"Saudi Arabien hat sich einen Medienschutzschild zusammengekauft"

Carola Richter and Asiem El Difraoui über die Medien im arabischen Raum

Ob al Jazeera, Facebook oder Twitter, ob arabischer Frühling oder Islamischer Staat: Im Guten wie im Schlechten spielen Kommunikationsmedien eine wichtige politische Rolle im Nahen Osten. Wie sieht es aber im Vergleich zu den neuen mit den traditionellen Medien dort aus? Wird den neuen Medien eine tragende Funktion unterstellt und angedichtet, um anderswo von der politischen Verantwortung für die unheilvolle politische Entwicklung ablenken zu können? Telepolis sprach mit der Kommunikationsforscherin Carola Richter und dem Politologen Asiem El Difraoui, die den Sammelband Arabische Medien herausgegeben haben.

Welche Bedeutung haben die Medien im arabischen Raum und wie unterscheidet sich diese von der in der westlichen Hemisphäre?

Carola Richter: Massenmedien, soziale Medien und eine starke orale Kommunikationskultur sind allgegenwärtig in arabischen Ländern. Sie sind wie in der westlichen Hemisphäre auch Kanäle, über die Informationen und Unterhaltung fließen, über deren Inhalte man spricht und sich an ihnen abarbeitet. In jedem Haushalt, sei er noch so arm, läuft meist dauerhaft ein Fernseher, Smartphones sind weit verbreitet.

Was die arabischen Medien besonders macht, ist sicherlich ihr transnationaler Charakter. Gerade Fernsehen und die sozialen Medien verbinden Menschen von Marokko bis Irak mit Sprachverwandten in Deutschland oder Frankreich. Entsprechend konnten und können nationale Ereignisse eingebettet werden in größere Zusammenhänge; das Wissen über Vorkommnisse in anderen arabischen Ländern kann Inspiration sein, wie im "Arabischen Frühling" gesehen, aber genauso gut auch zur Abschreckung genutzt werden, wie die Bilder des Zerfalls aus Syrien oder Libyen. In jedem Fall werden Lernprozesse über politische, soziale und auch journalistische Entwicklungen dynamisch verändert.

"Saudi Arabien ist der größte Medienbesitzer des Nahen Ostens"

Sie schreiben von unterschiedlichen Herrschaftsformen im arabischen Raum. Spiegelt sich dies in den Medien wider?

Carola Richter: Ja, unterschiedliche Herrschaftsformen haben immer einen unterschiedlichen Umgang mit Medienfreiheit und der Struktur der Medien bewirkt. Die - häufig als sozialistisch angetretenen - Republiken der Region wie Syrien, Ägypten oder Algerien haben in Medien frühzeitig ein Mobilisierungsinstrument gesehen. Der frühere ägyptische Präsident Nasser hat mit seinen Radioansprachen in den 1960ern ganze Völker in seinen Bann geschlagen. Medien sollten erziehen und auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam machen und sich dabei an der Politik der herrschenden Elite orientieren.

In den Golf- und anderen Monarchien wie Marokko und Jordanien sind die Medien viel eher privatisiert worden. Andererseits war diese Privatisierung häufig eine Pseudo-Privatisierung und die Medien blieben in den Händen von Prinzen oder der Königsfamilie nahestehenden Oligarchen. Ziel ist es hier, zum einen Kontrolle über die Medieninhalte zu bewahren, sie aber auch als Unternehmen zu verstehen und kommerziellen Erfolg zu haben. Das Äußere dieser Medien hat sich zwar schnell professionalisiert, Kritik am herrschenden System ist aber immer noch tabu.

Asiem El Difraoui. Foto: UVK

Asiem El Difraoui: Viele Golfstaaten haben in Medienzentren investiert. Sie haben also auf der einen Seite die modernsten Medien überhaupt, auf der anderen senden diese nur apolitischen Kommerz. Saudi Arabien ist der größte Medienbesitzer des Nahen Ostens, es besitzt immense Anteile an allen arabischen Tageszeitungen und hat sich regelrecht einen Medienschutzschild zusammen gekauft: Durch die Beherrschung der größten Zeitungen und Fernsehsender haben sie sich einen Bereich geschaffen, in dem kritische Stimmen zur Innenpolitik kaum mehr durchdringen. Saudi Arabien hat sich Kritik einfach weg gekauft, um sich international nicht angreifbar zu machen.

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