US-Strategiepapier: Der Wettlauf ums ressourcenreiche Afrika
Kinder schürfen im Ostkongo nach Mineralien. Bild: Enough Project / CC BY-NC-ND 2.0
Die USA wie die G7 stellen Afrika zunehmend in den Fokus. Es geht um enorme Rohstoff-Vorkommen – oft endet der Run darauf in Menschenrechtsbrüchen und Krieg. Wie man Russland und China auf Distanz halten will.
Im August veröffentlichte das Weiße Haus ein neues Strategiepapier für Subsahara-Afrika. Darin macht die US-Regierung ausführliche Zugeständnisse. Demokratie, Menschenrechte und Gesundheit sollen gefördert werden. Strategische Interessen im Papier drehen sich um den Zugang zu großen Seewegen, die Mineralien "die unsere moderne Welt antreiben", Mitsprache in der UN, Freihandelsabkommen und den sogenannten Krieg gegen den Terror.
Im Gegensatz zu den wertebasierten Zielen, welche die USA laut eigenen Angaben vertreten, warnt das Strategiepapier deutlich vor den Risiken der "negativen" Aktivitäten der Volksrepublik China oder Russlands. China sähe die Region demnach als Arena, die "regelbasierte Ordnung" herauszufordern, um ihre eigenen "beschränkten" kommerziellen und geopolitischen Interessen zu fördern, Transparenz und Offenheit zu untergraben und die Beziehungen der USA mit anderen afrikanischen Völkern und Regierungen zu schwächen.
Während die USA Stabilität und Demokratie suchten, sei die Region für Russland eine großzügige Umgebung für halbstaatliche Gebilde und private Militärfirmen, die oft für strategischen und finanziellen Vorteil Instabilität befördern. Russland wird vorgeworfen, mithilfe von Desinformation seine Sicherheits- und Wirtschaftsbeziehungen zu nutzen, um Afrikas Opposition gegen Russlands Invasion der Ukraine zu untergraben.
Fokus Afrika
Afrika repräsentiert 28 Prozent der UN, hält drei nicht-permanente Sitze im Sicherheitsrat und soll im Jahr 2050 ein Viertel der Weltbevölkerung ausmachen, außerdem stehen Afrikaner an der Spitze mehrerer der wichtigsten internationalen Organisationen wie z.B. der Weltgesundheitsorganisation WHO und der World Trade Organization, heißt es im Papier.
Es geht auch darum, Entwicklungen im Finanzbereich zu fördern. Die G7 erklärten 600 Milliarden Dollar zu mobilisieren, um die Partnerschaft globale Infrastruktur und Investment (PGII) ins Leben zu rufen, die westliche Antwort auf die chinesische Neue Seidenstraße.
Außerdem ist seit 2018 beabsichtigt, mit der African Continental Freetrade Area (AfCFTA) aus dem Kontinent eine afrikanische Freihandelszone zu schaffen. Sobald alle Unterzeichnerstaaten ratifiziert haben, wäre die AfCFTA der fünftgrößte Wirtschaftsraum der Welt mit einem geschätzten gemeinsamen BIP in Höhe von 3,4 Billionen Dollar. Die USA haben bereits unter Bush II mit dem African Growth and Opportunity Act (AGOA) dafür gesorgt, dass afrikanische Händler zollfrei ihre Waren in die USA verschiffen können.
Der Privatsektor der Verteidigungsindustrie soll einbezogen werden, um afrikanische Militärs mit "nachhaltigen" Technologien und Energielösungen zu unterstützen. US-amerikanische Unternehmen und Risikokapitalgeber hoffen auf steigende Kurse und reagieren laut dem Weißen Haus dementsprechend zuversichtlich auf die sich bietenden Möglichkeiten auf dem Kontinent.
"Krieg gegen den Terror" in Afrika
Die strategischen Überlegungen des Papiers drehen sich um den Zugang zu den großen See- und Handelswegen, die den Kontinent umschließen, wie den Atlantik und den Indischen Ozean sowie den zwischen Jemen und Somalia liegenden Golf von Aden. Dieser führt zum Suezkanal, der wichtigsten Wasserstraße der Welt.
Die US-Regierung ordnet Subsahara Afrika als Teil ihres "nationalen Sicherheitsinteresses" ein. Um die Bedrohung für das Heimatland zu verringern, soll der Kampf gegen den Terror höhere Priorität bekommen.
