Neue Erkenntnisse zu Covid-19 und Grippe im Vergleich

Studie aus Frankreich über klinische Befunde und Letalität mit alarmierenden Ergebnissen, vor allem in Bezug auf Kinder und Jugendliche

Kürzlich habe ich in Telepolis eine Mitte Dezember in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte retrospektive Kohortenstudie aus des USA vorgestellt (Letalität bei Covid-19 fünfmal höher als bei saisonaler Grippe), in der bei stationären Patienten mit Covid-19 und saisonaler Influenza klinische Befunde und die Letalität beider Erkrankungen verglichen wurden. Dabei fand sich bei Covid-19 unter anderem ein fünffach höheres Sterberisiko, eine vierfach größere Häufigkeit des Einsatzes von mechanischem Beatmungsgerät und eine 2,4-fach häufigere Aufnahme der Patienten auf die Intensivstation als bei saisonaler Influenza.

Eine ähnlich angelegte landesweite Studie über klinische Befunde und Letalität bei stationären Patienten in Frankreich, die mit Covid-19 oder saisonaler Influenza ins Krankenhaus eingewiesen worden waren, wurde am 17.12.2020 in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet - Respiratory Diseases veröffentlicht, über die ich in diesem Nachtrag berichten möchte.

Einige einleitende Bemerkungen

Im Dezember 2019 wurde eine neue Erkrankung, die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht wird und als Covid-19 bekannt geworden ist, als eine große weltweite Bedrohung wahrgenommen. Angesichts seiner Infektiosität und der relativ niedrigen Fall-bezogenen Todesrate, die ursprünglich in China gemeldet wurde, nahm man zunächst an, dass SARS-CoV-2 der Influenza ähnlicher sei als SARS-CoV-1. Die präventiven Maßnahmen für diese neue Virusinfektion beruhten auf einem Vergleich mit dem Influenzavirus, da die Viren ähnliche Übertragungsmechanismen aufweisen und Atemwegserkrankungen verursachen.

Am 11. März 2020 wurde eine globale Pandemie ausgerufen, die mit erheblicher Krankheitshäufigkeit und Sterblichkeit verbunden war und die Krankenhäuser und das Gesundheitssystem im Allgemeinen stark belastete. In Frankreich hatte Covid-19 Mitte Juli 2020 bereits mehr als 30.000 Todesfälle verursacht, von denen sich fast 20.000 im Krankenhaus ereignet hatten.

Die fallbezogene Sterberate bei Covid-19 schien höher zu sein als bei der saisonalen Grippe, obwohl beide Krankheiten hauptsächlich ältere Erwachsene (älter als 65 Jahre), die gebrechlich waren, betrafen. Diese zu beobachtende höhere Case Fatality Rate (CFR) von Covid-19 könnte auf Unterschiede in den bei den Patienten bestehenden Komorbiditäten zurückzuführen sein, aber auch auf die unterschiedliche Pathogenität der Viren, eine unterschiedliche auf die Viren bezogene Immunitätslage in der Bevölkerung oder die unterschiedlichen Reaktionen der Betroffenen auf die Infektionen.

Beispielsweise sind Impfstoffe und zugelassene medikamentöse Behandlungen für Influenza verfügbar, nicht jedoch für Covid-19, was sich zum Glück aber gerade ändert. Darüber hinaus führte die erhebliche Belastung der Krankenhäuser in Frankreich innerhalb kurzer Zeit zu Einschränkungen bei den verfügbaren Ressourcen zur Versorgung der am schwersten von der Infektion betroffenen Patienten.

Ziel der vorliegenden Studie war es, anhand der französischen landesweiten Daten die Patienten, die stationär wegen Covid-19 behandelt wurden, mit denjenigen, die in der Saison 2018/19 wegen Influenza ins Krankenhaus eingeliefert worden waren, zu vergleichen. Es sollten eventuelle Unterschiede in Bezug auf Risikofaktoren, klinische Befunde und Behandlungsergebnisse festgestellt und bewertet werden.

