Yuppie-Karriere im Irak

"Wenn du in Schwierigkeiten bist, geh nach D.C"

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Das amerikanische Militär sorgte Anfang Dezember des letzten Jahres für einige Erregung in der nationalen und internationalen Presse, als bekannt wurde, dass man irakischen Zeitungen gutes Geld für die Veröffentlichung von Good-News-Artikeln bezahlte (vgl. Happy Irak). Im Zentrum des Skandals stand die Lincoln Group, die als eine Art Presseagentur für die Propagandaartikel fungierte. Ein paar Monate später stellt sich nun heraus, dass der Propagandaauftrag in Höhe von mehreren Millionen Dollar an Schaumschläger und Yuppie-Abenteurer vergeben wurde.

Für Karrieren "made in Irak" gab es schon einige illustre Beispiele. Doch anders als bei den politischen Karrieren etwa von Tschalabi oder Ziad Cattan (vgl. Vom Blumenverkäufer zum staatlichen Waffenbeschaffer) liefert die Geschichte der beiden Lincoln-Group-Gründer, Christian Bailey und Paige Craig, erhellende Einblicke in die Vergabe der Millionen schweren privat contracts im Irak. Und ein Bild davon, wie einfach gestrickt die Wirklichkeit hinter der vermeintlich so professionellen und raffinierten Propagandaarbeit der Supermacht aussehen kann.

Vor zwei Jahren noch sollen die beiden Lincoln-Gründer nach einem Bericht der New York Times in eher schlichten Verhältnissen gelebt haben, mit einer Reihe von geschäftlichen Fehlschlägen in der Vergangenheit. Heute können sie sich einen elegant ausgestatteten Firmensitz, teure Häuser und Autos und sogar einen Leibwächter leisten. Nicht zuletzt Dank eines fünf Millionen Dollar Vertrags mit dem Pentagon, demzufolge die Lincoln-Gruppe dabei helfen sollte, "die Iraker zu informieren über die von den Amerikanern geführten Anstrengungen, die Aufständischen zu besiegen und eine neue Regierung zu bilden."

“Very professional on the surface“

Besondere Kompetenzen hatte die Lincoln Group in der Sache nicht anzubieten, zumindest nicht auf einen genaueren zweiten Blick. Der Aufstieg der Firma, so fand die New York Times bei mehreren Interviews mit früheren und gegenwärtigen Angestellten heraus, gründet sich zum großen Teil auf "übertriebene Behauptungen über ihre Fähigkeiten und Verbindungen":

They appear very professional on the surface, then you dig a little deeper and you find that they are pretty amateurish

Jason Santamaria, von der Lincoln Group als "strategischer Berater" geführt

Professionell waren der 30jährige Oxford-Absolvent Christian Bailey und der 31jährige Page Craig, ein früherer Marine mit einer abgebrochenen West-Point- Ausbildung und einem "Business Administration"-Abschluss der National University, allerdings in der Befolgung von Ratschlägen eines Mentors, der Bailey zwei Maximen auf den Weg gab, die dessen bisherige Misserfolge in eine amerikanische "Success Story" verwandeln sollten:

Wenn du in Schwierigkeiten bist, geh nach D.C (Washington)

Wie verschafft man sich gute Referenzen?
Indem man ein Joint-Venture mit jemandem eingeht, der gute Referenzen hat.

Mit der Behauptung, über exzellente Beziehungen zu großen Medien- und Werbeagenturen, zu früheren Regierungsvertretern mit reichen Erfahrungen im Nahen Osten sowie zu ehemaligen Offizieren mit Erfahrungen in der Geheimdienstarbeit und Kenntnissen in der psychologischen Kriegsführung zu verfügen, erwarb sich die Lincoln-Group lukrative Verträge. Die angeblichen Partner sahen diese Geschäftsbeziehungen dagegen als eher flüchtige Bekanntschaften.

