Ehrenmitglieder und Ehrenmedaillen: Politiker als Zeitbombe

Mafiosi aus Italien

Aber sicherlich werden wir in Umberto Vattani, einem früheren Botschafter Italiens in Berlin, ein verdientes Ehrenmitglied einer Universität finden können. Nun, er ist ebenfalls ein problematischer Fall. Es stellt sich heraus, dass Vattani eng verknüpft war mit Giulio Andreotti, dem "Paten" der italienischen Politik, und dass auch er eine dicke Akte bei der italienischen Justiz hat. Zur Erinnerung: Giulio Andreotti musste 29 Mal gegen die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität kämpfen, da ihm Verbindungen zur Mafia angelastet wurden.

Vattani hat 1994 zusammen mit diesem Andreotti eine Methode ersonnen, um dem obskuren afrikanischen Mittelsmann Omar Bassam Salamè Geld zukommen zu lassen. In Zaire wurde über diesen Mann angeblich ein Krankenhaus errichtet. Das Krankenhaus existierte aber nur auf dem Papier, die Zahlungen waren Schmiergelder. Auf der Flucht vor der italienischen Justiz hat sich der gute Bassam Salamè in der Londoner Wohnung von Vattani versteckt. Vattani hat auf Unkenntnis der wahren Sachlage plädiert und der Prozess kam zum Stillstand. Ein Jahr vorher war Vattani schon einmal in einen Fall von Schmiergeldzahlungen für eine Gaspipeline in Algerien verwickelt gewesen. Wieder versagte die italienische Justiz.

2009 wurde Vattani jedoch wegen Betrugs (peculato) verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, private Telefonrechnungen über 25.000 Euro durch sein Ministerium bezahlt zu haben. Eigentlich waren die italienischen Ermittler schon wieder hinter neuen Schmiergeldzahlungen für eine Gaspipeline (diesmal in Tunesien) her und haben unseren guten Vattani abgehört. So haben die Ermittler entdeckt, dass der Präsident des Instituts für Außenhandel eine frühere Mitarbeiterin in Brüssel über sein Mobiltelefon angerufen, dafür Tausende von Euros ausgegeben und zudem auch noch andere Frauen sexuell belästigt hat! Es war "Bunga-Bunga" am Telefon. Und so haben wir ein Universitäts-Ehrenmitglied, das zu zwei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt worden ist.

Und so wie der Scheich und Kim Dae-Jung hat Signore Vattani auch illustre Kinder, die, wen wundert es, Karriere im Ministerium des Vaters gemacht haben. Mario Vattani, eines der beiden Kinder, war Generalkonsul Italiens in Osaka, als 2012 entdeckt wurde, dass er nebenbei als Sänger für eine faschistische Rockband (Sotto Fascia Semplice) in Kneipen auftrat. Er wurde, die schwarze Fahne Mussolinis lobend, beim Faschistengruß aufgenommen. Umberto Vattani verteidigte natürlich seinen Sohn. Er weiß es am besten: der Figlio braucht nur eine Weile von der Bühne zu verschwinden, wie er es selber so oft in seiner Karriere tat.

Die Bankgesellschaft und die verschlungenen Milliarden

Schauen wir weiter auf unser nächstes Ehrenmitglied: Hubertus Moser, ehemaliger Vorstand der Landesbank Berlin. Moser würde über die Vattani angelasteten 25.000 Euro nur müde lächeln. Er hat mit Milliarden jongliert und Berlin das schwere Erbe der Schulden der Bankgesellschaft beschert. So beschreibt Der Spiegel Mosers große Taten:

Bei der Gründung der Bankgesellschaft im Jahr 1994 wurde Moser zusammen mit Wolfgang Steinriede zum Vorstandssprecher bestimmt. (...) Doch die Arbeit verlief nicht unbedingt erfolgreich. Nachdem Milliardenrisiken im Finanzplan der Bank entdeckt worden waren, gab Moser sein Amt am 31.12.1996 an den vermeintlichen Sanierer Wolfgang Rupf ab. Eilig gebildete Rücklagen in Milliardenhöhe ließen Moser erklären, er übergebe ein "blitzblankes Haus" ohne "Leichen im Keller"- offensichtlich ein Trugschluss. Oder eine Erklärung wider besseren Wissens?