Methodik und Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie

Die Grundlage dieser landesweiten retrospektiven Kohortenstudie waren die Entlassungsberichte für alle Krankenhauseinweisungen in Frankreich, die in der französischen nationalen Verwaltungsdatenbank (PMSI) verfügbar sind und auf die die Autoren Zugriff hatten.

Alle Patienten, die vom 1. März bis 30. April 2020 mit Covid-19 und alle Patienten, die zwischen dem 1. Dezember 2018 und dem 28. Februar 2019 wegen Influenza ins Krankenhaus eingeliefert worden waren, wurden einbezogen. Risikofaktoren, klinische Befunde und Behandlungsergebnisse wurden bei diesen beiden Patientengruppen festgestellt und miteinander verglichen, wobei die Daten ebenfalls nach Altersgruppen stratifiziert wurden.

Während des angegebenen Studienzeitraums wurden 89.530 Patienten mit Covid-19 und 45.819 Patienten mit Influenza in Frankreich stationär behandelt. Im Falle von Covid-19 waren die Patienten häufiger männlich (im Verhältnis 53 zu 47 Prozent) und bei Influenza häufiger weiblich (im Verhältnis von 52 zu 48 Prozent). Das mittlere Alter der Patienten betrug 68 Jahre mit einem Interquartilabstand (IQR) von 52 bis 82 Jahren für Covid-19 und 71 Jahren (IQR 34 bis 84 Jahre) für Influenza.

Patienten mit Covid-19 waren häufiger fettleibig oder übergewichtig und hatten häufiger Diabetes, Bluthochdruck und Dyslipidämie als Patienten mit Influenza, während Patienten mit Influenza häufiger Herzinsuffizienz, chronische Atemwegserkrankungen, Leberzirrhose oder Mangelanämie aufwiesen.

Bei Patienten, die mit Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, entwickelte sich häufiger eine akute Ateminsuffizienz, eine Lungenembolie, ein septischer Schock oder ein hämorrhagischer Schlaganfall als bei Patienten mit Influenza. Jedoch entwickelten sie seltener einen Herzinfarkt oder Vorhofflimmern.

Die Sterblichkeit im Krankenhaus war bei Patienten mit Covid-19 höher als bei Patienten mit Influenza. Sie betrug 16,9 Prozent (15 104 von 89 530 Patienten) versus 5,8 Prozent (2640 von 45 819 Patienten), mit einem relativen Sterblichkeitsrisiko für Covid-19 von 2,9 und einem altersstandardisierten Sterblichkeitsverhältnis von 2,82.

Von den ins Krankenhaus eingelieferten Patienten war der Anteil der pädiatrischen Patienten (Alter unter 18 Jahre) bei Covid-19 mit 1,4 Prozent (1227 Personen) viel geringer als bei Influenza mit 19,5 Prozent (8942 Personen). Aber bei Covid-19 benötigte ein größerer Anteil der Patienten unter fünf Jahren eine Intensivbehandlung als bei Influenza (14 entsprechend 2,3 Prozent von 613 Patienten versus 65 entsprechend 0,9 Prozent von 6973 Patienten).

Bei Jugendlichen zwischen elf und 17 Jahren war die Sterblichkeit im Krankenhaus bei Covid-19 zehnmal höher als bei Influenza (fünf entsprechend 1,1 Prozent von 458 Patienten versus einem entsprechend 0,1 Prozent von 804 Patienten), und Patienten mit Covid-19 waren häufiger fettleibig oder übergewichtig.

Schlussfolgerungen: Die Befunde von Patienten mit Covid-19 und saisonaler Grippe, die stationär behandelt werden müssen, sind sehr unterschiedlich. Ein schweres akutes Atemwegssyndrom bei einer SARS-CoV-2-Infektion hat wahrscheinlich ein höheres Potenzial für die Schädigung der Atemwege als bei Influenza, was zu mehr Atemwegskomplikationen und einer höheren Sterblichkeit führt.

Bei Kindern und Jugendlichen scheint die Rate der Krankenhauseinweisungen für Covid-19 zwar niedriger zu sein als bei Influenza, aber die Sterblichkeit im Krankenhaus ist höher. Niedrige Patientenzahlen schränken die Aussagekraft dieses Befundes jedoch ein. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung geeigneter Präventionsmaßnahmen für Covid-19 sowie die Notwendigkeit eines spezifischen Impfstoffs und einer spezifischen Behandlung für diese Infektionskrankheit.