Jetzt wird die Vertragsvergabe an die Lincoln-Gruppe vom Generalinspekteur des Pentagon genauer unter die Lupe genommen. Eine andere Untersuchung, in Auftrag gegeben vom amerikanischen Oberkommandeur im Irak, General Casey, die sich mit dem Propaganda-Skandal im Zusammenhang mit der Lincoln-Gruppe beschäftigt, ist vor kurzem abgeschlossen worden, aber noch nicht veröffentlicht.

Kompetent in strategischer Kommunikation

Nach den Quellen der New York Times wollte Lincoln 2004 zunächst mit dem Wiederaufbau im Irak ins Geschäft kommen – mit dem Export von Altmetall und der Herstellung von Ziegeln. Beide Geschäftsideen scheiterten, aus Unkenntnis der dortigen Verhältnisse. Erst als man eine Partnerschaft mit der Rendon Group einging, einer große Firma, die sich wie die Lincoln Group auf der Homepage der Kompetenz in „strategischer Kommunikation“ rühmt, stellte sich der Erfolg ein. Die Rendon Group, der enge Beziehungen zur Bush-Regierung nachgesagt werden, hatte einen fünf Millionen-Dollar-Vertrag für die richtige Nachrichtenaufbereitung für die irakischen Medien in der Tasche. Und stieg aus nicht weiter erklärten Gründen aus dem Vertrag aus, so dass Lincoln den Vertrag alleine erfüllen musste.

Doch hatte Lincoln zu der Zeit nur zwei Dutzend Mitarbeiter, den Aussagen von ehemaligen Angestellten zufolge nur sehr geringe Erfahrung in dem Metier, kaum Geld, um die Angestellten zu bezahlen und kein Geld für nötige Sicherheitsvorkehrungen im Irak. Dennoch machte Lincoln-Mitbegründer Craig in den USA weiter Werbung für sein Unternehmen und behauptete gegenüber der Armee die Kompetenz in Sachen „Information operations“.

Als Asse im Ärmel präsentierte Craig bei den Verhandlungen – Offiziere des 18th Airborne Corps sollten die Kontrolle über den Public Affairs Contract von Lincoln übernehmen – wohlklingende Insider-Namen als Lincoln-Mitarbeiter. Nur dass Jason Santamaria, Koautor des Buches „The Marine Corps Way“, und Jerry Della Femina, Chef der PR-Firma Della Femina Rothschild Jeary & Partners, als creativ director der Lincoln Group geführt, später nichts mehr von einer Mitarbeit, wie sie die Lincoln Chefs darstellten, wissen wollten.

Mister Santamaria zog sich vorzeitig aus dem Geschäft zurück – „concerned about their methods“. Della Femina half noch bei den Konzepten, die Lincoln dem Special Operations Command der US-Armee unterbreitete, und stieg aus, „bevor die Ideen umgesetzt wurden“. Im Sommer letzten Jahres soll die Lincoln Group als hauptsächlicher ziviler Partner der US-Armee für die Propaganda-Kampagne „mehrere zehn Millionen Dollar“ für das Projekt erhalten haben.

Eine große Telekommunikationsfirma, Omnicom, die Lincoln dem Special Operations Command der US-Armee als wichtigen Subunternehmer vorstellte, bestreitet ebenfalls jede Mitarbeit. Während Lincoln mit Omnicom offensichtlich seine Glaubwürdigkeit untermauern wollte, sieht es jetzt ganz nach dem gegenteiligen Effekt aus: „Wir sind uns keiner irgend gearteten Beziehung zur Lincoln Group bewusst“, so der Firmensprecher von Omnicom.

Was den jungen und talentierten Mister Bailey trotz der beiden Pentagon-Untersuchungen nicht weiter anficht. Wie die New York Times weiß, wurde er zuletzt auf einem Empfang einer Angestellten gesichtet, die demnächst einen Posten in der amerikanischen Botschaft im Irak antreten soll: Die Überprüfung von Verträgen.