Das Strategiepapier steht im Lichte einer zunehmenden militärischen Präsenz von US-Truppen auf dem afrikanischen Kontinent in der amerikanisches Militär als Lösung afrikanischer Probleme präsentiert wird. Offiziell hat die US-Armee inzwischen über 6.000 Truppen in verschiedenen Teilen des Kontinents, die andere Armeen meistens in verschiedenen Operationen unterstützen und ausrüsten.
Auch humanitäre Hilfe spielt eine große Rolle. Die Soldaten bauen Schulen und helfen bei der medizinischen Versorgung und anderen zivilen Projekten, womit jedoch die Anwesenheit uniformierter US-Soldaten in Afrika immer mehr zur Normalität wird. Im Strategiepapier heißt es, die USA werden "neben, mit und durch" afrikanische Schlüsselpartner arbeiten. Das geschieht schon länger. Jedoch wurde der breiten Öffentlichkeit in den USA und andernorts erst bekannt neben, mit und durch wen die Truppen arbeiteten, als Nachrichten über gefallene US-Soldaten in Kenia, Niger und Somalia publik wurden.
Auftritt Africom
Die neue Etappe der US-Präsenz in Afrika begann mit der Errichtung des US-Afrika Kommandos im Jahr 2007. Die US-Armee hat die Welt in sechs Hauptquartiere unterteilt, alle bis auf zwei befinden sich auf US-amerikanischem Boden. Europa- und Afrikakommando jedoch befinden sich in Stuttgart, Baden-Württemberg, wobei es Umzugspläne gibt.
Vom Africom aus werden alle militärischen, sowie zivile Aktivitäten des US- Verteidigungsministeriums und anderer Behörden auf dem afrikanischen Kontinent – Ägypten ausgenommen – gebündelt und koordiniert. Das Africom verfügt mittlerweile über eine groß angelegtes Netzwerk an Militärbasen auf dem Kontinent und führt unterschiedliche Missionen in mindestens 33 Staaten durch. Das Eucom ist derweil bis einschließlich Russland und Türkei zuständig.
Noch vor der Gründung des Africom unterstützten die USA das äthiopische Militär beim Einmarsch in Somalia, um die Union islamischer Gerichte zu stürzen. Die hatte mit ihrem Shariarecht die stabilste Regierung errichtet, die Somalia seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 gesehen hatte. 2006 nahm die Union die Hauptstadt Mogadischu ein, sobald sie die US-unterstützten Warlords besiegt hatte.
Nachdem der Einmarsch die Union islamischer Gerichte zerschlagen hatte, verselbstständigte sich deren bewaffneter Arm. Dieser ist heute bekannt als Al Shabaab ("Die Jugend") Miliz, deren auf Rache gesinnte Anschlagsserie Ostafrika seitdem in Atem hält. Bis heute fliegen die USA regelmäßig Angriffe auf Somalia und unterhalten ein Geheimgefängnis im Land. Uganda leitet die Militärmission AMISOM der Afrikanischen Union in Somalia, um Al Shabaab an der Kontrolle des Landes zu hindern und die UN gestützte Regierung zu halten.
Aktivisten in den USA und Europa forderten 2012 die Verhaftung des christlich fundamentalistischen Rebellenführers Joseph Kony wegen seiner Kindersoldaten und Kriegsverbrechen. Das war der willkommene Anlass für die Obama-Regierung, die Militärpräsenz in Uganda, Kongo, Südsudan, Niger und anderen Staaten zu erhöhen.
Ugandas Regierung nutzte den Kampf gegen Konys Lords Resistance Army unter anderem, um Hilfsgelder ins Militär umzuleiten. Die wiederum halfen dem Präsidenten Museveni sich über 30 Jahre lang an der Macht zu halten. Nachrichten über getötete Demonstranten und willkürliche Verhaftung und Folter von Oppositionellen sind keine Seltenheit.
Laut dem US-Außenministerium ist Uganda ein "verlässlicher Partner" im Kampf gegen den Terrorismus. Dafür wird die Museveni Regierung von der US-Regierung großzügig finanziell unterstützt. Kaum ein afrikanisches Land erhält so viele Hilfsgelder aus den USA wie Uganda, etwa eine Milliarde Dollar jährlich. Die USA spielen nach eigenen Angaben eine Schlüsselrolle dabei, das Militär in Uganda zu professionalisieren.
