Kurze Geschichte meiner Weltumsegelungen
Man mumifiziert
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Aber auch mit viel Routine wird die Fliegerei nicht einfacher — sie fällt einem nicht leichter. Vor allem fiel mir schon früh auf, dass man auf so einem Flug um die halbe Erde richtig auf seinem Kotbauch sitzt, und die Verstopfung auch drei Tage nach der Ankunft noch nicht abgestoßen hat. Der Jetlag ist eigentlich nur eine Art Einfrieren der inneren Uhr. Ich versuchte, dem entgegen zu steuern, indem ich nur flüssige Nahrung — Wasser, Saft, Tee, Kaffee — zu mir nahm. Keinen Alkohol, nichts solides. Zwei Tage Fasten, was sollte einem das schon schaden können? Tatsächlich sah ich bei der Ankunft dann aber jedesmal aus wie ein "Refugee" — wie ein Flüchtling, der irrsinnige Leiden durchgemacht hatte.
Tatsache ist, dass der Körper in der trockenen Luft des Stratospäre-Fluges regelrecht die Füssigkeit herausgesogen bekommt, aus den Lungen, aus der Haut. Man mumifiziert. Die Gedärme ruhen — sowieso; der Körper fastet also gar nicht, er wird nur an der Verdauung gehindert. Der Speisebrei sinkt von selber nieder und treibt als zusehends sich verhärtende Masse dem Dickdarm zu. Die Kotztüten sind beinahe ohne Funktion. Schlecht werden kann einem so gut wie nie, weil der Magen zum Kotzen gar nicht genug Flüssigkeit aufweist.
International hat sich die Ernährungsindustrie, die die Fluglinien bedient, zu einem komplett effizienten System entwickelt. Gewiss, "vegetarische" Mahlzeiten bestehen nach wie vor nur aus Nudeln mit einer Tomaten/Käse-Paste, doch das ist ja in der internationalen Gastronomie auf der ganzen Welt nicht anders. Aber die hübschen kleinen Puppenhaus-Mahlzeiten befriedigen überall den gleichen Spieltrieb, und sättigen auch gerade ausreichend. Dass sie durch den Schlund herunterplumpsen und sich fast augenblicklich zu Koprolithen umwandeln, die sich schwer im Magen niederlassen, gilt dabei als vernachlässigenswert.
Flüge ohne Dekubitus und Thrombose überstehen
Freilich, je älter der Fluggast wird, umso mehr plagt ihn beim Flug auch anderes — der Mangel an Bewegung, der Mangel an Schlaf, das unbequeme Sitzen. Im Vergleich zu meinen eigenen Maßen — Körpergröße 1.83, Gewicht ca 84 Kilo — sind natürlich viele Fluggäste kleiner und leichter, andererseits aber auch viele beträchtlich größer und schwerer. Die Sitzreihen mit drei Passagieren nebeneinander bieten aber nur kleine Sitzkäfige, in denen man sich — wie einen Blumenstiel in die Vase — hinein-stielt. Man sitzt dann dort auf 30 oder mehr Stunden eingeklemmt. So ergibt es sich, dass sich allmählich der metallene Rahmen unter der Sitzfläche einem ins Fleisch bohrt und spürbar einen Stopp des Blutflusses in die Beine verursacht. Hier würde ich jedem Fluggast empfehlen, einen aufblasbaren Schwimmring mitzunehmen, den man sich unters Gesäß schieben kann, ähnlich wie man es von frisch gewordenen Müttern nach einem Dammschnitt kennt.
Ob die Anti-Thrombose Strümpfe wirklich was taugen, wage ich zu bezweifeln. Auf alle Fälle empfehlen sich aber lockere, breite, bequeme Schuhe, in denen man die Füße, von warmen Wollstrümpfen eingefasst, unbeengt einstellen kann. Ebenso warme Kleidung, die man bei Bedarf an- oder ablegen kann, da es bekanntlich nicht leicht ist, zu schlafen, wenn man friert, oder wenn es einem zu heiß ist.
Schließlich würde ich empfehlen, die Flugzeugmahlzeiten komplett zu umgehen, und sich stattdessen in einem Plastikbehälter von zuhause bereits fertig geraspelte Karotten mitzunehmen bzw. mitzubringen. Geraspelt deshalb, weil viele Menschen ja nicht mehr genügend kaufähige Zähne besitzen, und vom Essen bereits einer einzigen Möhre ermüdet wären. Die geraspelte Karotte dagegen erlaubt die langsame und bedachtsame Einspeichelung kleiner Kaumengen — die man dann irgendwann hinunterschluckt. Der Magen erhält eine ausreichend vorverdaute Speisemasse, die er nun bearbeitet und weiterleitet.
Der Fluggast könnte zusätzlich um eine Tasse heißes Wasser bitten, und jeweils einen Würfel Hühnerbouillon darin auflösen. Das ist sozusagen der Ersatz für Tee oder Kaffee, aber auch für die anderen Geschmacksnoten, die einem bei der langweiligen Karotten-Tour entgehen. Aber, man bedenke, auch Kühe leben gesund, und dazu brauchen sie kaum mehr als etwas Gras. Für die Dauer einer Flugreise sollte dem Fluggast eine kleine Karotten-Kur zumutbar sein. Als Experiment zum Messen der Verdauungsdauer kann man sich vorher — vor dem Flugantritt — auch eine gewisse Menge rote Beete einverleiben, um nachher die Dauer des Verdauungsvorgangs anhand der seit der Ingestion abgelaufenen Stunden bis zum Wiederaustritt der rot gefärbten Teileinheit zu messen. Ein wenig Wissenschaftlichkeit kann gerade bei einem Unternehmen wie der Weltumrundung durch die Luft überhaupt nicht schaden. (Tom Appleton)
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