Diskussion der neuen Studienergebnisse aus Frankreich

In dieser landesweiten Kohortenstudie, in der die Covid-19 mit der saisonalen Grippe verglichen wurde, wurden fast doppelt so viele Patienten über einen Zeitraum von zwei Monaten mit Covid-19 ins Krankenhaus eingewiesen als mit saisonaler Influenza über einen Zeitraum von drei Monaten. Das bedeutet, dass in einem Zeitraum von zwei Monaten 2020 bei Covid-19 dreimal so viel Patienten ins Krankenhaus eingewiesen wurden als bei Influenza 2018/2019.

Es besteht eine geringe Möglichkeit, dass einige Patienten, die 2020 im Krankenhaus aufgenommen worden waren, fälschlicherweise als Covid-19 eingestuft wurden, während sie tatsächlich an Influenza erkrankt waren. Das Risiko einer Fehlklassifizierung war jedoch gering, da der untersuchte Zeitraum im Jahr 2020 bei Covid-19 am Ende der Grippeepidemie in Frankreich lag.

Nach Angaben der Nationalen Gesundheitsbehörde bestand bei 29,7 Prozent der unter 65-Jährigen und bei 51 Prozent der über 65-Jährigen in Frankreich ein (gewisser) Impfschutz gegen die saisonale Grippe. Daher hat die Grippeimpfung wahrscheinlich zu weniger Krankenhauseinweisungen bei saisonaler Grippe und einer damit verbundenen niedrigeren Sterblichkeitsrate beigetragen.

Die genannten Faktoren deuten darauf hin, dass der Unterschied bei der Anzahl der ins Krankenhaus eingewiesenen Patienten mit Covid-19 und saisonaler Influenza unter anderen Bedingungen oder während anderer Zeiträume höher sein könnte, zum Beispiel, wenn die Immunitätslage in der Bevölkerung, die durch frühere Perioden der saisonalen Influenza erworben wurde, niedriger ist als üblich.

Weiterhin wurde in der Studie festgestellt, dass die Krankenhaussterblichkeit bei Covid-19 fast dreimal höher als bei der saisonalen Grippe war, mit einem altersstandardisierten Sterblichkeitsverhältnis von 2,8. Darüber hinaus mussten Patienten mit Covid-19 doppelt so häufig eine mechanische Beatmung auf der Intensivstation erhalten und blieben dort fast doppelt so lange wie Patienten mit saisonaler Influenza.

Bemerkenswert ist, dass der Zeitraum 2018/19 die höchste Zahl von Todesfällen bei saisonalen Influenza-Erkrankungen in Frankreich in den letzten fünf Jahren aufwies (12.300 Todesfälle, davon waren 8.100 direkt auf Influenza zurückzuführen). Daher war die auf Grund von Covid-19 beobachtete Übersterblichkeit nicht das Ergebnis einer Grippesaison, die 2020 weniger schwer als üblich verlaufen ist.

Eine andere mögliche Erklärung für die höhere Sterblichkeit von Patienten mit Covid-19 ist, dass der plötzliche und über einen kurzen Zeitraum erfolgte hohe Zustrom von Patienten mit dieser Diagnose eine Überlastung der Intensivstationen verursacht und Pflegeteams dazu verleitet hat, Patienten, basierend auf ihrem klinischen Status und ihrer Prognose im Sinne einer Triage zu priorisieren. Diese Hypothese wird durch die im Vergleich zur Influenza (etwas) niedrigere Aufnahmerate auf die Intensivstation von Patienten über 80 Jahren mit Covid-19 gestützt, was stark mit der höheren Sterblichkeit bei derselben Patientengruppe kontrastiert.

Soziale Benachteiligung als Risikofaktor bei Patienten mit Covid-19?