Rohstoffkrieg
Laut dem Strategiepapier beherbergt Afrika 30 Prozent der kritischen Mineralien, "die unsere moderne Welt antreiben". Allein die Demokratische Republik Kongo verfügt Schätzungen zufolge über noch förderbare Rohstoffe im Wert von 24 Billionen Dollar. Das Land besitzt z.B. über 80 Prozent der bekannten Koltan-Reserven. 2019 kamen außerdem 70 Prozent des weltweit geförderten Kobalts aus dem ehemaligen Zaire.
Die Mineralien sind unverzichtbar für die Elektrotechnik. Für die Digitalisierung und den Trend zu mehr elektronischen Waren ist die Kontrolle über die Ressourcen essentiell. Allein die letzten Jahrzehnte waren geprägt vom Krieg um diese Rohstoffe. Der UN-Sicherheitsrat hatte 2001 Ruanda und Uganda scharf kritisiert, den Krieg im Kongo auszunutzen, um das Land seiner Bodenschätze zu berauben. Der Erlös finanziere die Rebellen, die durch den Mineralexport ihre Macht sicherten.
Ugandas Regierungschef Museveni und Ruandas Präsident Kagame werden im Bericht ausdrücklich als "Paten" und Hauptsponsoren eines Krieges genannt, der wegen seiner Brutalität und der vielen beteiligten Staaten als der afrikanische Weltkrieg in die Geschichte einging. Ebenso beteiligt daran sind mehr als 20 europäische Unternehmen, vor allem aus Belgien, Deutschland und den Niederlanden, die die Rohstoffe hauptsächlich für sich verwenden. Bei dem Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo ging es im Kern um Zugang, Kontrolle und Handel von fünf Rohstoffen: Koltan, Diamanten, Kupfer, Kobalt und Gold, so die UN.
Die Hauptsponsoren von Ruanda und Uganda während des Kriegs waren das Vereinigte Königreich, Dänemark, Deutschland und die USA. Während Uganda die im Kongo erbeuteten Rohstoffe verkaufte, lobte die Weltbank die wirtschaftliche Leistung Ugandas sogar als Erfolgsgeschichte. Schätzungen zufolge forderte der Krieg zwischen 1998 und 2008 etwa 5,4 Millionen Tote.
Im Strategiepapier verspricht die US-Regierung, dass beim Rohstoffabbau in Zukunft das Einhalten der Menschenrechte sichergestellt werden soll. Viele Konzerne behaupten, keine Rohstoffe aus Krisenregionen zu kaufen und lassen sich das auch zertifizieren. Doch trotz anhaltend inhumaner Arbeitsbedingungen gelangen die Produkte über Umwege zuverlässig zu den kaufkräftigen Regionen der Welt.
Damit konfrontiert verwies das Africom im Zuge einer Telepolis-Anfrage auf das sogenannte Leahy Gesetz, das die militärische Zusammenarbeit und Hilfe für jene, die Menschenrechte veletzen, unterbinden soll. Organisationen wie Amnesty International sehen im Gesetz ein wichtiges Mittel, um Hand in Hand mit der US-Regierung eine menschenfreundlichere Politik durchsetzen zu können. Das Gesetz wird jedoch in vielerlei Hinsicht als unzureichend kritisiert.
Was auch immer die Amerikaner und ihre Verbündeten im Krieg gegen den Terror unternehmen, es funktioniert nicht. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Terroranschläge in Afrika mehr als verzehnfacht: Boko Haram in Nigeria, Krieg in Mali und seit einigen Jahren terroristische Aktivitäten in Mozambique. 2020 zählte Afrika um die zwei Duzend aktive islamistische Terrororganisationen, aktiv in 14 Ländern. Waren es 2019 fast 3500 Gewaltakte, konnten 2022 bereits über 6200 Gefechte und Anschläge beobachtet werden. Auch Uganda wurde 2021 häufiger von Anschlägen heimgesucht. Al Shabaab erklärte, das sei die Antwort auf ugandische Truppen in Somalia.
Die Strategie der USA und ihrer Verbündeten ist es, Armeen und Regierungen zu stärken, zu bewaffnen und auszubilden, um den "Krieg gegen den Terror" zu gewinnen. Doch die Hauptgründe für Terrorismus sind Armut, Korruption und Unterdrückung. Einer Studie der UN-Entwicklungsorganisation UNDP zufolge sind die stärksten Gründe, warum sich Menschen terroristischen Organisationen anschließen, Unzufriedenheit mit korrupten Regierungen und das Bedürfnis nach einem bezahlten Beruf. 70 Prozent der befragten Milizionäre nannten Taten der Regierung als entscheidenden Punkt, der sie zum Beitritt zu einer solchen Gruppe bewegte.