Sprengstoffpakete in der heißen Wahlkampfphase an Demokraten und CNN

Die New Yorker Polizei demonstriert kampfbereite Wachsamkeit. Bild: NYPD
Trump versucht sich zu distanzieren, Demokraten machen ihn für Gewalt verantwortlich, Rechte sehen False-Flag-Anschlagsversuche
Kurz vor den Midterm-Wahlen, bei denen die weitere Politik der USA auf dem Spiel steht, da die Demokraten vielleicht die Mehrheit des Repräsentantenhauses und womöglich auch im Senat erobern könnten, wurden Pakete mit Sprengstoff an die Adressen der Obamas und Clintons geschickt, auch an den Obama-Justizminister Eric H. Holder und an die demokratische Abgeordnete Maxine Waters wurden Pakete gerichtet.
Auf dem an Holder adressierten Paket wurde die demokratische Abgeordnete und frühere Vorsitzende des Democratic National Committee Debbie Wasserman Schultz als Absender genannt. Weil die Adresse von Holder falsch war, wurde es an deren Büro in Florida geschickt. Fehlalarm gab es beim demokratischen Gouverneur von New York, Andrew M. Cuomo. Überdies war bereits am Montag ein ähnliches Paket an George Soros, dem auserkorenen Feind der Rechten und Antisemiten, sowie gestern auch an das Time Warner Center geschickt worden, in dem u.a. CNN seine Redaktion hat. Es handelt sich also um eine breit gestreute Angriffswelle von mindestens sechs Paketen, die an die Anschläge des Unabomber in den 90er Jahren und die Milzbrandbriefe 2001 erinnert.
Die "verdächtigen" Pakete an die Obamas und Clintons wurden vom Secret Service abgefangen. Sie seien bei den routinemäßigen Prüfungen aufgefallen, die Empfänger seien deswegen davon nicht bedroht gewesen.
Bei Soros kam das Paket jedoch an, lag im Briefkasten und war nicht nur verdächtig. Die Polizei löste kontrolliert eine Sprengung aus, was zeigt, dass die Bombe scharf war. Sie sei nach Polizeiangaben allerdings kleiner als gewöhnlich gewesen, hätte aber wohl gereicht, eine nahestehende Person zu töten oder zu verletzen. Ein Angestellter fand am Montag das Paket, das vermutlich direkt eingeworfen und nicht von der Postausgeliefert wurde, verdächtig.
Auch das Paket an CNN erreichte sein Ziel, die Polizei räumte das Gebäude und ging von einem funktionsfähigen Sprengsatz aus. Zudem befand sich in dem Paket weißes Pulver. Als Absender war wieder Debbie Wasserman Schultz angegeben. Gerichtet war das Paket an den ehemaligen CIA-Direktor John Brennan, der jetzt Mitarbeiter bei MSNBC ist. Andere Medienhäuser in New York werden nun von der Polizei überwacht. Brennan trat im Januar 2017 zurück, kritisierte Trumps Haltung gegenüber den Geheimdiensten und bezeichnete ihn später als Scharlatan. Der revanchierte sich, indem er im Sommer dessen Sicherheitsfreigabe aufhob.
Angriff auf Trump-Gegner
Dass gleich auch Gerüchte zirkulierten, dass auch das Weiße Haus ein solches Paket mit einer Rohrbombe erhalten habe, was sich aber als falsch erwies, wie der Secret Service mitteilte, macht die Anspannung deutlich. Würde auch das Weiße Haus mit Sprengsätzen bedroht werden, wäre die Zielrichtung eine andere, allgemein gegen die politische Elite gerichtet gewesen.
Jetzt aber stehen nur politische und mediale Gegner von Donald Trump und die ihn unterstützenden republikanischen Kandidaten auf der Angriffsliste. Alle Pakete seien gleicher Machart, mindestens einer der Sprengsätze enthielt Projektile und Glassplitter, sie dürften wohl von einem Absender stammen. Noch gibt es kein Bekennerschreiben oder irgendeinen Hinweis, wer oder welche Gruppe dahinterstecken könnte.
Zuerst fällt der Verdacht natürlich auf Anhänger von Trump, der sich gerade als "Nationalisten" bezeichnete und einen eher verzweifelt wirkenden Kreuzzug gegen Demokraten als Marxisten und Sozialisten. Trump stellte sich ganz hinter die Erklärung von Vizepräsident Mike Pence, der die "feigen Angriffe" verurteilte. Sie hätten keinen Platz in den USA, die Verantwortlichen würden zur Rechenschaft gezogen.