Die französischen Mediziner haben keine starken Korrelationen zwischen Behandlungsergebnissen und sozialer Benachteiligung festgestellt. Wenn man bedenkt, dass das nationale Krankenversicherungssystem Frankreichs nicht verlangt, dass Einzelpersonen im Voraus für die Gesundheitsversorgung zahlen müssen, dürfte der (etwas) geringere Anteil der Patienten, die mit Covid-19 auf die Intensivstation aufgenommen wurden als bei saisonaler Grippe, eher mit den schlechteren Prognosen bei dieser Patientengruppe als mit sozioökonomischen Erwägungen zusammenhängen.

Dennoch können die Autoren nicht ausschließen, dass soziale Benachteiligung bei jüngeren Erwachsenen ein Risikofaktor ist, da die Benachteiligungs-Score bei Patienten mit Covid-19 im Alter von 18 bis 40 Jahren deutlich höher ausfiel als bei einer stationären Vergleichsgruppe mit Influenza.

Die höhere Sterblichkeit im Krankenhaus, die bei jüngeren Covid-19-Patienten beobachtet wurde, legt nahe, dass Covid-19 an sich schwerer verläuft als die Grippe.

Obwohl Kinder und Jugendliche (unter 18 Jahren) anscheinend ein geringes Risiko haben, mit Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert zu werden (siehe, wie oben ausgeführt, die niedrige Rate der Krankenhauseinweisungen für Covid-19 im Vergleich zur saisonalen Grippe bei Patienten unter 18 Jahren) war die Sterblichkeit dieser Altersgruppe im Krankenhaus mehr als viermal höher als die bei Kindern und Jugendlichen mit Grippe.

Dies steht im Gegensatz zu jüngeren Berichten, nach denen die klinischen Erscheinungen von Covid-19 bei Kindern oft sehr oft mild verlaufen. Diese scheinen milder als die bei der Influenza bei Kindern unter fünf Jahren zu sein und bei Kindern unter einem Jahr nicht schwerer als andere Coronavirus- oder Influenza-Infektionen.

In der französischen Studie könnte die im Vergleich zur Grippe bestehende Übersterblichkeit im Krankenhaus bei Kindern unter fünf Jahren mit Covid-19 teilweise durch einen verstärkten Einsatz von Behandlungen auf der Intensivstation abgemildert worden sein. Die höhere Sterblichkeitsrate an Covid-19 bei Patienten im Alter von elf bis 17 Jahren könnte darauf hindeuten, dass man bei jungen Menschen mit Übergewicht oder Adipositas besonders wachsam sein muss.

Die gesteigerte Sterblichkeit bei Kindern könnte zum Teil auch mit einer mysteriösen pädiatrischen Erkrankung, bekannt geworden als Kawasaki-ähnliches Syndrom, zusammenhängen. Tatsächlich wurde eine unerwartet hohe Inzidenz dieses Syndroms beobachtet, auch bei Jugendlichen mit Covid-19, aber es tritt selten auf und erklärt wahrscheinlich nicht das erhöhte Risiko der Sterblichkeit. Obwohl dieses Syndrom manchmal zum Tod führen kann, wurde darüber hinaus bisher kein Zusammenhang mit Übergewicht festgestellt.

Die Bedeutung der Komorbiditäten

Die Ergebnisse der französischen Studie deuten darauf hin, dass die Schwere der Krankheit mit den Komorbiditäten wie bei jeder Viruserkrankung zusammenhängen könnte. Das mittlere Alter der Patienten, die in Frankreich für Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, lag in einem Bereich, der auch in anderen großen internationalen Studien berichtet wurde. Der Gesamt-Score für Komorbiditäten war bei Patienten mit Covid-19 tendenziell niedriger als bei Patienten mit saisonaler Grippe, und die Patienten, die mit Covid-19 aufgenommen wurden, waren häufiger männlich mit weniger Komorbiditäten als bisher beobachtet wurde.

Während Diabetes mellitus und Übergewicht besondere Risikofaktoren für die Krankenhauseinweisung von Covid-19-Patienten zu sein scheinen, werden schwere Komorbiditäten wie Herzinsuffizienz, chronische Atemwegserkrankungen und Leberzirrhose, die auch häufig mit Covid-19 in Verbindung gebracht wurden, häufiger bei der saisonalen Influenzagruppe beobachtet.

