Auch der Krieg hat seine guten Seiten ...

... in der Mode, im Fernsehen, aber leider nicht im Kino

Die Stunde der Wahrheit hatte gestern früh geschlagen. Es ist Krieg oder, wie man bei uns in Niedersachsen gern sagt, Kriech. Prophetisch schnell hat die Modeindustrie reagiert. Militärklamotten sind plötzlich wieder in, aber auch Friedensbewegte können jetzt modisch aufrüsten: Dank des Berliner Trendlabels "virus-berlin", das T-Shirts anbietet mit Aufdrucken wie "Libya Cuba Germany" oder "Old Europe". Wie sie auf diese zündende Idee gekommen ist, verrät die Firma in einer Presseerklärung.

Mit ihrer ersten T-Shirt-Kollektion zeigen die Berliner, dass die Zeit wieder reif ist für Engagement und Meinungsäußerung. Globale, europäische, nationale Krisen und Stimmungen - aktuell der drohende Irak-Krieg - bieten stets neue Themen und Mottos, die man sich heute nicht mehr auf die Fahne, sondern aufs T-Shirt schreibt. Dass man dabei auch noch trendy sein kann, zeigen die Modelle der Dress for Peace-Kollektion. Neue Aussagen werden mit gelernten Symbolen kombiniert, in überraschendem Zusammenhang und auch mit Witz präsentiert. Endlich ein Shirt für den friedensliebenden Mitbürger und Urban-Style-Träger.

Zumindest die Klamottenfrage ist damit für Friedensfreunde also ein Stück weit gelöst. Was allerdings oft noch fehlt, ist die mentale Grundeinstellung. Schließlich schauen wir Deutsche im TV halt gern US-Serien, im Kino noch lieber Hollywood-Filme, und selbst die Betriebssysteme unserer Computer sind made in USA. Alteuropäische Alternativen fallen uns dazu nicht oder kaum ein, und sie sind, wenn wir an deutsche Action- oder französische Problemquassel-Filme denken, meist abschreckend genug.

Was tun? Nun, auch da hilft das Netz weiter. Um sich antiamerikanisch einzustimmen, sollte man gerade als pazifistischer Urban-Style-Träger zuerst einmal www.antiamerika.de besuchen. Dort findet man eine beachtliche Sammlung mit Zitaten von George W. Bush, mit denen man auf jeder Friedensdemo absolut trendy ist. Darunter sind präsidiale Weisheiten wie: "Wenn wir keinen Erfolg haben, laufen wir Gefahr, zu versagen", "Wir sind bereit für jedes unvorhergesehene Ereignis, das eintritt oder auch nicht". Oder besonders schön und aktuell: "Auf jeden tödlichen Schuss kommen ungefähr drei nicht tödliche. Und, Leute, dies ist in Amerika unakzeptabel. Es ist einfach unakzeptabel. Und wir werden uns darum kümmern."

Wer noch weiteren Stoff benötigt, dem empfehlen wir diese aberwitzige Plakatsammlung und das kleine Video "Operation: Terrortubbies" auf der Seite www.dontoons.com. Damit warnt eine Initiative zur Verhinderung von schlechten Filmen vor dem Irak-Krieg, weil bisher jeder Krieg schlechte Kriegsfilme zur Folge gehabt habe.

Betroffen ist aber auch das Fernsehprogramm. Wie zu lesen war, wird von den Verantwortlichen ernsthaft überlegt, ob man wegen der Bomben auf Bagdad überhaupt TV-Raketen wie den Gottschalk, die Sieben Köpfe oder die Volksmusikanten zünden dürfe. Und solche Kollateralschäden im TV-Programm sind der Beweis, dass auch der Krieg seine guten Seiten hat. (Ernst Corinth)