Ruchbar sind unter anderem Immobiliengeschäfte der Immobilientochter IBG geworden, für die auch Moser verantwortlich sein soll. Dabei geht es um steuerbegünstigte geschlossene Immobilienfonds, die zwischen 1992 und 1996 vor allem an "Freunde der Landesbank" - etwa Spitzenmanager oder -politiker - vertrieben worden sind. Anders als sonst üblich übernahm die Bank das komplette Risiko, etwa bei Mietausfällen. Für die Begünstigten ein risikofreies Geschäft.

Und beim Tagesspiegel lesen wir:

Hubertus Moser wollte groß rauskommen. Er war Vorstandsvorsitzender der Landesbank und Aufsichtsratsvorsitzender der IBG, das ist die Immobilientochter der Bankgesellschaft. Der Aufsichtsrat spielt in dem ganzen Drama eine Schlüsselrolle. Moser will ordentlich Geld machen und plant, kräftig zu expandieren. Er trifft auf einen Geschäftsmann aus Bayern, Manfred Schoeps. Schoeps ist an der IBG beteiligt und hat einen prima Plan. Er will das Geschäft mit Immobilien ausweiten. Das trifft sich gut. Die Berliner Bank, die genau wie die Landesbank zur Bankgesellschaft Berlin gehört, hat nämlich gerade Probleme mit ihren Firmenkunden und freut sich über die Aussicht auf ein florierendes neues Geschäftsfeld. Die Zeitbombe beginnt zu ticken.

Und der Rest ist in die Annalen der Geschichte der Stadt als "Berliner Bankenskandal" eingegangen. Wie viele Milliarden verloren gingen, ist immer noch nicht feststellbar, die Abwicklung der faulen Immobiliengeschäfte läuft immer noch. Und das Ehrenmitglied Moser kann sich rühmen, einer der "tollkühnen Spekulanten" (Der Spiegel) gewesen zu sein, die Berlin einen großen Teil der heutigen finanziellen Notlage beschert haben.

Warum Gesetze segensreich sind

Es ist schwer, die Seele eines Menschen zu erspähen - aber Internet ist seit langem da. Viele der hier geschilderten Tatsachen waren bekannt, noch bevor manche Auszeichnungen verteilt wurden. Aber bei aktiven Politikern schaut man gerne weg. Geld und Macht haben eine erotische Wirkung, auch für Universitäten, die häufig die Wünsche der Politik nicht hinterfragen. Es wäre so einfach solche Pannen zu vermeiden und zwar so:

  • Erstens sollte es für alle solche Auszeichnungen eine Satzung und eine Vergabekommission geben, die die Kandidaten unter die Lupe nimmt (die zumindest einmal im Internet nachschaut) und eine Entscheidung trifft.
  • Zweitens sollten solche Kommissionen unabhängig von der Universitätsleitung sein, so dass, wenn ein Bundesminister anruft, die Universität sagen kann: "Bedaure, das muss durch die Kommission gehen".
  • Drittens sollte eine solche Kommission oder ein solches Gremium selten tagen, d.h. mit großem Abstand zwischen Sitzungen, um ad-hoc Entscheidungen zu vermeiden.
  • Und Viertens müssen bei Politikern die Alarmglocken immer am schrillsten läuten. Bei aktiven Staatsmännern und -frauen ist immer Gefahr in Verzug. Ein Mitglied der Kommission muss deswegen, wie bei der katholischen Kirche bei der Seligsprechung, advocatus diaboli spielen und die Schwächen des Vorschlags intensiv prüfen.

Dass eine Universität Ehrendoktorwürden und manche Medaillen verleiht, gehört zum Alltagsgeschäft. Desto größer ist die Verantwortung der Beteiligten, hinter dem Kandidaten nicht das Geld (wie beim Scheich), das Vernetzungspotential (wie bei Moser), die politische Wirkung (wie bei Mubarak), die Schlagzeile morgen (wie bei Kim) oder wer weiß was (wie bei Vattani) zu sehen. Bei Politikern muss immer bedacht werden, dass man sich eine mögliche Zeitbombe zulegt. (Raúl Rojas)