Die schweren kurzfristigen Auswirkungen der zuletzt genannten drei Erkrankungen im Vergleich zu Diabetes und Adipositas ist ein weiteres Argument für eine höhere intrinsische Schwere von Covid-19 im Vergleich zur Grippe. Obwohl Unterschiede bei den Komorbiditäten die unterschiedliche Schwere beider Erkrankungen erklären könnten, könnte dieser Unterschied aber auch auf eine gesteigerte Immunantwort bei Covid-19 zurückzuführen sein oder durch die Verschlimmerung von Komorbiditäten bei Influenza-Infektionen beeinflusst werden.

Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass Menschen, die in der hier diskutierten Studie mit dem HI-Virus leben, nicht stärker von Covid-19 betroffen zu sein scheinen als durch die saisonale Grippe. Dies unterstützt die Hypothese, dass virologisch kontrollierte (d. h. antiretroviral behandelte) HIV-Patienten kein wesentlich höheres Risiko aufweisen, einen schweren Verlauf einer Covid-19 zu entwickeln, wie es in Ländern mit niedrigen antiretroviralen Behandlungsraten beobachtet wurde. Angemerkt sei hier jedoch, dass bei HIV-Infizierten auf Grund einer möglichen präventiven Wirkung einer antiretroviralen Therapie nicht von einem geringeren Risiko für Covid-19 ausgegangen werden sollte.

Wenn man die Ergebnisse von Untersuchungen bei hospitalisierten Patienten betrachtet, treten Atemwegskomplikationen bei Covid-19-Patienten häufiger auf als bei saisonaler Influenza. Ähnlich wie in anderen Studien wurde auch in dieser Untersuchung festgestellt, dass bakterielle Co-Infektionen der Lunge bei Covid-19 weniger häufig waren, im Gegensatz zu dem, was bei Grippeepidemien gemeldet wurde. In dieser Studie war jedoch die Häufigkeit von pulmonalen bakteriellen Ko-Infektionen bei Covid-19 und Influenza ähnlich groß.

Es scheint daher so, dass SARS-CoV-2 ein gesteigertes Potenzial für pathogene Wirkungen im Bereich Respirationstraktes besitzt, möglicherweise dadurch, dass es eine Upregulation einer Anzahl von Entzündungsmediatoren induziert und dass dadurch bedingte Atemwegskomplikationen in erster Linie für die bei Covid-19 beobachtete erhöhte Sterblichkeitsrate verantwortlich sind.

Wie bereits berichtet, haben Patienten mit Covid-19 ein höheres Risiko für Lungenembolien. Ein höheres Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle (aber nicht ischämische Schlaganfälle, wie häufiger beobachtet wurde) fand sich ebenfalls in unserer Studie, nicht nur wegen einer spezifischen Covid-19-induzierten zerebralen Vaskulitis, sondern auch wegen der hohen Dosen von Antikoagulanzien, die bei Covid-19 verwendet werden, um das Risiko von Thromboembolien zu reduzieren.

Bemerkenswert ist, dass Patienten mit Covid-19, bei denen häufig angenommen wird, dass bei ihnen ein höheres Herzrisiko besteht (hier sind das akute Koronarsyndrom, Myokarditis, Arrhythmien und kardiogener Schock zu nennen), tatsächlich ein geringeres Risiko für Myokardinfarkt und Vorhofflimmern aufweisen als Patienten mit saisonaler Influenza. Patienten mit Influenza hatten zu Beginn des Krankenhausaufenthalts häufiger eine chronische Herzinsuffizienz, aber die Frage, ob Inzidenz und Auswirkungen der saisonalen Influenza-bedingten Myokarditis unterschätzt werden, erfordert weitere Untersuchungen.

Schlussbetrachtung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es erhebliche Unterschiede zwischen Patienten mit Covid-19 und saisonaler Grippe gibt, die stationär behandelt werden müssen. SARS-CoV-2 scheint ein höheres Potenzial für eine Schädigung des Respirationstraktes zu besitzen, was zu mehr Atemwegskomplikationen bei Patienten mit insgesamt weniger Komorbiditäten führt, und es ist mit einem höheren Sterblichkeitsrisiko verbunden, insbesondere bei Jugendlichen, obwohl alle Schlussfolgerungen für diese Altersgruppe angesichts der geringen Anzahl von in dieser Studie festgestellten Todesfällen mit Vorsicht behandelt werden müssen.

