Lasst Iran die Bombe bauen

Umfrage in arabischen Ländern: Die "Schiiten vs. Sunniten"-Karte funktioniert nicht unbedingt im Kalten Krieg zwischen USA und Iran

Manchen Einstellungen ist nur schwer beizukommen. Obwohl sich die amerikanische Regierung seit geraumer Zeit bemüht, Iran als großen Gefahrenherd im Nahen Osten zu präsentieren, scheint dies in der Bevölkerung der arabischen Ländern nur wenig Erfolg zu haben: Nach einer aktuellen Umfrage zur öffentlichen Meinung in Ägypten, Jordanien, Marrokko, Saudi-Arabien und den Vereinigten Emiraten, setzten nur sechs Prozent den Iran auf die Liste der Länder, von denen die größte Bedrohung ausgehe. Ganze 74% nannten dagegen die USA, als es um die Frage ging, von welchen Ländern die größte Außenbedrohung für ihre Sicherheit herrühre.

Weniger als ein Viertel der "face-to face" befragten 3.850 Teilnehmer der Zogby-Studie (Link funktionierte gestern nicht mehr; Zusammenfassungen hier und hier) waren darüber hinaus der Überzeugung, dass auf Iran Druck ausgeübt werden sollte, damit das Land sein Atomprogramm einstellt. Die Mehrheit in allen sechs arabischen Ländern gab vielmehr an, dass Iran das Recht habe, sein Programm weiterzuverfolgen, selbst wenn die meisten, wie zuletzt der französische Präsident Chirac und amerikanische Regierungskreise ohnehin, glaubten, es sei mit der Absicht konzipiert, Nuklearwaffen zu entwickeln.

Das ist bemerkenswert, weil die Regierungen dieser Länder, wenn sie nicht gar als Verbündete der USA gelten (Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien), so doch wenigstens in engen und guten Geschäftsbeziehungen stehen (Vereinigte Emirate). Es scheint nach diesen Ergebnissen der Studie so, als ob die Kluft zwischen offizieller Regierungspolitik und den Einstellungen der Bevölkerung markanter ist als die Rivalität zwischen Sunniten und Schiiten, die seit einiger Zeit bemüht wird, um Front gegen Iran zu machen. Zumindest, wenn es um die USA oder Israel, das neben Amerika mehrheitlich als Außenbedrohung genannt wurde, geht.

Das deckt sich auch mit Beobachtungen, die während des Krieges zwischen Israel und der Hisbullah im Sommer letzten Jahres gemacht wurden: Obschon saudi-arabische wie jordanische Medien damals versuchten, die für das Regime gefährliche Popularität der Hisbullah in der öffentlichen arabischen Meinung zu untergraben, indem man die Karte der unterschiedlichen Konfessionen spielte - "patriotische Sunniten hier, illoyale Schiiten (die dem nicht-arabischen Iran hörig sind) dort" - , funktionierte das nicht recht. Hisbullahführer Nasrallah wurde zur beliebtesten Führerfigur im gesamten arabischen Raum, ungeachtet der tiefen Gräben zwischen Sunniten und Schiiten.

Nach der Zogby-Umfrage, die von Shibley Telhami ausgearbeitet wurde, war Nasrallah bis Ende letzten Jahres noch der meist bewunderte Führer der arabischen Welt, gefolgt vom französischen Präsidenten Chiraq, der bei Umfragen in den Jahren zuvor ganz vorne lag und Ahmadinedschad. An vierter Stelle liegt dessen Freund Chavez. Das tiefe antiamerikanische Sentiment in der Region zeigt sich auch bei der Nennung des unbeliebtesten Führers - Bush - und den schlechten Imagewerten für die USA ("57% say they have very unfavorable views of America and 21% somewhat unfavorable; 8% say somewhat favorable and 4% very favorable").

Da die Studie, wie der amerikanische Journalist Jim Lobe erwähnt Ende letzten Jahres vor der Exekution Saddam Husseins durchgeführt wurde, konnte sie allerdings nicht die Wirkungen der Kampagnen der darauffolgenden Wochen einfangen: Das "Schiiten vs. Sunniten"-Thema erlebte seit der Hinrichtung von Saddam Hussein nämlich in der Berichterstattung eine deutliche Akzentuierung, die der Realität gerne übertriebene Kontraste hinzumischte.

Ganz frei von parteiischen Interessen darf man sich aber auch den Designer der Zogby-Studie, Telhami, nicht denken. Darauf angesprochen, ob sich seit der Exekution Saddam Husseins die Einstellungen verändert hätten, erklärte er unbeirrt:

The public of the Arab world is not looking at the important issues through the Sunni-Shi'a divide. They see them rather through the lens of Israeli-Palestinian issues and anger with U.S. policy (in the region). Most Sunni Arabs take the side of the Shi'as on the important issues.

Bestätigt wird er aber durch einen anderen Punkt der Befragung. So sollen 45 Prozent angegeben haben, dass "Moslem" der wichtigste Aspekt ihrer Identität sei, gegenüber 29%, die hier ihre Nationalität - "citizen of my country" - nannten und 20 Prozent, denen "Araber" als Identitäts-Bezeichnung am wichtigsten war. Man spielt demnach nicht ungestraft mit religiös aufgeladenen Identitätskarten, sie kommen zuletzt denen zugute, denen man den Kampf angesagt hat, Al Qaida zum Beispiel, die mit solchen Basic-Labels auch ihr Propagandareservoir immer wieder neu auffüllen kann. (Thomas Pany)