Verschwörungstheorien gedeihen
Ganz offensichtlich schaden die verschickten Sprengsätze aber Trump und den Republikanern, so dass man nicht lange darauf warten musste, bis von rechter Seite Verdächtigungen geäußert wurden, dass Trump-Gegner hinter der Paketbombenaktion sehen. Und natürlich hat hier auch "Verschwörungsexperte" Alex Jones von Infowars, dessen Accounts bereits im September von Twitter, Facebook oder Google gesperrt wurden, wieder etwas zu sagen. Er habe bereits im August vorausgesagt, dass es zu False-Flag-Angriffen auf Medien wie CNN oder MSNBC kommen werde, um Trump oder ihm selbst zu unterstellen, er würde zu Gewalt aufrufen.
Überdies schrieb er, dass in sozialen Medien "schmutzige Demokraten" für die Tat verantwortlich seien. Frage man Google Trends nach "false flag" ab, so lässt sich in der Tat beobachten, dass die Suche nach dem Begriff ab Mittwoch, 14 Uhr Ortszeit, zwar nicht explodierte, wie Jones sagt, aber dennoch steil nach oben ging. Die Bereitschaft scheint hoch zu sein, dem politischen Gegner alles zu unterstellen. So schreibt etwa Sherry P: "Dems sending suspicious packages to THEMSELVES! Pathetic attempt at an October surprise!" Andere wie HesherVan weiten den Verdacht aus: "Don't be fooled, this bomb sent to #CNN is a #FalseFlag event orchestrated by CNN itself, conveniently timed just two weeks before the #Midterms just as the #MigrantCaravan is as well."
Trump versucht, sich zu distanzieren
Bill de Blasio, der Bürgermeister von New York, sprach von einem Terroranschlag, der sich gegen die freie Presse und Politiker richte: "Es ist eine Zeit, in der die Menschen eine Menge an Hass in der Atmosphäre spüren, Vorfälle wie diese verstärken dieses Gefühl." Anfang Oktober wurden bereits verdächtige Briefe an Donald Trump und zwei hohe Militärs vom Secret Service entdeckt. Die Vermutung war, dass sie womöglich das Gift Rizin enthalten könnten. Eine Bestätigung gab es allerdings nicht. Festgenommen wurde ein Navy-Veteran.
Obwohl oder weil Donald Trump die Demokraten und kritische Medien immer wieder scharf angegriffen hatte, gab es er sich gestern während einer Presseerklärung betont kämpferisch und verurteilte die Anschlagsversuche. Androhungen politischer Gewalt und Gewalttaten hätten in den USA keinen Platz. Das sei eine parteiübergreifende Erklärung. Er kündigte an, das "ganze Gewicht der Regierung" werde eingesetzt, um die Verantwortlichen zu finden. Trump, der ansonsten spaltet, sagt nun, dass "wir uns in diesen Zeiten einigen müssen". Nicht abgelesen vom Teleprompter schloss Trump seine Bemerkungen: "Wir sind extrem wütend, aufgebracht und unglücklich über das, was wir diesen Morgen sehen mussten. Und wir werden das aufklären."
Trump weiß, dass die Vorwürfe lauter werden, dass er mit seinen aggressiven Äußerungen und Tweets die Gewaltbereitschaft unter seinen Anhängern geschürt habe und dass im Wahlkampf nun gegen die Republikaner ausschlagen könnte. Noch dazu stürzte der Dow um 600 Punkte gestern ab, wodurch erst einmal alle Gewinne in diesem Jahr vernichtet wurden. Das trifft Trump schwer, der sich immer damit brüstete, die Börsenwerte auf Rekordhöhe gebracht zu haben.
In einer gemeinsamen Erklärung des demokratischen Senators Chuck Schumer und der Abgeordneten Nancy Pelosi, die beiden Fraktionsvorsitzenden, verurteilen sie Trumps Reaktion: "Präsident Trumps Worte klingen hohl, solange er nicht seine Äußerungen gegen Medien und politische Gegner zurücknimmt, die Gewaltakte rechtfertigen."
Time and time again, the President has condoned physical violence and divided Americans with his words and his actions: expressing support for the Congressman who body-slammed a reporter, the neo-Nazis who killed a young woman in Charlottesville, his supporters at rallies who get violent with protestors, dictators around the world who murder their own citizens, and referring to the free press as the enemy of the people.
Nancy Pelosi und Chuck Schumer
CNN-Chef Jeff Zucker kritisierte ebenfalls Trump scharf. Im Weißen Haus fehle völlig das Verständnis für die Folgen der fortwährenden Angriffe auf die Medien: "Der Präsident und vor allem die Sprecherin des Weißen Hauses müssen verstehen, dass Worte etwas bewirken."
Eine Wahlwerbung der Trumpkampagne, die trotz alledem ausgeschickt wurde, um zu Spenden aufzurufen, gibt den Kritikern recht: "The Democrats will invoke violent mob rule, endless witch hunts against anyone they want, open borders, job-killing regulations, assaults on the Constitution, high taxes, and high crime -- all to empower themselves." (Florian Rötzer)
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