Diese Ergebnisse wurden auch bestätigt, nachdem die Überlastungen in den Krankenhäusern im Zusammenhang mit dem plötzlichen Zustrom von Patienten während der ersten Welle der Covid-19-Epidemie berücksichtigt worden waren.

In Zukunft wird die Möglichkeit von sich überlappenden Influenza- und Covid-19-Epidemien sicherlich auch die Komplexität des Patientenmanagements erhöhen. In einer Zeit, in der sich gezeigt hat, dass es noch keine effektive Behandlung von Covid-19 gibt, unterstreicht diese Studie die Bedeutung der nicht-pharmakologischen Maßnahmen zur Prävention, der Notwendigkeit des Einsatzes eines spezifischen Impfstoffs gegen SARS-CoV-2 und der Entwicklung einer effektiven medikamentösen Behandlung von Covid-19.

Fazit

  1. Wie auch eine kürzlich veröffentlichte vergleichbare Untersuchung an stationären Patienten mit Covid-19 und saisonaler Influenza in den USA gezeigt hat, hat auch diese Studie aus Frankreich ergeben, dass die Letalität bei Covid-19 wesentlich höher ist als bei saisonaler Influenza. Die Ergebnisse dieser Studie unterstützen die Einschätzung, dass Covid-19 viel gefährlicher ist als die saisonale Grippe.
  2. Neu ist der Befund, dass diese Aussage wahrscheinlich auch für Kinder und Jugendliche zutrifft. Obwohl nur sehr wenige Angehörige dieser Altersgruppe an Covid-19 schwer erkranken, scheint die Sterblichkeitsrate hier ebenfalls wesentlich höher zu sein als bei Kindern und Jugendlichen mit saisonaler Grippe.
  3. Der Artikel weist darauf hin, dass es in Frankreich (wie auch in einigen anderen europäischen Ländern und in den USA) zeitweise im Rahmen der ersten Welle der Corona-Pandemie zu Überlastungen der Krankenhäuser gekommen war, sodass nicht mehr alle Patienten behandelt werden konnten. Das hatte dazu geführt, dass die Behandlungsteams auf den Intensivstationen eine Zeitlang Priorisierungen im Sinne einer Triage durchführen mussten, basierend auf dem klinischen Status und der Prognose der Patienten. Ein Kriterium für die Triage war wohl ein hohes Lebensalter (Alter über 80 Jahre).
  4. Diese bedauerliche Situation ist nicht allein dem Virus anzulasten. Sie hat ihre Ursache in einer neoliberalen Gesundheitspolitik, die in ganz Europa und den USA in den letzten Jahrzehnten aus Profitgründen zu Klinikschließungen und einem erheblichen Betten- und Personalabbau in den Krankenhäusern geführt hat, der offenbar in Frankreich besonders stark betrieben wurde (Covid-19: Ein gefährliches Virus).
  5. Das wirft die Frage auf, ob nicht die Corona-Krise für uns auch eine Chance für eine gründlichen Revision unseres Gesundheitssystems sein könnte. In einem am 18.12.2020 in Telepolis erschienenen Artikel spricht sich in diesem Zusammenhang der Philosoph Dieter Birnbacher dafür aus, dass der Prävention bei der Gesundheitsversorgung ein höherer Stellenwert eingeräumt werden sollte (Die Corona-Krise ist nur der erste Schritt zu einer gründlichen Revision unseres Gesundheitssystems)
  6. Aus meiner Sicht als Rehabilitationsmediziner kann ich das nur unterstützen. Aber ein zentraler Aspekt einer derartigen Revision muss auch sein, dass die Einsicht gestärkt wird, dass die Gesundheitsversorgung ein unabdingbarer Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge ist und nicht dem privaten Renditestreben ausgesetzt werden darf.

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin- Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin- Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Er ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Nikotin-Tabakforschung e.V. (DGNTF) und arbeitet in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. Email: klaus-dieter.kolenda@gmx.de