Gutes Reich, schlechtes Reich

Im Leserdialog: Internationales Recht im Flugverkehr: von Wien nach Minsk

User OlleKnolle kritisierte meinen Beitrag zur erzwungenen Landung eines Ryanair-Fluges mit dem Blogger und Aktivisten Roman Protassewitschan Bord in Minsk. Darin beschrieb ich die unterschiedlichen Reaktionen vor allem westlicher Regierungen auf diesen Zwischenfall einerseits und die erzwungene Landung eines Flugzeugs mit dem damaligen bolivianischen Präsidenten Evo Morales im Jahr 2013 in Wien.

User OlleKnolle kommentierte dies unter der Überschrift Die Umwandlung von TP in ein russisches Tendenzmedium schreitet voran wie folgt: "Wie sich der Autor hier krampfhaft bemüht, diesen völkerrechtswidrigen Akt zu relativieren dürfte in Minsk und Moskau sicher auf ungeteilte Zustimmung treffen."

Zunächst ging es in dem Beitrag Doppelstandards am europäischen Himmel nicht um eine Bewertung der Fälle, sondern um die Reaktionen. Tatsächlich war der Zwischenfall 2013 international auf harsche Kritik gestoßen, während sich europäische Regierungen deutlich zurückhielten – einige von ihnen waren selbst unmittelbar verantwortlich.

Um diesen Widerspruch festzustellen, muss man sich nicht krampfhaft bemühen.

Die Organisation Amerikanischer Staaten verurteilte 2013 in einer Resolution mit dem Titel Solidarität der OAS-Mitgliedsstaaten mit dem Präsidenten des Plurinationalen Staates Bolivien und seinem Volk die "Handlungen, die die grundlegenden Normen und Prinzipien des Völkerrechts verletzen, wie zum Beispiel die Immunität von Staatsoberhäuptern". Die Organisation forderte Madrid, Lissabon, Paris und Rom damals nachdrücklich auf, "den Zwischenfall hinreichend zu erklären" sowie die "entsprechenden Entschuldigungen" zu übermitteln.

Der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sagte, er "verstehe die Bedenken der bolivianischen Regierung" über die erzwungene Zwischenlandung in Wien, nachdem mehrere europäische Länder ihren Luftraum für ihn geschlossen hatten. Ban "fordert die verantwortlichen Regierungen Länder auf, diese Frage mit allem gebührenden Respekt der auf dem Spiel stehenden legitimen Interessen zu behandeln".

Gegenüber der britischen BBC kam der Völkerrechtler Antonio Remiro Brotons von der Autonomen Universität Madrid zu einem eindeutigen Urteil:

Ich bezeichne es als eine eindeutig zweifelhafte Handlung. Dies ist nicht irgendein Flugzeug; es ist ein Präsidentenflugzeug, das ein Staatsoberhaupt an Bord hat, und als solches genießt es die gleiche Immunität und Freiheit, die es innerhalb seiner eigenen Nation hätte.

Ein Staat die Sperrung seines Luftraums beschließen, aber nur, wenn ein politischer Führer strafrechtlich verfolgt wird oder mit einer Sanktionsmaßnahme belegt worden ist. Dies betrifft den Umgang mit international agierenden Kriminellen, oder greift, wenn Druck auf Länder ausgeübt werden soll, die mit diesen Verbrechen in Verbindung stehen.

In diesem Fall handelte es sich um ein Präsidentenflugzeug mit einem Staatsoberhaupt an Bord, bei dem es keinen Grund für eine Regierung gab, ihn an der Durchquerung und dem Überfliegen ihres Luftraums bei friedlichem Verhalten zu hindern.

Die von den europäischen Ländern ergriffenen Maßnahmen basierten auf einem Gerücht, das sich als unzutreffend herausstellte. Und es ist eindeutig eine Aktion, die nicht im Einklang mit dem Völkerrecht steht.

Zu der Vermutung, dass der WikiLeaks-Informant Edgar Snowden an Bord des Präsidialflugzeugs gewesen sein soll, sagte der spanische Völkerrechtler:

Es gab Spekulationen, dass Snowden mit an Bord sei, doch die haben sich nicht bestätigt. Aber selbst wenn das Gerücht wahr ist und er im Flugzeug gewesen wäre, hätte Bolivien jedes Recht gehabt, ihn in ihrem Flugzeug in das südamerikanische Land zu bringen.

Denn Snowden wird von einem anderen Land, den USA, angeklagt, das die Auslieferung wegen eines Vergehens fordert, das ihrer Meinung nach in ihrem Rechtsraum begangen worden ist.

Snowden wird keines internationalen Verbrechens beschuldigt und hat daher das Recht, von einem anderen Land, das dies zulässt, geschützt zu werden, und dies schließt seinen Transport im Präsidentenflugzeug ein.

Trotz dieser eindeutigen Einschätzungen von internationalen Organisationen und Juristen, sah die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf.

Die Verweigerung des Überflugs für den bolivianischen Präsidenten Evo Morales durch einige europäische Staaten Anfang Juli 2013 war weder Gegenstand von Gesprächen der Bundesregierung mit der US-amerikanischen Regierung noch Thema bei Kontakten mit den betreffenden europäischen Staaten.

Antwort des Staatssekretärs Harald Braun vom 24. Juli 2013

(Harald Neuber)