Folgen hier zu sehen.
Unter Space Night.de können Fans weiterhin selbst komponierte Stücke hochladen.
(Harald Zaun)