Abkehr von Europa?

Obama gegen Romney: Hintergründe und Perspektiven für Europa bis 2016

eBook

  • Heise Medien
  • ISBN (epub) 978-3-944099-77-4
  • 3,99

Die atlantische Partnerschaft ist in der tiefsten Krise seit ihrem Bestehen - mit negativem Ausblick. Wie auch immer die Entscheidung der amerikanischen Wähler im November ausgeht: Europa gehört zu den Verlierern der US-Präsidentschaftswahl 2012. Und daran ist wenig zu ändern, wenn man den zeithistorischen Hintergrund und die - darin eingebetteten - Überzeugungen der beiden Kandidaten kennt.

Der Politikwissenschaftler Roland Benedikter analysiert die Gründe für den Anti-Europäismus, der in den USA herrscht und die Grundlinien für die Amtszeit des neuen oder alten US-Präsidenten 2013-2016 bestimmen wird. Und er stellt eindringlich heraus, vor welchen Schwierigkeiten die USA selbst stehen. Amerika, "das Land der Mutigen und Freien", ist ein "Land der systemischen und systematischen Ungleichheit" (Al Sharpton) geworden. Die fehlende Gleichheit lähmt den Mut und stellt die Freiheit in Frage. Während die USA nie ein Land der - programmatisch trinitarisch verstandenen - französischen Revolution gewesen sind: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, sondern seit jeher dualistisch begründet waren: also Freiheit (zum Erfolg) und Gleichheit (in der Ausgangslage) auf Kosten der Brüderlichkeit in den Vordergrund stellten, sind sie heute in Gefahr, auch diese Dualität zu verlieren zugunsten einer absolut gesetzten Selbstbezogenheit, die im Motto der Chicago-Schule des Neoliberalismus gipfelt: "Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an jeden gedacht." Mit anderen Worten: Egoismus ist der wahre Altruismus.

Benedikter fragt anlässlich der US-Präsidentschaftswahlen 2012 über diese hinaus - in die kommenden Jahre der Präsidentschaft einerseits, in die politischen und strategischen Grundlagen der "Nach-Supermacht"-USA und in das künftige Verhältnis zu Europa andererseits. In einem ausführlichen Gespräch mit Victor Faessel, Programmdirektor des Orfalea Zentrums für Globale und Internationale Studien der Universität von Kalifornien in Santa Barbara, wird der Frage nachgegangen, wie die Mythologie die US-Politik prägt und ob der "amerikanische Traum" ausgeträumt ist.

Obama wird einen Kurs fahren, der Amerika nicht mehr an der Seite Europas, sondern zwischen Europa und Asien positioniert - mit allen Konsequenzen auch für Amerika selbst, das dadurch weiter "enteuropäisiert" werden wird, und zwar sowohl demographisch wie schon heute, aber auch politisch, gesellschaftspolitisch und kulturell. Obama ist sich völlig bewusst, dass er selbst der erste konsequente oder "Fleisch gewordene" Ausdruck der künftigen "Metaposition" der USA durch ihre Enteuropäisierung ist.

Romney strebt hingegen nach einem "Neuen amerikanische Jahrhundert" und hängt einer globalen Vorherrschaftsphantasie Amerikas an. Er könnte sich als ein "harter", möglicherweise kriegerischer und expansiver Präsident erweisen, der im Dienst der 1% reichsten Amerikaner das Land nach innen kolonialisiert, Europa äußerlich als Vasall hält und dabei kulturell für das Gegenbild all dessen hält, was Amerika ist und werden soll. In vielen Bereichen wie etwa Klimaveränderung, Umweltschutz oder soziale Partizipation sowie möglicher "Präventivkriege" wie gegen den Iran oder Syrien ist Romney geradezu das Gegenbild Europas und ein aktiver politischer Gegner der politischen Ausrichtungen, die Europa global und regional wichtig sind. Romney könnte insgesamt als der US-Präsident in die Geschichte eingehen, der die gegenseitige atmosphärische Entfremdung auf einen Tiefpunkt der 250jährigen Beziehung treibt.

"Roland Benedikter, einer der besten Kenner der USA im deutschsprachigen Raum, berichtet direkt aus der Quelle amerikanischen Selbstverständnisses. Seine Analyse zu Umfeld, Vorlauf und die Zeit nach den Wahlen schließt nicht nur Porträts der Kandidaten und Szenarien für die Zukunft aus europäischer Sicht ein, sondern bietet auch eine in dieser Form einmalige, vertiefte Analyse des inneren Zustandes der USA und dessen Auswirkungen auf die geopolitische Situation der kommenden Jahre."

Raimund Krämer
Professor für internationale und vergleichende Politik an der Universität Potsdam

Roland Benedikter ist Europäischer Stiftungsprofessor für Zeitanalyse, Politische Antizipation und Kontextuelle Politikanalyse an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara und an der Stanford Universität, USA.

Inhalt

  1. Vorwort von Raimund Krämer

  2. Die historische Konstellation: "Post-Empire"-Depression des Westens und atlantisches Dilemma

  3. Obama gegen Romney: Was bedeuten die US-Präsidentschaftswahlen für Europa?

    • Der zeithistorische Hintergrund: "Post-Empire"-Depression des Westens
    • Die "Abstiegs"-These des demokratischen Westens: Objektiv umstritten, aber psychologisch tiefgehend
    • Weltanschauungen der US-Präsidentschaftskandidaten: Das Bild Europas in den "Post-Empire"-depressiven USA
    • Das gemeinsame Grundmotiv Obamas und Romneys: Abwertung Europas
    • Fazit: Vom Regen in die Traufe? Europa zwischen Barack Obama und Mitt Romney
  4. Romneys Welt. Die innenpolitische Situation der USA und die republikanische Kandidatenriege

    • Der zentrale gesellschaftspolitische Mechanismus der USA 2001-2016: Palast gegen Hütte
    • Das Ende des amerikanischen Traums?
    • Der innere Zustand der USA: Eine auseinanderfallende Gesellschaft?
    • Das Signum der US-Gegenwart: Erstauntes Aufwachen der Mittelschicht für die Unzulänglichkeiten des US-Systems
  5. Weltanschauung und Politik Barack Obamas

    • Niederlagen auf Obamas ureigenstem Feld: der Symbolpolitik
    • Der neue Weltanschauungskampf in den USA: Die Mobilmachung des vorpolitischen und kontextuellen (einschließlich kulturellen) Politikfeldes gegen Obama
    • Obamas politischer Manichäismus
    • Die Perspektiven: Die "große Neuausrichtung" der USA unter Barack Obama – und ihre möglichen Folgen für Europa
  6. Mythologie und Politik im US-Präsidentschaftswahlkampf